Die große alte Dame des Theaters Mnouchkine wird 80
PARIS (dpa) - Ariane Mnouchkine steht am Eingang ihres Théâtre du Soleil und trennt die Eintrittskarten ab. Doch das jüngste Werk ihrer Theatertruppe entstand nicht unter ihrer Regie, sondern unter der des Kanadiers Robert Lepage. Es ist das erste Mal seit Gründung der Truppe im Jahr 1964, dass die Schauspieler nicht mit ihr arbeiten. Denkt Frankreichs bekannteste Theaterregisseurin, die an diesem Sonntag 80 Jahre alt wird, ans Aufhören?
„Théâtre du Soleil Kanata – Episode I – La Controverse“erzählt die Geschichte des Heimatlandes von Lepage. „Kanata“bedeutet auf Irokesisch Dorf und gab dem heutigen Kanada seinen Namen. Mnouchkine hatte Lepage eingeladen, nachdem er das Stück in Kanada wegen Protesten abgesagt hatte. Kritisiert wurde, dass in dem Stück über die Unterdrückung der Ureinwohner keine indigenen Schauspieler besetzt wurden.
Mnouchkine gehört zu den Vertreterinnen eines politischen Theaters. Sie kämpft für eine bessere Welt und setzt sich in ihren Werken mit dem Zeitgeist auseinander. Ihren Durchbruch schaffte sie Anfang der 70er-Jahre mit „1789“und „1793“. Die Theatermacherin ist der Meinung: „Das Theater kann zwar nicht große Menschenmassen beeinflussen, aber es kann jeden Abend zumindest ein menschliches Herz öffnen. Das ist schon sehr viel.“
In einem weitgehend von Männern dominierten Metier regiert sie über ein Kollektiv, das sie mit 25 Jahren gegründet hat. Noch heute hat dort der Gemeinschaftsgedanke höchste Priorität: Gleichberechtigung bei der Arbeit und gleiche Bezahlung für alle.
Im August 2017 wurde sie mit dem deutschen Goethepreis ausgezeichnet. An der Verleihung nahm sie nicht teil, weil sie in Japan auf der Insel Sadogashima war. Vor 50 Jahren habe ein Japan-Aufenthalt ihre Berufung endgültig besiegelt, teilte die Theatergründerin während der Verleihung in Frankfurt in einer Videobotschaft mit. Von dieser Reise erhoffte sie sich Inspiration. Entweder verleihe sie ihr die Kräfte zu einem letzten neuen Werk oder bringe ihr den Mut zu einem gelassenen Verzicht, wie Mnouchkine darin sagte.