Der Mann, der das Kino neu erfand
Hollywood-Regisseur Stanley Donen wurde mit Filmen wie „Singin’ in the Rain“bekannt – Jetzt ist er gestorben
er New Yorker Stanley Donen war der letzte überlebende Regisseur des klassischen Hollywood. Mit seinen Meisterwerken („Singin’ in the Rain“) machte er sich einen Namen als junges Genie, später feierte er mit Fremdgehkomödien („Indiskret“) aber auch mit stylischen Thrillern („Charade“, „Arabesque“) Erfolge. Stanley Donen ist am vergangenen Donnerstag im Alter von 94 Jahren in New York gestorben, wie einer seiner Söhne am Samstag der Zeitung „Chicago Tribune“mitteilte.
Stanley Donen war einer jener Fälle, bei denen man sich insgeheim ein bisschen wunderte: Ist der nicht schon längst tot? So sehr schienen er und seine größten Erfolge schon einer anderen, lange vergangenen Ära anzugehören. Meistens freute man sich dann beim Gedanken an seine bis zum Schluss hellwachen Auftritte, bei denen er irgendeine Ehrung entgegennahm, und an den wahrscheinlich sehr munteren Lebensabend in seiner Heimatstadt New York als weltberühmter Regisseur und Frauenheld. Denn Stanley Donen war nicht nur ein hochintelligenter, sondern auch ein sehr charmanter Mensch, dessen Liebesbeziehungen – etwa mit Elizabeth Taylor – jahrzehntelang die Boulevardschlagzeilen der Traumfabrik fütterten.
Kaum zu glauben, dass er mit Mitte 40 eigentlich schon wieder auf dem absteigenden Ast war – die Filmgeschichte ging einfach ein bisschen über ihn hinweg, weil sich die Zeiten um 1970 änderten und weil der 1924 geborene Donen einfach nichts weniger war, als ein junges Genie, der immer noch jung bereits ewig dabei war. Mit gerade mal 25 erfand Donen in seinen ersten eigenen Filmen, „On the Town“(1949) mit Gene Kelly und Frank Sinatra, „Royal Wedding“mit Fred Astaire und vor allem „Singin’ in the Rain“(1952) mit Gene Kelly und Debbie Reynolds, nicht nur das Musical-Genre neu – hier wurde das Kino zum dritten Mal geboren: Als Medium der reinen Bewegung, der Leichtfüßigkeit, als Ort, in dem Menschen wirbeln, die Kamera fliegt, und die Farben sprühen. Denn dem Technicolor-Farbfilm und den neuen optischen Möglichkeiten der Kameras haben Donens Erfolge genau so viel zu verdanken wie ihren Stars. Das Einmalige dieses Regisseurs war aber sein Stilgefühl und sein Einfallsreichtum für gute Bilder. Um zu würdigen, wie groß die Kunst Stanley Donens war, muss man nur einmal andere Musicals aus Hollywoods größter Zeit ansehen, die auch nicht schlecht waren, aber doch immer auf dem Boden der (Film-) Tatsachen blieben.
Dass Donen auf das Aussehen und die Schönheit seiner Filmbilder mehr Wert legte, als auf deren Sinn und Inhalt, dass er ein Stilist war, der durch Ästhetik wirken wollte, nicht pädagogisch wertvoll bilden, haben ihm schon zu McCarthy-Zeiten manche übel genommen: „Zwar formal perfekt, aber zu kühl, reine Stilübungen und überschätzt“– solche Worte bekamen damals auch Kubrick und Hitchcock von Zeitgenossen zu hören. Aber wie deren Werke haben auch Donens Filme die Irrtümer ihrer Gegenwart überdauert. Lange Zeit einen Schritt voraus Seine Glanzzeit waren die 1950erJahre, dementsprechend wurde er dann gefeiert von den Cineasten der „Cahiers du Cinéma“. Als die in den Sechzigern begannen, eigene Filme zu drehen, war Donen schon zwei Schritte weiter: Es entstanden subversive Fremdgehkomödien und lustige Thriller wie „Charade“(1963, mit seinen Lieblingsschauspielern Cary Grant und Audrey Hepburn) und „Arabesque“(1966) – die besten Hitchcock-Filme, die Hitchcock nie gedreht hat. In diesen großartigen Filmen sieht man immer wieder Blicke durch irgendetwas hindurch: Gitter, Scheiben, Zäune, unscharfe Bilder, Spiegelungen und optische Täuschungen.
Ab den 1970ern, als das klassische Studiosystem zusammengebrochen war, und in Hollywood eine junge Generation mit neuen Stars den Ton angab, hatte Donen zunehmend Probleme, Aufträge zu bekommen. Es muss aber alles in allem ein tolles Leben gewesen sein. Wir dürfen uns Stanley Donen, der bis ins hohe Alter aufmerksam und viel jünger wirkte, als er war, als einen glücklichen Menschen vorstellen.