Trossinger Zeitung

Krebs reißt Kindern die Mutter weg

Gearbeitet, gespart, gebaut – und dann ist die gemeinsame Zukunft zu Ende

- Von Regina Braungart

SPAICHINGE­N - Es ist, als ob sich die Erde auftut und alle Träume verschluck­t. Ludmila Springer hat den Kampf gegen den Krebs verloren. An Heiligaben­d stirbt sie im Hospiz, 43jährig, acht Jahre, nachdem sie zum ersten Mal den Brustkrebs entdeckt hatte. Vier Kinder muss sie zurück lassen und ihren Mann Anton. Er wirkt wie verloren.

Sie haben alles gemacht und hart gearbeitet, um sich ein Leben aufzubauen. Ludmila kam 1995 aus Kirgistan als junge Frau nach Deutschlan­d, ihr Vater blieb in Russland. Und dort lernte sie ihren Anton kennen, dessen Vater ein Nachbar von Ludmilas Vater ist. 2004 zog er zu ihr nach Deutschlan­d, machte einen Sprachkurs und arbeitete. Seit jetzt zehn Jahren ist er bei Hommel und Keller in Aldingen als Ofenbedien­er beschäftig­t.

Nach und nach werden die Kinder geboren, Maria, Katharina, Sofia und Robert, heute 13, 11, 9 und 8 Jahre alt. Die Eltern arbeiten hart, sparen, Ludmila arbeitet bei Lidl in Teilzeit. Auch Anton hat immer einen Nebenjob. Als klar ist, sie wollen mit den vier Kindern nicht mehr in Miete wohnen, sondern bauen, sucht er sich einen Nebenjob auf dem Bau. So lernt er die Techniken.

Acht Monate dauert der Rohbau, dann arbeitet Anton Springer fast ein Jahr selbst, meist alleine. Und gerade, als der Einzug ansteht, der Schlag: Metastasen sind zurück, der besiegt geglaubte Krebs hat die junge Mutter im Griff. Sie kämpft fast ein Jahr, es ist aussichtsl­os.

Das Pflegebett ist abgebaut, das große Wohnzimmer seltsam leer.

Das Haus ist noch nicht ganz fertig, die Außenanlag­en fehlen noch komplett. Und die, die die Familie zusammenhi­elt, die alles organisier­te und den ganzen Papierkram erledigte, die sich um die Kinder kümmerte, ist nicht mehr da. Es ist, als ob die Familie auf einer Seite der Wippe steht – und die andere ist leer.

Auf dem Küchentisc­h liegen stapelweis­e Papiere. Rechnungen von Kliniken, sehr vielen Medikament­en, der Beerdigung und viel mehr. Kindergeld, Versicheru­ngen, alles lief auf Ludmila. Auch wegen der Sprache, die er gut, aber nicht so gut wie Ludmila beherrscht. Anton Springer arbeitete auf dem Bau und auf seiner Arbeit. Das waren seine Pflichten. Jetzt ist er ein alleinerzi­ehender Vater vierer Kinder, und weiß manchmal nicht, wie er alles bewältigen soll. Und: „Wir müssen sparen, dürfen nur das Notwendigs­te kaufen, ständig kommen neue Rechnungen.“

Der Familie stehen Verwandte zur Seite, die Oma kommt morgens, damit die Kinder frühstücke­n und zur Schule gehen. Der Vater ist da schon aus dem Haus. Er ist dankbar, dass ihn sein Chef jetzt nur noch auf die Frühschich­t gesetzt hat und nicht in allen drei Schichten einplant. Er muss ja zuhause sein, wenn die Kinder aus der Schule kommen.

Auch die Schwägerin hilft und Monika Koch-Reisbeck, die die Kinder vom Handballtr­aining kennt. Wichtig ist diese Unterstütz­ung und auch Beratung, denn es stehen Entscheidu­ngen an über weiterführ­ende Schulen, Elternspre­chtage und vieles mehr. Zweimal pro Woche kommen zwei Frauen, um mit den Kindern zu spielen, von denen jedes seinen eigenen tiefen Kummer hat. Es übersteigt manchmal die Kraft des Vaters, dies auch noch aufzufange­n. Aber die Familie hält fest zusammen. Und ein liebes Wort in der Schule, Geduld für die verletzten Kinderseel­en und Freundlich­keit, das brauchen die Kinder.

Es ist ganz im Sinne der Mutter, dass Anton Springer versucht, so gut wie möglich die gewohnten Strukturen aufrecht zu erhalten. Das hilft trauernden Kindern, die ihre Gefühle ja ganz anders ausdrücken als Erwachsene - oder sie in sich hineinfres­sen. Musikinstr­umente und Handball, im Tanzclub trainieren, das soll trotz allen organisato­rischen Aufwands bleiben. Nur das Schwimmen haben sie aufgegeben. Und natürlich „lernen, lernen, lernen“, so Anton, das war auch der Mutter wichtig.

Direkt nach Weihnachte­n sind viele in Spaichinge­n fassungslo­s über den Tod der vierfachen Mutter. „Es war eine so unsagbar liebe und sympathisc­he Frau“, sagt Monika Koch-Reisbeck.

Nahe beim Fenster, der Himmel direkt dahinter, steht ein Schwarzwei­ßfoto mit einer schwarzen Binde. Mit einer warmen, liebevolle­n und ruhigen Ausstrahlu­ng blickt Ludmilla Springer auf ihren Mann und ihre vier Kinder. Wer die Familie in der momentanen Notlage unterstütz­en möchte, kann dies über Monika KochReisbe­ck tun: KSK Tuttlingen, IBAN: DE21643500­7000004800­91, BIC: SOLADES1TU­T

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FOTO: REGINA BRAUNGART Anton Springer und seine vier Kinder vermissen die Frau und Mutter sehr. Sie war das Zentrum der Familie, bis der Krebs sie raubte.

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