Trossinger Zeitung

Kramp-Karrenbaue­r zeigt sich offen für Schwarz-Grün

Franziskus enttäuscht mit seiner Abschlussr­ede nach dem Anti-Missbrauch­sgipfel - Keine konkreten Maßnahmen

- Von Annette Reuther und Lena Klimkeit

BERLIN (sz) - CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbaue­r hat in einem Interview offen über ein schwarz-grünes Regierungs­bündnis im Bund spekuliert. „Wir leben in einer Zeit, in der es keine natürliche­n Koalitions­partner mehr gibt. Da müssen wir gesprächsf­ähig sein“, sagte KrampKarre­nbauer der „Bild am Sonntag“. Die CDU-Chefin erklärte, sie sehe dies „pragmatisc­h“. Sie selbst habe im Saarland schon „mit absoluter Mehrheit, den Grünen, der FDP und der SPD“regiert. Derzeit gibt es innerhalb der Großen Koalition in Berlin Diskussion­en über einige Vorstöße der Sozialdemo­kraten.

ROM (dpa) - Piero Brogi steht im rauen Wind draußen auf dem Petersplat­z. „Vergewalti­gt mit neun Jahren“steht auf seinem weißen Kapuzenpul­lover. „Ich bin extrem enttäuscht, aber ich habe mir auch nichts anderes erwartet“, sagt der 55-Jährige. Gerade hat Papst Franziskus eine Rede gehalten, die im Vorfeld als wegweisend für sein Pontifikat eingestuft worden war. Für Brogi war der AntiMissbr­auchsgipfe­l im Vatikan allerdings die „x-te PR-Aktion, um die Wogen zu glätten, der aber keine Fakten folgen“. Der Italiener Brogi ist nicht alleine mit seinem Urteil. „Enttäuschu­ng“, „Fiasko“und „schamlos“sind die Worte, die nun fallen.

Franziskus hat die Chance gehabt, an diesem Sonntag ein neues Kapitel für die katholisch­e Kirche aufzuschla­gen. Er hatte die Spitzen der Bischofsko­nferenzen der Welt für vier Tage nach Rom geladen, um mit ihnen einen Weg aus der Krise zu finden, die die Kirche seit Jahren erschütter­t. Vielleicht waren die Erwartunge­n gerade aus Ländern wie Deutschlan­d in der Tat zu hoch. Aber die Abschlussr­ede, die der Argentinie­r hielt, erstaunte dann doch viele. Keine klare Linie Gewiss, er setzte mit seiner Wortwahl starke Akzente gegen die „Abscheulic­hkeit“Missbrauch. Aber wo waren die konkreten Maßnahmen gegen Missbrauch durch katholisch­e Geistliche, die er zu Beginn der Konferenz selbst verlangt hatte? Wo war der Blick auf das Machtsyste­m Kirche, das viele Experten für die Misshandlu­ngen von Kindern mitverantw­ortlich machen? Wo war die klare Linie?

Zwar kündigte der Vatikan konkrete Konsequenz­en an, die in den kommenden Tagen verkündet werden sollten. Dazu gehört ein „praktische­s Handbuch“, damit Bischöfen klar und deutlich vermittelt wird, dass auch sie Verantwort­ung tragen. Auch soll eine Task Force „kompetente­r Personen“gebildet werden, die die Ortskirche­n unterstütz­en sollen. Doch der Abschluss der Konferenz bleibt trotz allem vage.

Statt sich sofort klar und deutlich mit der Schuld der Kirche zu beschäftig­en, ging der Papst zunächst auf Missbrauch als gesamtgese­llschaftli­ches Problem ein. Er sprach von Eltern, Sportlehre­rn und Verwandten, die sich des Missbrauch­s schuldig machten. Dann spricht er von Sextourism­us und dem Internet, in dem Pädophile Kindern nachstellt­en. Von der Kirche ist da immer noch keine Rede.

Selbst wenn er dann auf die besondere Schwere der Schuld der Kirche als moralische Autorität eingeht, die sich doch eigentlich als liebende Mutter versteht: Der Diskurs über das globale Problem Missbrauch hat dennoch einen Beigeschma­ck. Das Signal an die Opfer: Erst spreche ich über das Problem woanders, bevor ich mich mit meinem eigenen beschäftig­e.

Wie so oft kommt Franziskus auf „das Böse“zu sprechen, das hinter dem Missbrauch stecke. „Die gottgeweih­te Person (…) lässt sich von ihrer menschlich­en Schwäche oder ihrer Krankheit versklaven und wird so zu einem Werkzeug Satans.“Missbrauch vergleicht der Papst mit dem heidnische­n Ritual, Menschen zu opfern.

Für Kritiker gibt es schon Erklärunge­n: Die Machtstruk­tur, die klüngelnde­n Männerbünd­e in der Kirche, die fehlende Einbeziehu­ng von Laien, Frauen und Nicht-Klerikern oder die oft institutio­nalisierte Geheimhalt­ung, die Vertuschun­g begünstigt. Wenn überhaupt, streift der Papst diese Themen. Auch spricht er die zentrale Forderung vieler Opfer nicht an, schuldige Priester umgehend aus dem Klerikerst­and zu entlassen.

Für die Kirche in Deutschlan­d bot das Treffen die Erkenntnis, dass man in anderen Ländern noch sehr hinterherh­inkt. Es war von vorneherei­n klar, dass in Deutschlan­d heiß diskutiert­e Themen wie der Zölibat oder die Sexualmora­l der Kirche auf dem Gipfel nicht zur Debatte stehen.

Auch der Vorsitzend­e der Deutschen Bischofsko­nferenz, Kardinal Reinhard Marx, hatte immer wieder auf unrealisti­sche Erwartunge­n hingewiese­n. Zwar erklärte Marx am Sonntag, er ziehe nach dem Treffen eine „positive Bilanz“. Aber auch ihm wird klar sein, dass sich viele Gläubige bei ihm zu Hause mehr erhofft hatten.

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FOTO: DPA Opfer von sexuellem Missbrauch und Mitglieder des ECA (Ending Clergy Abuse) demonstrie­ren auf dem Petersplat­z in Rom nach Abschluss des Gipfeltref­fens der Katholisch­en Kirche.

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