Immer anständig bleiben
chon Sokrates soll geklagt haben: „Die Jugend liebt heute den Luxus. Sie hat schlechte Manieren, verachtet die Autorität, hat keinen Respekt mehr vor älteren Leuten und diskutiert, wo sie arbeiten sollte.“Dass die oft wie Berufsjugendliche wirkenden Profifußballer genau diese über 2400 Jahre alte Aussage bestätigen, wird jedes Wochenende auf den Plätzen deutlich. Auch wenn die luxuriösen GoldSteaks erst nach Abpfiff verzehrt werden dürfen, werden die Autoritäten (Schiedsrichter) rüde angegangen. Anstatt die Entscheidungen der weisen älteren Herren anzunehmen und sich selbst nach einer Missetat zu hinterfragen, wird ausschließlich widersprochen. Auch wird ständig (aus Fansicht meist mindestens ein Team pro Spiel) Arbeitsverweigerung betrieben und viel zu oft rumgelegen. Es wurde also höchste Zeit, dass der Sokrates unserer Zeit sich zu Wort meldet und die Missstände öffentlich anprangert.
So beklagt Bundestrainer Joachim Löw einen „Sittenverfall“auf den Wiesen des Landes. „Das Verhalten der Spieler auf dem Platz, da müssen wir den Hebel wieder ansetzen“, sagte der 59-Jährige beim Amateurfußball-Kongress in Kassel und erhob Anständiger Abschiedsgruß – Christian Heidel verlässt Schalke. verbal den Zeigefinger: „Fairness auf dem Platz und gegenüber den Schiedsrichtern sind das allerhöchste Gebot.“In der Bundesliga sehe er aber „ständige Rudelbildung, Schwalben, Simulanten“, sagte Löw: „Wegen jeder Lappalie wird da protestiert. Das sehen auch Kinder, das sehen die Amateure. Das müssen wir wieder in die richtige Richtung lenken, dass die Entscheidungen der Schiedsrichter wieder respektiert werden.“
Dass dieser Appell von allerhöchster Stelle Gehör findet, dafür sorgt auch Christian Heidel. Der Sportvorstand von Schalke 04 schmeißt nach nur zweieinhalb Jahren mitten in der sportlichen Krise hin. „Ich glaube, dass ich die Verantwortung tragen muss für die sportliche Situation und auch ein Zeichen setzen“, sagte Heidel. Deshalb habe er den stetig gereiften Entschluss gefasst, seinen bis zum Sommer 2020 gültigen Vertrag am Saisonende aufzulösen. Da kann man nur respektvoll applaudieren. Da übernimmt ein Entscheider Verantwortung und verlässt das sinkende Schiff. „Ich habe gesagt, wir müssen das im Sommer beenden, ich löse den Vertrag auf, will kein Geld, verzichte auf alles, was mir zusteht“, berichtete er. Faktisch ist der 55-Jährige ab sofort weg. „Ich stehe noch mit Rat und Tat zur Verfügung, aber nicht mehr in der vordersten Front.“Sobald ein Nachfolger gefunden sei, werde er auch körperlich nicht mehr anwesend sein. Bis dahin sitzt er eben auf Schalke herum, sorgt für das rituelle Chaos und wandelt als Mahnmal einer Welt voller Anstand, bis der Nachfolger (Bayer Leverkusens Jonas Boldt
Doch wenn schon so weit gegangen, warum nicht noch weiter erzieherisch wirken? Nicht nur auf dem Platz, auch außerhalb gibt es erheblichen Nachholbedarf. Dass Besuche von Frisören – vor allem vor Spielen gegen Tottenham – keine gute Idee sind, dürfte nach den jüngsten Eskapaden der Dortmunder allen bewusst sein. Eine Entwicklung, die wahrscheinlich auch Robert Huth gefallen wird. Und scheint der ExNationalspieler langfristig ebenfalls nach den obersten Posten im Fußball greifen zu wollen. Immerhin verkündete der Neu-Fußball-Rentner löwistisch: „Ich habe Fußball gespielt, um besser zu werden. Meine Generation hat mehr ins Sportlerleben investiert. [...] Jetzt ist es umgedreht: Viele spielen Fußball, um berühmt zu werden. Heute denken die 16-, 17Jährigen: Wie ist mein Profil? Wie werde ich angesehen von anderen?“Und da er gerade so schön in Fahrt war, packte er auch noch eine Aussage aus, die wahrscheinlich Heidel, Löw und auch Sokrates erfreuen dürfte: „Sie füllen Nischen aus, damit sie nebenbei noch Geld verdienen können, sie haben Werbeverträge, Schuhsponsoren, sie machen in der Kabine Fotos, als wären sie in Gangster-Bands. Doch wirf die mal in Los Angeles raus – dann posen sie gleich nicht mehr so.“Wirklich anständig.