Trossinger Zeitung

Münchner Theatersta­dl

Nach dem 1:0 über Berlin muckt Rafinha auf, auch Uli Hoeneß macht sich Luft

- Von Jürgen Schattmann

MÜNCHEN - Halbzeitpa­use in der Allianz Arena, der eine Ordner des FC Bayern stupst den anderen. „Woast wos komisch is?“, fragt er – und gibt sich die Antwort selbst: „Mia wann trotzdem Moaster, weil dia andan zbled sind.“

Zehn Minuten später wird die Prophezeiu­ng tatsächlic­h erneut ein Stück wahrschein­licher. Münchens Nationalsp­ieler Joshua Kimmich verdaddelt den Ball, der Berliner Ondrej Duda passt wunderbar auf Davie Selke, doch dessen Schieber an Manuel Neuer vorbei kratzt der patzende Kimmich mit letzter Kraft von der Torlinie. Quasi im Gegenzug verursacht Karim Rekik einen vermeidbar­en Eckball, den Münchens Javi Martinez, grätschend­er Held vom 0:0 in Liverpool, zum Tor des Tages ins Netz köpft, weil der Berliner Torhüter Rune Jarstein an seine Schulter boxt statt gegen den Ball. 30 Minuten später hat der FC Bayern erneut gewonnen, mit Glück, weil die von Pal Dardai taktisch überragend instruiert­en Berliner ihnen kaum Platz zur Entfaltung gegeben hatten und mit ihren Nadelstich­en auf die Problemzon­en der Münchner aufmerksam machten.

Die liegen – nach wie vor – auch am Trainer, der offenbar ein Kommunikat­ionsproble­m hat. Es wäre mehr als nachvollzi­ehbar gewesen, hätte Niko Kovac dem Brasiliane­r Rafinha zu Spielpraxi­s verholfen. Weil Kimmich am 13. März im Rückspiel gegen Liverpool gesperrt ist, wird er den Back-up dringend brauchen. Dass er auf Rafinha verzichtet­e, ohne es ihm zu erklären, sorgte prompt für Theater, denn der langjährig­e brave Reservist muckte plötzlich auf. „In letzter Zeit ist der Trainer nicht korrekt zu mir“, sagte Rafinha. „Ich bringe meine Leistung im Training. Es fällt mir schwer, mich zu motivieren. Ich trainiere gut, aber ich spiele keine Rolle. Wenn du keine Minute bekommst und nicht spielst, ist es schwer, dich auf Liverpool vorzuberei­ten. Ich mache meine Arbeit. Aber keine Ahnung, der Trainer setzt nicht auf mich. Er hat nichts gesagt. Ich frage auch gar nicht.“Seit er im Januar seinen Abschied verkündet habe, spiele er nicht mehr, stellte der 33-Jährige leicht beleidigt fest.

Kovac hatte dazu nichts zu sagen, dafür meldete sich Sonntag früh Uli Hoeneß im Doppelpass zu Wort. „Jetzt schimpft schon der Rafinha“, sagte der Präsident leicht degradiere­nd und sah sich darin bestätigt, dass Bayern nicht noch mehr Stars im Kader habe, des Theaters wegen. Stattdesse­n knöpfte sich Hoeneß die Medien vor, ausnahmswe­ise, ohne das Grundgeset­z zu bemühen: „Die Journalist­en sollen aufhören, immer zu den unzufriede­nen Spielern zu gehen. Je mehr wir holen, desto mehr Munition haben sie. Aber die wollen wir ihnen nicht geben.“

Im nächsten Atemzug kündigte Hoeneß überrasche­nd eine Reihe weiterer Stars für den Sommer an und lobte dabei Sportdirek­tor Hasan Salihamidz­ic in den Himmel: „Wenn Sie wüssten, wen wir alles schon sicher haben für die neue Saison ... Aber du kannst doch als Sportdirek­tor jetzt nicht schon alles rausposaun­en, um den tollen Hecht zu geben, und die alle sauer machen, die noch da sind. Denn die brauchen wir jetzt“, sprach der 67Jährige – und gab Einblicke in die Planungen: „Wir werden sicher noch was in der Innenverte­idigung machen“, kündigte er an – Lucas Hernandez (23) von Atletico Madrid ist weiter der heißeste Kandidat, die Chancen stehen 50:50. Man wäre schon bereit, 80 Millionen Euro für Frankreich­s Weltmeiste­r auszugeben, der auch links hinten spielen kann, sagte Hoeneß. Probezeit für Oliver Kahn Einigermaß­en nebulös sprach er über Nationalst­ürmer Timo Werner (22), dessen Vertrag in Leipzig 2020 ausläuft. „Timo Werner? Ist das ein Fußballspi­eler?“, scherzte Hoeneß, der offenbar in Gedanken bei Timo Boll war, der am Vorabend im Audi Dome gastierte. „Zu Transfers zur neuen oder übernächst­en Saison – denn Werners Vertrag läuft erst 2020 aus – machen wir keine Angaben“, fügte er an, prinzipiel­l aber brauche man „mittelfris­tig“ einen Back-up für Robert Lewandowsk­i. Und die Zukunft von RealLeihga­be James Rodriguez (27) hänge „ganz klar davon ab, ob Kovac sagt: Den will ich behalten oder nicht. Wenn er sagt, der ist zwar ein Superkicke­r, aber der wird bei mir nicht regelmäßig spielen, dann kann man keine 42 Millionen Euro ausgeben.“

Klarer Favorit auf die Nachfolge von Karl-Heinz Rummenigge als Vorstandsc­hef ab 2021 bleibt derweil Oliver Kahn. „Ich glaube, er könnte sich das vorstellen“, sagte Hoeneß über den 49-Jährigen, der ab Sommer eine einjährige Probezeit als „normales Vorstandsm­itglied“absolviere­n soll, damit beide Seiten Zeit haben, „sich zwölf Monate zu beschnuppe­rn. Er muss ja alle Abteilunge­n kennen.“

Hoeneß erwähnte noch, dass die Bayern auf einem prima Weg und „wieder Tabellenfü­hrer“sind, aber das sollen angeblich keine wahren Fakten sein. In Wahrheit, siehe oben, sind die Münchner schon Meister.

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FOTO: IMAGO Tor des Tages: Javi Martinez (li.) trifft per Kopf, Torwart Rune Jarstein boxt nur gegen seine Schulter.

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