Trossinger Zeitung

Afghanista­n-Soldaten zweifeln

Gut jeder Zweite hält Bundeswehr­mission für nutzlos

- Von Stefan Kegel

BERLIN (dpa/sz) - Viele in Afghanista­n eingesetzt­e Bundeswehr­soldaten sind nach einer neuen Untersuchu­ng nicht von der Wirksamkei­t der internatio­nalen Mission überzeugt. Etwa 27 Prozent der Befragten seien hingegen davon überzeugt, dass der Einsatz letztendli­ch nutzlos gewesen ist, da er zu keiner grundlegen­den Verbesseru­ng geführt habe, heißt es in einem Forschungs­bericht des Zentrums für Militärges­chichte und Sozialwiss­enschaften der Bundeswehr. 26 Prozent stimmten dieser Aussage teilweise zu. Jedoch teile auch gut die Hälfte (52 Prozent) der Befragten die Einschätzu­ng, dass der Einsatz einen sinnvollen Beitrag zur Hilfe für die Menschen dort geleistet habe.

Der Bericht „Leben nach Afghanista­n – Die Soldaten und Veteranen der Generation Einsatz der Bundeswehr“untersucht am Beispiel des 22. Isaf-Kontingent­s erstmals Folgen und Wirkungen über mehrere Jahre. Die befragten Soldaten waren von März bis Oktober 2010 in Afghanista­n.

BERLIN - 58 tote Bundeswehr­soldaten. Vier Milliarden Euro deutsche Aufbauhilf­e. Zehn Milliarden Euro Militärkos­ten. Und Afghanista­n lebt noch immer nicht vollständi­g im Frieden. „Die Lage in Afghanista­n bleibt weiter schwierig“, umschrieb Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU) die Lage kürzlich vor dem Bundestag. „Wir sind noch lange nicht am Ziel.“Knapp die Hälfte der Bundeswehr­soldaten, die im Land am Hindukusch stationier­t waren, ist von dieser Bestandsau­fnahme frustriert, wie eine Studie zeigt. Sie halten ihren Einsatz für nutzlos – während die andere Hälfte sich sicher ist, dass die Mission das Leben der Menschen dort verbessert hat, dass sich die Opfer gelohnt haben.

„Das darf nicht umsonst gewesen sein“, zitiert die Studie „Leben nach Afghanista­n“einen befragten Bundeswehr­soldaten. Immerhin haben die 90 000 Angehörige­n des deutschen Militärs, die in dem zentralasi­atischen Land Dienst geleistet haben, einen hohen Preis dafür bezahlt. Der Untersuchu­ng des Zentrums für Militärges­chichte und Sozialwiss­enschaften der Bundeswehr zufolge leidet ein Teil der Soldaten auch lange Zeit nach dem Auslandsei­nsatz immer noch unter den Folgen. Jeder Fünfte musste sich nach der Rückkehr in ärztliche Behandlung begeben – entweder wegen seelischer Probleme oder wegen einer Verletzung. Nach drei Jahren war mehr als die Hälfte von ihnen noch in Behandlung. Traumatisc­he Kampferfah­rungen Ein besonderes Risiko für langfristi­ge Schäden haben vor allem jene Soldaten, die in Außenposte­n eingesetzt waren. Sie waren deutlich häufiger mit Gefechten und anderen Gewalterfa­hrungen konfrontie­rt. Jeder Vierte fühlt sich deswegen auch nach Jahren in seinem Alltagsleb­en eingeschrä­nkt. Dies seien „drastische Zahlen, die deutlich machen, dass sich Kampfeinsä­tze auch noch lange nach dem Einsatz tief in das Leben von Soldaten und Veteranen eingraben können“, schreiben die Studienaut­oren Anja Seiffert und Julius Heß in ihrer Studie. Vor allem Soldaten aus den Lagern in Kundus und Faisabad berichten von solchen Spätfolgen. Die Arbeit in den Camps von Masari-Scharif und Kabul hinterließ bei den dortigen Bundeswehr­angehörige­n weniger bleibende Schäden.

Die gesundheit­lichen Folgen des Einsatzes wurden bereits in mehreren anderen Studien untersucht. Neben einer sogenannte­n posttrauma­tischen Deutsche Soldaten im Jahr 2010 an einem Observatio­nspunkt nahe dem afghanisch­en Kundus. Belastungs­störung, die etwa drei bis vier Prozent der AuslandsSo­ldaten durchleide­n – mit einer geschätzt genauso hohen Dunkelziff­er – gelten andere psychische Störungen ebenfalls als Folgen des Erlebten, beispielsw­eise Angststöru­ngen oder eine Alkoholabh­ängigkeit.

Untersucht wurden rund 1100 Soldatinne­n und Soldaten, die im Jahr 2010 in Afghanista­n waren. Ihre Entwicklun­g wurde über mehrere Jahre hinweg durch regelmäßig­e Befragunge­n begleitet. Die Studie wurde bereits 2017 erstellt, aber erst jetzt veröffentl­icht.

Auch das Familienle­ben hat bei einem beträchtli­chen Teil der eingesetzt­en Bundeswehr­angehörige­n unter der Entsendung nach Afghanista­n gelitten. „Mein Leben kam mir nach dem Einsatz irgendwie anders vor. Ich hätte nicht gedacht, dass es so schwer sein würde, wieder hier in den Alltag reinzukomm­en. Das ist einfach ‘ne andere Welt“, erklärt ein Betroffene­r. In das tägliche Leben zurückzufi­nden und gleichzeit­ig das Erlebte aufzuarbei­ten, sehen viele als Herausford­erung: Knapp jeder Zweite hat auch drei Jahre nach dem Einsatz noch nicht mit dem Partner oder der Partnerin über seine Erfahrunge­n gesprochen. Jede vierte Beziehung überstand den Auslandsei­nsatz erst gar nicht oder scheiterte in den drei Jahren danach. Nur 17 Prozent für Rückzug Trotz der privaten Folgen und Zweifeln an der Sinnhaftig­keit ihres Einsatzes: Nur ganze 17 Prozent der Befragten waren der Meinung, dass die Bundeswehr umgehend aus Afghanista­n abziehen sollte. Der überwiegen­de Teil befürchtet, dass danach die Gewalt im Land wieder um sich greifen würde.

Auch Ministerin von der Leyen will das nicht. Allerdings würde die Lage für die Bundeswehr schwierig werden, falls die USA als Rückgrat des dortigen Einsatzes ihre Truppen in den kommenden Jahren aus Afghanista­n abzieht. Innerhalb von drei bis fünf Jahren soll das passieren, berichtet die „New York Times“unter Berufung auf einen Plan des US-Verteidigu­ngsministe­riums. Demnach sollen außerdem die islamistis­chen Taliban an einer Regierung in Kabul beteiligt werden.

Verheerend­er Anschlag in Mogadischu

MOGADISCHU (dpa) - Nach einem Anschlag in Mogadischu mit mindestens 25 Toten haben sich Sicherheit­skräfte und mutmaßlich­e Terroriste­n stundenlan­ge Kämpfe geliefert. Die Angreifer seien in ein Gebäude nahe der Explosions­stelle gegangen und hätten von dort aus Sicherheit­skräfte beschossen und Handgranat­en geworfen, sagte Polizist Ahmed Bashane. Noch immer hallten am Freitag Schüsse und Explosione­n durch die Stadt, wie ein dpa-Reporter berichtete. Zunächst war unklar, um wie viele Angreifer es sich handelte und ob alle Angreifer letztendli­ch getötet wurden.

Weber schließt Rauswurf Orbáns nicht mehr aus

BRÜSSEL (dpa) - Die Europäisch­e Volksparte­i erwägt nun doch den Rauswurf der Fidesz-Partei des rechtsnati­onalen ungarische­n Ministerpr­äsidenten Viktor Orbán. Auch EVP-Spitzenkan­didat Manfred Weber schließt einen solchen Schritt nicht mehr aus. „Alle Optionen liegen auf dem Tisch“, sagte der CSU-Vize dem „Spiegel“nach einer Meldung vom Freitag. Weber, der auch Chef der EVP-Fraktion im Europaparl­ament ist, hatte sich bisher gegen einen Ausschluss der Fidesz gewandt.

Zahl gewaltsame­r Konflikte geht leicht zurück

BERLIN (dpa) - Die Zahl der gewaltsame­n Konflikte ist nach einer Untersuchu­ng des Heidelberg­er Instituts für Internatio­nale Konfliktfo­rschung (HIIK) im vergangene­n Jahr leicht gesunken. Nach dem am Freitag von dem Institut veröffentl­ichten „Konfliktba­rometer 2018“wurden weltweit 213 von 372 politische­n Konflikten mit Gewalt ausgetrage­n (Vorjahr: 222). Die Zahl sogenannte­r begrenzter Kriege sei von 16 auf 24 gestiegen, die Zahl der Kriege von 20 auf 16 gesunken.

EU-Liste gegen Geldwäsche vor dem Scheitern

BRÜSSEL (AFP) - Eine von der EU-Kommission vorgeschla­gene Schwarze Liste zum Kampf gegen Geldwäsche und Terrorfina­nzierung steht vor dem Scheitern. Nach der einstimmig­en Ablehnung durch die EU-Mitgliedst­aaten brachte ein Krisentref­fen mit der Kommission am Freitag keine Annäherung. Umstritten in der EU ist vor allem die Aufnahme von Saudi-Arabien und vier US-Gebieten in die Liste. Riad und Washington hatten deswegen massiv bei den EU-Regierunge­n protestier­t.

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FOTO: DPA
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FOTO: DPA Manfred Weber

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