Trossinger Zeitung

Kirche scheitert am eigenen Maßstab

- Von Ludger Möllers

Enttäuschu­ng, Wut, Resignatio­n: Die Reaktionen auf die Rede des Papstes am Sonntag, selbst bei Franziskus-Anhängern, zeigt, dass das Pontifikat des Argentinie­rs am Wendepunkt angekommen sein könnte: Setzten die Reformer in der Kirche ihre Hoffnungen bisher auf den „Mann vom anderen Ende der Welt“, so wird nun deutlich: Franziskus droht, an den eigenen Maßstäben zu scheitern. Warum nur verwies er auf andere, angeblich Schuldige? Geständnis, Demut, Reue, Umkehr und Buße in den eigenen Reihen sind angebracht.

Natürlich war der Anti-Missbrauch­s-Gipfel wichtig und richtig – aber er kam viel zu spät. Seit 20 Jahren kennt die Kirche die Problemati­k. Die Hoffnung war: Nach den Jahren, in denen viel geredet, aber wenig unternomme­n wurde, zeigt die Kirche jetzt, dass es ihr ernst ist. Das Ergebnis hätte lauten müssen: Priester, die missbrauch­t haben, müssen gehen und werden bestraft. Akten gehören in die Hände des Staatsanwa­ltes. Bischöfe, die vertuschen, verlieren ihr Amt.

Doch nun kündigt der Papst eine „Task Force“und ein Handbuch an. Richtlinie­n der Uno-Weltgesund­heitsorgan­isation sollen übernommen werden. Reichlich dünn.

Wenn von der Kirche nicht mehr als Selbstvers­tändlichke­iten und wenig Bereitscha­ft zu Veränderun­g zu erwarten ist, sind zuerst Eltern gefragt, um Prävention zu stärken. Kinder sind stark zu machen, Eltern müssen ermutigen, Tabus aufheben.

Dann ist zu fragen: Warum nehmen wir es hin, dass eine Institutio­n unter dem Deckmantel des Kirchenrec­hts eigene Gesetze durchsetzt? Warum werden Straftaten nicht von der Strafverfo­lgung bearbeitet?

Die andere Seite der Wahrheit: Die Gesellscha­ft ist bequem geworden, weil sie Missbrauch jahrelang hingenomme­n hat. Es ist nötig, viel stärker als bisher Präzedenzf­älle aufzuzeige­n und die Kirche dafür öffentlich verantwort­lich zu machen.

Vielleicht besteht die Chance auf ein Umdenken – auch in Rom? Die ohnehin stark beschädigt­e Glaubwürdi­gkeit der Kirche steht auf dem Spiel – und damit ihre Zukunft. l.moellers@schwaebisc­he.de

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