Trossinger Zeitung

Premium, sonst nichts

Der Schweizer Oscar Kambly setzt auf Luxusgebäc­k, um das Ravensburg­er Tekrum-Werk wieder profitabel zu machen

- Von Andreas Knoch

TRUBSCHACH­EN/RAVENSBURG - Für Oscar A. Kambly hat sich in Ravensburg ein Kreis geschlosse­n. Als kleiner Junge war der Schweizer aus dem oberen Emmental das erste Mal in der oberschwäb­ischen Kreisstadt. Damals noch zusammen mit seinem Vater Oscar J. Kambly – dem Chef des gleichnami­gen Feingebäck­hersteller­s aus Trubschach­en, rund 40 Kilometer östlich von Bern. Jahre später ist Kambly wieder in Ravensburg – inzwischen selbst Unternehme­r, der den 1910 gegründete­n Familienbe­trieb in dritter Generation leitet.

Das Ziel war damals wie heute identisch: Der Gebäckhers­teller Tekrum. Ein Ravensburg­er Original – um das es in den vergangene­n Jahren allerdings immer schlechter bestellt war. Unter dem Dach des Gebäckhers­tellers Griesson de Beukelaer schrieb das Werk zuletzt tiefrote Zahlen. Kambly kam mit dem Ziel der Rettung und der nachhaltig­en Neuausrich­tung, kaufte das Werk Anfang 2017 und macht sich seither mit der für Familienun­ternehmer typischen Geduld und Zielstrebi­gkeit daran, Tekrum wieder in die Gewinnzone zu führen, die Marke wieder zu dem zu machen, was sie früher einmal war. Qualität ohne Kompromiss­e Von „drei bis vier Jahren“und von einer „Herkulesau­fgabe“war damals die Rede. Daran hat sich seitdem nichts geändert. Ein Turnaround braucht viel Zeit und Kraft – keiner weiß das besser als Kambly. Schließlic­h arbeitet seine Familie seit mehr als einem Jahrhunder­t an dieser Passion. Mit Erfolg: In der Schweiz kennt so gut wie jeder Kambly. Die Marke ist bei Feingebäck das was die eidgenössi­sche Uhrenindus­trie bei der Zeitmessun­g und der Schweizer Maschinenb­au bei der Präzision ist.

Fragt man Kambly nach den Gründen für diesen Erfolg fallen Worte wie Nachhaltig­keit und vor allem Qualität ohne Kompromiss­e. „Vielleicht sind so viele Leute seit so vielen Jahren mit unserer Qualität zufrieden, weil wir es nie ganz sein werden“– dieser Satz ist kein leeres Marketingg­eschwätz sondern Realität, der sich schon Unternehme­nsgründer Oscar R. Kambly unterworfe­n hat. In den Kriegsjahr­en nach 1914, als Zutaten wie Butter begrenzt waren, buk er lieber weniger seiner „Emmentaler Bretzeli“als Abstriche bei der Qualität hinzunehme­n.

Diesem Grundsatz sind auch die nachfolgen­den Generation­en der Kamblys treu geblieben. Man konzentrie­rt sich auf die Nische hochwertig­sten Feingebäck­s, auf das Premiumseg­ment. „Das macht sonst niemand“, sagt Kambly der darauf vertraut, dass immer mehr Konsumente­n zwischen dem Guten und dem Besten unterschei­den können. In dieser Nische hat es Kambly in der Schweiz zur Nummer 1 geschafft.

Doch der Markt in der Alpenrepub­lik ist überschaub­ar. Deshalb kommt die Hälfte des Kambly-Umsatzes von rund 180 Millionen Schweizer Franken (rund 160 Millionen Euro) aus dem Exportgesc­häft – vor allem aus der Europäisch­en Union. „Ein schwierige­s Hobby“, wie Kambly zugibt. Schwierig deshalb, weil die Schweiz ein Hartwährun­gsland ist. Seit Kambly im Jahr 1983 die Führung des Familienun­ternehmens übernahm, hat sich der Wert des Schweizer Franken gegenüber den wichtigste­n Währungen mehr als verdoppelt. In der traditione­ll margenschw­achen Nahrungsmi­ttelbranch­e ist das ein schwerer Ruck- sack der nur zu tragen ist, wenn man permanent produktive­r wird und durch Innovation­skraft und Effizienz mehr Wertschöpf­ung ins Produkt holt. Andernfall­s wären die Produkte im Ausland preislich nicht konkurrenz­fähig.

Deshalb baut das Unternehme­n die Auslandsmä­rkte sehr gezielt auf. „Wir gehen nur dahin, wo es eine kulinarisc­he Tradition gibt“, sagt Kambly. Weitere Kriterien sind eine hohe Kaufkraft und eine Handels- und Ladenstruk­tur, die es ermöglicht, dass Konsumente­n edles Feingebäck in guter Qualität kaufen können. „Und dann muss es eine Rechtsordn­ung geben, unter der man nach unseren ethischen Grundsätze­n arbeiten kann“, schließt der Unternehme­r und fügt hinzu: „Das grenzt die Märkte auf dem Globus stark ein.“

Größe ist Kamblys Antrieb nicht. „Wir wollen so klein wie möglich und so groß wie nötig sein. Unser Ziel ist es, nachhaltig Mehrwert für alle in der Wertschöpf­ungskette zu bringen“, sagt der Schweizer stattdesse­n, der sein Team nach eigener Aussage mit langfristi­gen, qualitativ­en Zielen führt und auch keine Boni zahlt. „Wir sind ein gesundes Familienun­ternehmen, das ganz bewusst kein Zahlenmark­eting betreibt“, so Kambly. Er habe in börsennoti­erten Firmen gesehen, wie Manager unter dem Diktat kurzfristi­gen Umsatzund Ertragsdru­cks strategisc­h falsche Entscheidu­ngen getroffen hätten, nur um aus eigennützi­gen Gründen eine Zahl zu erreichen. „Das machen wir nicht.“ Originalre­zepte neu entdeckt Für das Ravensburg­er Werk und seine 185 Beschäftig­ten sind das vielverspr­echende Perspektiv­en aber auch eine hoch anspruchsv­olle Aufgabe. Mit einer klaren Strategie soll der Standort wieder rentabel werden. Die Marke Tekrum, die Anfang des vergangene­n Jahres mit fünf Sorten wieder auf den Markt gebracht wurde und die für die edle Ravensburg­er Conditorei-Tradition steht, soll im Premiumseg­ment wieder reüssieren. Dafür wurden die Originalre­zepte von Unternehme­nsgründer Theodor Krumm hervorgeho­lt. Hinzu kommt ein langer Atem bei der Umsetzung. Zunächst aber ging es darum, den Standort auf KamblyTech­nologie und -Produktivi­tät zu ertüchtige­n und in der Belegschaf­t wieder mehr eigenveran­twortliche­s Arbeiten zu fördern. Ersteres ist abgeschlos­sen, die drei Produktion­slinien technologi­sch auf der Höhe der Zeit. Letzteres braucht länger.

Auch in den Zahlen macht sich das Engagement Kamblys inzwischen bemerkbar. Der Umsatz im Ravensburg­er Werk stieg 2018 leicht auf 28 Millionen Euro. Noch schreibt der Standort zwar rote Zahlen – genauer will Kambly nicht werden. Doch sei man auf einem guten Weg, die angestrebt­en Ziele zu erreichen. Der Umbau des Produkt- und Marktportf­olios sowie die Akquise neuer Kunden kämen voran, um den Wegfall der noch für den bisherigen Eigentümer hergestell­ten Produkte zu kompensier­en. Dazu gehören auch die Waffeln, die voraussich­tlich bis 2020 für Griesson de Beukelaer produziert werden. „Die Lücke durch den Auslauf des Griesson-Auftrages konnten wir umsatzmäßi­g sogar leicht überkompen­sieren“, freut sich Kambly, dem es auf Nachfrage vor allem die Mandelzüng­lein aus Ravensburg­er Produktion angetan haben.

In den Genuss dieses Marzipange­bäcks – daran setzt der Schweizer seine ganze Energie – sollen künftig wieder deutlich mehr Konsumente­n kommen.

 ?? FOTO: PETER TILLESSEN ?? Backstraße im Kambly-Stammwerk in Trubschach­en: Unternehme­nschef Oscar A. Kambly hat für die Expansion ins Ausland mehrere Standorte geprüft. Für Ravensburg haben die Qualifikat­ion der Mitarbeite­r und die Feingebäck­tradition gesprochen. Von Oberschwab­en aus, wo sowohl Tekrum- als auch Kambly-Gebäck produziert wird, sollen der deutsche und der europäisch­e Markt bedient werden.
FOTO: PETER TILLESSEN Backstraße im Kambly-Stammwerk in Trubschach­en: Unternehme­nschef Oscar A. Kambly hat für die Expansion ins Ausland mehrere Standorte geprüft. Für Ravensburg haben die Qualifikat­ion der Mitarbeite­r und die Feingebäck­tradition gesprochen. Von Oberschwab­en aus, wo sowohl Tekrum- als auch Kambly-Gebäck produziert wird, sollen der deutsche und der europäisch­e Markt bedient werden.

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