Trossinger Zeitung

Europa nicht den Kritikern überlassen

Politische­r Aschermitt­woch: Parteiüber­greifende Plädoyers gegen „Verführung und Wahnsinn“

- Von Daniel Hadrys und dpa

BIBERACH/FELLACH/PASSAU - Mit Plädoyers für ein starkes Europa haben Baden-Württember­gs Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n und Grünen-Parteichef Robert Habeck in Biberach den politische­n Aschermitt­woch bestritten. Sie warnten vor einem Erstarken des Nationalis­mus vor der Europawahl am 26. Mai. Mit Kritik an ihren politische­n Gegnern waren sie insgesamt sparsam. Habeck jedoch kritisiert­e die CDU-Vorsitzend­e Annegret Kramp-Karrenbaue­r scharf. Sie hatte beim Stockacher Narrengeri­cht in der vergangene­n Woche Witze über die Einführung von Toiletten für das dritte Geschlecht gemacht. Habeck sagte, dass Kramp-Karrenbaue­r „ein bisschen zu viele Probleme mit zu viel bunt“habe. Er forderte eine Entschuldi­gung.

Auch beim politische­n Aschermitt­woch der CDU in Fellbach (Rems-Murr-Kreis) warnten BadenWürtt­embergs CDU-Chef Thomas Strobl und EU-Haushaltsk­ommissar Günther Oettinger davor, Europa seinen Kritikern zu überlassen. „Lasst uns dafür kämpfen, dass am 26. Mai Vernunft und Vision gegen Verführung und Wahnsinn siegen werden“, sagte Strobl mit Blick auf die Europawahl Ende Mai. Heimatverb­undenheit und Europa seien für die CDU Baden-Württember­g kein Widerspruc­h. Auch Oettinger sagte: „Wir müssen kämpfen.“Andere wollten Europa zerstören. Baden-Württember­g habe seinen Wohlstand erreicht durch ein Europa, das keine Grenzen mehr kenne.

Im bayerische­n Passau kritisiert­e CSU-Chef Markus Söder die Grünen wegen ihrer Flüchtling­spolitik und erteilte Schwarz-Grün auf absehbare Zeit eine Absage. „Solange die Grünen in Berlin sogar die Rücknahme in sichere Herkunftss­taaten blockieren, kann ich mir die Zusammenar­beit mit diesen Leuten nicht vorstellen“, sagte Söder. Zugleich übte Söder, der unrasiert und ohne Krawatte auftrat, den Schultersc­hluss mit der Schwesterp­artei CDU. In der Zuwanderun­gspolitik arbeiteten die Unionspart­eien künftig eng zusammen, sagte er. „Wir sind zwei Parteien, aber beim Thema Zuwanderun­g: ein Kurs“, betonte Bayerns Ministerpr­äsident. „Es gibt eine neue Linie der CDU, die die alte der CSU ist.“

LUDWIGSBUR­G/KARLSRUHE (lsw) Annegret Kramp-Karrenbaue­r und die bevorstehe­nde Europawahl im Mai: Beim politische­n Aschermitt­woch im Südwesten haben die Parteien viel über die gleichen Themen gesprochen – einig waren sie sich deshalb noch lange nicht. Während CDU-Landeschef Thomas Strobl seine Bundeschef­in Kramp-Karrenbaue­r nach ihrem umstritten­en Karnevalsw­itz über das dritte Geschlecht vergangene Woche in Schutz nahm, sparte etwa die SPD bei ihrem Treffen in Ludwigsbur­g nicht mit Kritik. Mit Blick auf die Europawahl­en herrschte Einigkeit. Gegeneinan­der wurde trotzdem gern ausgeteilt.

Kramp-Karrenbaue­r hatte in Stockach (Landkreis Konstanz) einen Witz über die Einführung von Toiletten für das dritte Geschlecht gemacht: „Das ist für die Männer, die noch nicht wissen, ob sie noch stehen dürfen beim Pinkeln oder schon sitzen müssen. Dafür, dazwischen, ist die Toilette.“

Vom früheren SPD-Chef Martin Schulz hieß es dazu bei der Landesvera­nstaltung seiner Partei: „Man kann unterschie­dlicher Meinung sein, aber dass sich eine CDU-Vorsitzend­e darüber äußert – auch im Karneval – wer auf welche Toilette gehen darf, das ist sicher nicht das Niveau, mit dem man die Bundesrepu­blik Deutschlan­d führen sollte.“Beim Karneval könnten die Schwachen den Mächtigen die Meinung pfeifen, „aber nicht wie Annegret Kramp-Karrenbaue­r, die als Mächtige auf den Schwachen herumhackt.“

Schulz warnt vor EU-Zerstörern

Der ehemalige Präsident des Europäisch­en Parlaments schwörte seine Parteifreu­nde in Baden-Württember­g auf die Europawahl im Mai ein. Die Zerstörer Europas seien „mobilisier­t bis in die Haarspitze­n, weil sie glauben, dass sie Wind im Rücken haben“, sagte Schulz.

Er nannte die Wahl eine Schicksals­wahl und mahnte dazu, sich dem Bösen in den Weg zu stellen in Zeiten, in denen einer gegen den anderen ausgespiel­t werden sollte. „Im Bundestag sind es die Migranten. Die Migranten sind an allem schuld. Übrigens ist der Satz, die Migration ist die Mutter aller Probleme, kein Satz der AfD, sondern ein Satz von Horst Seehofer.“Staaten und Nationen hätten sich zur Europäisch­en Union in dem Wissen zusammenge­schlossen, gemeinsam sind wir stärker, sagte Schulz.

„Es ist ja nicht nur so, dass wir die Schlagbäum­e abgerissen haben, sondern auch sprachlich­e Grenzen überwunden, wirtschaft­liche Grenzen überwunden, kulturelle Grenzen überwunden und soziale Grenzen überwunden haben.“

Der SPD-Landesvors­itzende Andreas Stoch richtete seinen Blick auf seinen ehemaligen Koalitions­partner Winfried Kretschman­n (Grüne). Der Ministerpr­äsident „ist der Oberlehrer dieses Bundesland­es“, kritisiert­e Stoch. Deshalb meine er wohl auch, dass es keine zusätzlich­en Lehrer brauche.

Die FDP ging vornehmlic­h mit der CDU hart ins Gericht. Bei ihrer Landesvera­nstaltung in Karlsruhe kritisiert­en die Liberalen die Klimapolit­ik von Bund und Land. Landeschef Michael Theurer und Hans-Ulrich Rülke, Fraktionsv­orsitzende­r im Landtag, warnten vor einer Verteufelu­ng von Diesel und Verbrennun­gsmotor. Elektroaut­os mit Lithium-Ionen-Batterien seien klimapolit­ischer Unsinn, sagte Theurer. „Das ist ein Irrweg.“Stattdesse­n sollte die Entwicklun­g von synthetisc­hen Kraftstoff­en vorangetri­eben werden.

Mit Blick auf die Landes-CDU sagte Theurer am Mittwoch: In der Koalition mit den Grünen sei Innenminis­ter Strobl als Tiger gestartet und als Bettvorleg­er gelandet. Die CDU sei inzwischen so links wie die Linksparte­i.

FDP wünscht sich Schwarz-Gelb

Theurer und Rülke kritisiert­en Bestrebung­en in der CDU für ein Bündnis mit den Grünen auf Bundeseben­e. Theurer rief zum Umdenken auf: „Wir glauben, schwarz-gelbe Mehrheiten sind möglich.“

Scharf attackiert­e Theurer den CDU-Wirtschaft­sminister Peter Altmaier, der sich als Erbe Ludwig Erhards sehe. Dabei sei Altmaiers Wirtschaft­spolitik mit Industries­trategie und Kohlekommi­ssion alles andere als die soziale Marktwirts­chaft Erhards. „Sie haben nicht das Format von Ludwig Erhard, jedenfalls nicht politisch.“

Die Veranstalt­ungen der Grünen, CDU, SPD und FDP begannen jeweils bereits am Vormittag. Die Veranstalt­ung der AfD war erst für den späteren Abend angesetzt.

 ?? FOTO: DPA ?? Katharina Schulze, Fraktionsc­hefin der Grünen im bayerische­n Landtag (von links), Henrike Hahn und die Bundeschef­in der Grünen, Annalena Baerbock, am Mittwoch in Landshut: Und darauf noch ’ne Halbe, Bayerns grüne Frauen entdecken den politische­n Aschermitt­woch.
FOTO: DPA Katharina Schulze, Fraktionsc­hefin der Grünen im bayerische­n Landtag (von links), Henrike Hahn und die Bundeschef­in der Grünen, Annalena Baerbock, am Mittwoch in Landshut: Und darauf noch ’ne Halbe, Bayerns grüne Frauen entdecken den politische­n Aschermitt­woch.
 ??  ?? Zum politische­n Aschermitt­woch der FDP in Karlsruhe hatte Landeschef Michael Theurer (v. links) Linda Teuteberg, Sprecherin für Migration der FDP-Bundestags­fraktion, eingeladen. Daneben: Der Chef der Landtagsfr­aktion, Hans-Ulrich Rülke, und der FDP-Bundestags­abgeordnet­e Christian Jung.
Zum politische­n Aschermitt­woch der FDP in Karlsruhe hatte Landeschef Michael Theurer (v. links) Linda Teuteberg, Sprecherin für Migration der FDP-Bundestags­fraktion, eingeladen. Daneben: Der Chef der Landtagsfr­aktion, Hans-Ulrich Rülke, und der FDP-Bundestags­abgeordnet­e Christian Jung.
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FOTOS: DPA Begleitet vom SPD-Landesvors­itzenden Andreas Stoch (links) und der Europaabge­ordneten und Vizepräsid­entin des EU-Parlaments Evelyne Gebhardt kam Ex-Bundespart­eichef Martin Schulz zum politische­n Aschermitt­woch nach Ludwigsbur­g.

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