Tief zerstritten
Die AfD Baden-Württemberg attackiert ihr rechtes Lager beim Parteitag scharf
HEIDENHEIM - Tief zerstritten über den künftigen Kurs: So hat sich Baden-Württembergs AfD auf ihrem Parteitag präsentiert. Für die neuen Landeschefs Bernd Gögel und Dirk Spaniel dürfte es nicht leicht werden, die konkurrierenden Gruppen zu befrieden. Denn mit frontalen Angriffen auf parteiinterne Gegner hatten Bundeschef Jörg Meuthen und Gögel selbst den Konflikt verschärft.
Es war ein langer und chaotischer Parteitag in Heidenheim, geprägt vom offen ausgetragenen Richtungsstreit zwischen den mehr als 760 Teilnehmern. Auf der einen Seite stehen Mitglieder, die sich hinter Bundeschef Jörg Meuthen und Bundesfraktionschefin Alice Weidel versammeln. Sie wollen vor allem vermeiden, dass die Partei vom Verfassungsschutz beobachtet wird. In seltener Deutlichkeit distanzierte sich Meuthen daher am Samstag von Radikalen in den eigene Reihen. „Vulgäre Machtspiele“Von „vulgären Machtspielchen“und „Kleinkriegen“war da die Rede. Das richtete sich vor allem an zwölf Landtagsabgeordnete. Der neue Parteichef Gögel ist auch Fraktionschef. Die zwölf Parlamentarier versuchen seit Jahresbeginn, ihn zu entmachten. Zuletzt entzog man Gögel sogar den Dienstwagen, für einen endgültigen Sturz fehlt aber die notwendige Zweidrittelmehrheit.
Meuthen warb außerdem für einen „bürgerlichen“Kurs. „Wir haben einige komplett rücksichtslose Radikale in unseren Reihen“, sagte Meuthen, darunter vereinzelte Mitglieder, die antisemitische und rassistische Positionen verträten. Diese hätten keinen Platz in der AfD.
Das von Meuthen so scharf angegangene Lager gruppiert sich um die Landtagsabgeordneten Emil Sänze und Christina Baum. Sie gehören zu den Unterzeichnern des Stuttgarter Aufrufs vom Herbst 2018. Darin wenden sich Kritiker gegen Versuche der AfD-Führung, allzu extreme Mitglieder aus Angst vor dem Verfassungsschutz auszuschließen: „Wir zeigen allen Vorständen die Rote Karte, die sich an Machenschaften beteiligen, den Mitgliedern ihr Recht auf das freie Wort zu nehmen“.
Christina Baum bezeichnete Meuthens Rede als „eines Bundesvorsitzenden nicht würdig“. Er diffamiere die eigene Mitglieder. „Ich bin in die AfD eingetreten, weil man dort auch unkonventionelle Meinungen äußern durfte. Das hat sich jedoch geändert, heute werden solche Mitglieder ausgegrenzt.“
Der Rückhalt der Rebellen reichte indes nicht für eine Führungsposition im Landesvorstand, weder für Sänze noch für Baum. Diese verlor das Wahlduell um einen Stellvertreterposten gegen den Karlsruher Bundestagsabgeordneten Marc Jongen. Dessen Vorstellung von „gemäßigt“beschrieb er so: „Wenn es um Deutschland geht, dann bin ich nicht gemäßigt, sondern kompromisslos. Das Volk ist eine historische Schicksalsgemeinschaft, an der integrationswillige Migranten teilhaben können.“Mit ähnliche Äußerungen wird Jongen im AfD-Gutachten des Verfassungsschutzes zitiert. Dieses kommt zu dem Schluss, Jongen lege „eine besondere Radikalität an den Tag“. Er konstruiere „Begründungsmuster für rechtsstaatswidrige Bestrebungen“. „Nicht an CDU anlehnen“Wie groß die Nähe einiger AfD-Mitglieder zu rechtsextremen Organisationen ist, zeigte sich in den Debatten deutlich. So wurde zum Beispiel kritisiert, dass die AfD-Spitze sich von der Identitären Bewegung distanziert. Diese wird vom Verfassungsschutz beobachtet. Die Abgrenzung nach ganz rechts empfinden viele in der Partei als Verlust von Profil. So sagte Emil Sänze, der Gögel im Rennen um einen der zwei Chefsessel der Partei unterlag: „Es kann doch nicht sein, dass wir uns an die CDU anlehnen.“Die Partei müsse geschlossen auftreten. „Wir dürfen uns nicht auseinanderdividieren. Es gibt keine guten, keine schlechte AfDler, es gibt nur AfDler“, rief der Rottweiler Politiker in seiner Bewerbungsrede für den Parteivorsitz.
Gögel attackierte in seiner Rede das rechte Lager äußerst scharf. An die AfD-Jugendorganisation JA und die nationalistische Bewegung Der Flügel gerichtet rief er, man habe deren Mitgliedern die Gelegenheit gegeben, ihre „Voliere“zu reinigen. Wenn das nicht gelinge, „dürft ihr euch nicht wundern, wenn der Vermieter den Kammerjäger holt“. Er wehre sich gegen jeden, der die Demokratie in Deutschland abschaffen wolle. Wer das wolle, müsse die Partei verlassen. Dafür gab es Applaus und die Mehrheit der Stimmen.
Das Meuthen-Lager verlor danach jedoch das Rennen um den zweiten Vorsitzenden. Hier setzte sich der Stuttgarter Bundestagsabgeordnete Dirk Spaniel gegen den Hechinger Parlamentarier Martin Hess durch. Dieser hat parteiintern viele Gegner. Er gehört wie Meuthen zu jener Kommission, die eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz vermeiden soll – und damit auch Mitglieder identifiziert, die rechtsextremistische Positionen vertreten.
Spaniel kündigte nach seiner Wahl an, die Lager versöhnen zu wollen. Dazu gehöre ein anderer Umgangston: „Der hat mir hier nicht gefallen, Vertreter beider Seiten haben unnötige Spitzen geritten.“Von der Landtagsfraktion erwarte er nun, dass diese zu einer Einigung komme. Dort stehen sich Lager in einem Patt gegenüber. Ändert sich das nicht, wird es schwer werden, zu neuer Einheit zu finden.