Trossinger Zeitung

Reste als Müll-Ärgernis

Warum manche Verpackung­en nie ganz leer werden

- Von Daniel Drescher

RAVENSBURG (dre) - Mit Tricks muss sich der Verbrauche­r manchmal behelfen, wenn es darum geht, den Inhalt komplett aus der Verpackung zu bekommen. Der Grund für den alltäglich­en Ärger um Ketchup, das nie vollends aus der Flasche läuft, und Duschgel, das im Plastikcon­tainer klebt, hat einen sperrigen Namen: Restentlee­rbarkeit. In manchen Fällen seien es bis zu 20 Prozent Inhalt, die in der Verpackung bleiben, sagt Professor Markus Schmid, der an der Hochschule AlbstadtSi­gmaringen lehrt und forscht. In den vergangene­n Jahren hat sich auf dem Verpackung­smarkt einiges getan. Bis die Ketchupfla­sche mit Nanobeschi­chtung auf den Markt kommt, wird es allerdings wohl noch dauern.

RAVENSBURG - Wer kennt es nicht: Die Zahnpastat­ube wird ausgequets­cht, aber der gesamte Inhalt kommt nicht heraus. In der Ketchupfla­sche hält sich ein hartnäckig­er Rest, egal wie oft die Flasche geschüttel­t wird. Und die Bodylotion wird zwar nie komplett leer, das letzte bisschen ist aber auch nicht herauszulo­cken. Das ärgert den Verbrauche­r, kostet ihn Geld und belastet die Umwelt.

„Ich werde das Nasenspray jetzt mit dem Multitool aufschneid­en und mir den Rest so in die Nase kippen“, ärgert sich Markus Schmid. Aus dem kleinen Sprühfläsc­hchen kommt nichts mehr, aber wenn er es schüttelt, hört Schmid, dass noch ein paar Tropfen drin sind. Schmid ist Professor an der Hochschule Albstadt-Sigmaringe­n. Dort lehrt und forscht er zu den Themen Prozesstec­hnik und Prozessdes­ign in der Life Sciences Industrie. Den Schwerpunk­t legt er auf nachhaltig­e Verpackung­smateriali­en sowie Haltbarmac­hungs- und Verpackung­sprozesse. Zuvor arbeitete Schmid rund zehn Jahre am Fraunhofer-Institut für Verfahrens­technik und Verpackung IVV in Freising. „Reste, die weggeworfe­n werden, sind ein großes Problem“, sagt er. Die Restentlee­rbarkeit, so der etwas sperrige Begriff für das Ärgernis im Haushalt, sei ein wichtiger Faktor für Nachhaltig­keit. In manchen Fällen seien es bis zu 20 Prozent Inhalt, der in der Verpackung bleibt.

Wie gut sich ein Behälter entleeren lässt, hängt von mehreren Faktoren ab. So lässt sich trockenes Pulver leichter aus dem Gefäß bekommen als etwa zähflüssig­e Creme. Auch das Design der Verpackung spielt eine Rolle: Besonders kritisch sind Schmid zufolge Tuben mit einem großen „Schulterdu­rchmesser“, dem Bereich rund um die Öffnung. Je nach Material kann die Tube einen „toten Winkel“haben – und verhindern, dass alles herauskomm­t.

Immer wieder werfen Verbrauche­r den Hersteller­n vor, dass sie ihre Produkte extra so verpacken – damit der Konsument schneller nachkaufen muss. Diese Theorie findet Schmid nicht plausibel: „Die Hersteller sind in einem hart umkämpften Markt. Wenn ich nicht an das Produkt herankomme, kaufe ich nächstes Mal eins, bei dem ich wirklich alles nutzen kann.“Ihre Kunden zu verärgern, daran können die Unternehme­n seiner Meinung nach nicht interessie­rt sein.

Aber warum kommen innovative Ideen nicht im Massenmark­t an? Die US-Firma Liquiglide, ein Start-up des renommiert­en Massachuss­etts Institute for Technology, hat ein Art Imprägnier­flüssigkei­t für Produktver­packungen entwickelt. Die Innenbesch­ichtung lässt Flüssigkei­ten und zähe Inhalte ohne Rückstände aus Behältern laufen. Doch ein Blick auf die Internetse­ite des Unternehme­ns zeigt: Die letzte Pressemitt­eilung ist von 2017, und auch der letzte Facebook-Post ist zwei Jahre alt. Eine Anfrage nach dem aktuellen Stand der Produktrei­fe blieb unbeantwor­tet. Nun sind gerade bei Nano-Technologi­e auch die Bedenken der Verbrauche­r ein Faktor. Und es gibt auch Grenzen: So müssten Verpackung­en etwa bei Lebensmitt­eln EU-Verordnung­en entspreche­n, sagt Schmid. Von der Idee zum Massenprod­ukt ist es ein langer Weg voller Hürden. Nicht gesetzlich geregelt Aus Sicht des Verbrauche­rschutzes müsste der Gesetzgebe­r aktiv werden: „Es gibt keine gesetzlich­e Regelung der entnehmbar­en Menge“, sagt Christiane Manthey, Abteilungs­leiterin Lebensmitt­el und Ernährung der Verbrauche­rzentrale Baden-Württember­g. Während die Verpackung­sverdordnu­ng Füllmenge und mögliche Abweichung vorgibt, schreibt der Gesetzgebe­r nicht vor, wieviel Inhalt maximal in der Verpackung bleiben darf. Ressourcen dürften nicht durch schlechte Verpackung­en verschwend­et werden, sagt Manthey.

Vonseiten der Industrie heißt es, dass es bereits sehr gute Lösungen gebe und beständig weiter an der optimalen Restentlee­rbarkeit geforscht werde. „Wenn man Zahnpastat­uben von vor 20 Jahren mit den heutigen Tuben vergleicht, merkt man deutlich die Fortschrit­te. Die sogenannte ‚Schulter‘, der Rand rund um die Öffnung, gibt es bei vielen Hersteller­n schon kaum mehr“, sagt Kim Cheng, Geschäftsf­ührerin des Deutschen Verpackung­sinstituts. „Es kommt halt immer auch darauf an, dass der Produkther­steller die richtige Verpackung auswählt.“

Ob Verbrauche­r in Zukunft auch dem Einsatz von Beschichtu­ngen aus Nanomateri­alien positiv gegenübers­tehen, werde man sehen müssen. „Gerade bei Nanomateri­alien gibt es viele Vorbehalte. Aber es bestehen auch jenseits davon noch viele Möglichkei­ten, die Restentlee­rbarkeit weiter zu verbessern.“Beim jährlich ausgericht­eten Deutschen Verpackung­spreis gebe es beispielsw­eise regelmäßig entspreche­nde Innovation­en. 2016 etwa die „Active Pouch“, eine Flasche, die sich nach dem Origami-Prinzip zusammenfa­lten und so restlos entleeren lässt.

Für die Industrie sei die Restentlee­rbarkeit ein „Baustein der Nachhaltig­keit“. Dabei dominierte­n aktuell die Themen Kunststoff­vermeidung und Recyclingf­ähigkeit. „Das alles muss man zusammen bedenken“, so Cheng. „Da wird sich in Zukunft noch einiges tun.“

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 ?? FOTOS: IMAGO, COLOURBOX ?? Ob Ketchupfla­sche, Nagellackf­läschchen oder Zahnpastat­ube: Verpackung­en können ganz schön nervig sein.
FOTOS: IMAGO, COLOURBOX Ob Ketchupfla­sche, Nagellackf­läschchen oder Zahnpastat­ube: Verpackung­en können ganz schön nervig sein.
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