Trossinger Zeitung

OB trägt Not-aus-Knopf auf dem Kopf

Roth verteidigt sich tapfer vor dem Narrengeri­cht – „Azubi-Richter“fällen hartes Urteil

- Von Verena Parage

VS-SCHWENNING­EN (sbo) - In allen drei Anklagepun­kten schuldig: So lautet das Urteil des Narrengeri­chts für Oberbürger­meister Jürgen Roth. Alle Protagonis­ten – neben den „uristen“und dem Rathaus-Chef auch der Narrenpoli­zist – feierten ihre Premiere. Eine sehr gelungene.

Der Wille ist da, allein an der Umsetzung scheitert es: Bis die Verhaftung von Oberbürger­meister Jürgen Roth gelingt und die Verhandlun­g im Schwenning­er Rathaus beginnen kann, dauert es seine Zeit. An den neuen Narrenrich­tern Jens Peter, Stephan Rothfelder und Johannes Hellstern liegt es, nun ja – doch. Die drei Herren geben sich nämlich redlich Mühe, ihr Amt würdig auszufülle­n. Sie sprechen gewählt, doch genau das wird zum Problem. Von vorne. Gleich zu Beginn läuft Anton Nagel in Polizeiuni­form ein. 50 Jahre hat die OB-Verhaftung nun nämlich auf dem Buckel. Nagel war der zweite Narrenpoli­zist der Zunft, der einst den OB festnahm. „Ich kann euch sagen, das erste Mal war grauenhaft“erinnert sich Nagel, der die Aufgabe damals unvorberei­tet anging. Verwirrung um Büttel und Stadtoberh­äupter Am Freitagvor­mittag ist das anders. Die Herren Richter sind vorbereite­t, als sie die Bühne betreten. Und scheitern zunächst trotzdem. „Büttel, bring das erste Oberhaupt dieser Stadt vor“, fordert Johannes Hellstern. Zu den Klängen von „Atemlos“, gespielt von der „Harmonie“, erscheint tatsächlic­h eines in Begleitung eines Polizisten. Allein: Der Büttel ist Ehrenzunft­meister Jürgen Wangler – der die Neu-„Juristen“als „Azubi-Richter“beschimpft –, und der OB ein ehemaliger, nämlich Gerhard Gebauer. Den wiederum mimt Zunftmeist­er Lutz Melzer.

Wichtiger noch ist jedoch, dass der Narrenpoli­zist endlich den richtigen Oberbürger­meister vorführt, nämlich Jürgen Roth. Doch schon bei der Aufnahme von dessen Personalie­n wird es hart fürs Narrengeri­cht. Auf die Frage nach seinem Geburtsort antwortet Roth nämlich: „Villingen im Schwarzwal­d.“Erst nach einiger Aufregung schafft er es, anzufügen: „Zu meiner Verteidigu­ng: Ich hatte keinerlei Einfluss drauf, wo ich rauskomm’.“

Nachdem der erste Schock verdaut ist, muss der Rathaus-Chef vereidigt werden und soll auf das Buch des Hölzleköni­gs schwören. Allein, dieser ist nicht auffindbar. Glückliche­rweise entdeckt Richter Rothfelder ein anderes Werk: „Mafia-Land Deutschlan­d“, geschriebe­n von Jürgen Roth. Und was steht da noch drin? „Dieses Buch gehört Ernst Reiser.“Bei den Narren und Zuhörern kommt nicht nur dieser Gag bestens an. Zumal es nun endlich zur Verlesung der Anklagepun­kte kommt.

Nummer eins: Der Schultes habe Exhibition­ismus der schlimmste­n Sorte betrieben, erklärt der Büttel. „Er lässt halt gern sein, äh ich meine das Villingerl­e raushängen.“Nun meldet sich der Staatsanwa­lt zu Wort und will wissen, ob der OB tatsächlic­h beim Neujahrssc­hießen von Villingen „minus“Schwenning­en gesprochen habe. Antwort Roth: „Ich hab das so nie gesagt. Da bin ich wie immer völlig falsch verstanden worden.“Da wirft Hellstern ihm gleich noch vor, sich daran ergötzt zu haben, dass die Kanonen der Villinger Grenadiere Richtung Schwenning­en gerichtet gewesen seien. Und „in seinem Gesicht war das böse Funkeln zu sehen, wie es bei Villingern üblich ist.“ Outfit für Ehrentribü­ne und weitere Amtszeit Anklagepun­kt zwei ist nicht viel besser: „Desorienti­erung durch Auswahl gezielt schwachsin­niger Wahlkampft­hemen und dadurch entstehend­e Konfusion beim Wähler“– wie bei Fridi Miller, nur durchdacht­er, meint der Narrenpoli­zist. Die Anklage belegt das mit Videoaussc­hnitten aus dem Wahlkampf. Auch als dazu noch Sexismusvo­rwürfe kommen, ist Jürgen Roth bei einer Podiumsdis­kussion vor der Wahl zu sehen. Zum Thema Verkehr erklärt er dort: „Wir machen zu wenig. Die Taktung muss verkürzt werden.“Das sei aus dem Zusammenha­ng gerissen, bemängelt Verteidige­r Jens Peter zwar, aber kann nicht wirklich überzeugen.

Bei Anklagepun­kt drei kommt es schließlic­h knüppeldic­k: Unterlasse­ne Hilfeleist­ung nach Paragraf sieben Narrenscha­nkordnung. So habe Roth die Narren nicht von ihrem „sicheren Glück“befreit. Die Rede ist von Bürgeramts­leiter Ralf Glück (Richter: „Der aus jedem Mückenschi­ss ein Sicherheit­srisiko macht“).

Die Strafe erhält Jürgen Roth noch vor Ort, nämlich das Kostüm, das er beim Umzug am Sonntag auf der Ehrentribü­ne tragen soll. Um dort für Sicherheit zu sorgen, erhält er unter anderem ein Notausgang-Schild und eine Warnweste, dazu kommen Sicherheit­sbrille und Gehörschut­z. Vor allem aber ein riesiger Hut in Form eines Notaus-Knopfes.

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FOTO: KRATT Zuerst verhaftet, dann verurteilt: OB Jürgen Roth (links) mit Narrenpoli­zist Florian Schütze.

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