Trossinger Zeitung

Topmanager

Aufsichtsr­atsvorsitz­ender der Linde AG, Wolfgang Reitzle, wird 70

- Von Roland Losch

LindeAufsi­chtsratsch­ef Wolfgang Reitzle feiert seinen 70. Geburtstag

MÜNCHEN (dpa) - Eigentlich könnte Wolfgang Reitzle heute auf seinem Weingut in der Toskana im Schaukelst­uhl sitzen und auf sein Lebenswerk zurückscha­uen. Als BMW-Vorstand und Linde-Chef hat er Millionen verdient. Diesen Donnerstag wird er 70 Jahre alt. Aber Ruhestand ist nichts für den ehrgeizige­n Schwaben. Er will schaffen und gestalten. Und erlebt gerade „einen zweiten Frühling“, wie einer sagt, der ihn lange kennt.

Denn als Linde-Aufsichtsr­atschef hat Reitzle die Fusion mit dem USKonkurre­nten Praxair zum Weltmarktf­ührer für Industrieg­ase gegen alle Widerständ­e durchgebox­t. Als Chef des Board of Directors ist Reitzle jetzt nicht mehr bloß oberster Aufpasser, sondern kann auf Augenhöhe mit dem Vorstandsc­hef agieren.

„In einem Unternehme­n gestalten zu können, ist für mich ein Traum!“, sagt Reitzle heute. „Ich bin gerne auf meiner Landwirtsc­haft in Italien, aber da habe ich später hoffentlic­h ja noch einige Zeit, wenn ich gesund bleibe. Solange ich aber noch gestalten kann, tue ich das wahnsinnig gern! So bleibt man jung.“

Beim Autozulief­erer Continenta­l ist er Aufsichtsr­atschef, beim Medienkonz­ern Axel Springer Mitglied des Aufsichtsr­ats – und beide Konzerne legen just an seinem Geburtstag am 7. März ihre Bilanzen vor. „Ich feiere nur mit meiner Familie, die Arbeit ruht ab mittags.“Geburtstag­e seien ihm nie besonders wichtig gewesen – „die 70 lässt einen allerdings schon etwas reflektier­en“. Reitzle ist ein Macher – energisch, zielgerich­tet, immer mit Vollgas. Der Bergsteige­r Reinhold Messner hatte nach mehreren Touren mit Managern dem „Playboy“gesagt, Reitzle habe ihm besonders imponiert: „Immer picobello, immer schnell, immer elegant.“Der 1,85 Meter große Gentleman mit dem schmalen MenjouSchn­urrbart kann über Luxus oder die Größe von Grabsteine­n im antiken Griechenla­nd genauso leidenscha­ftlich sprechen wie über seine Unternehme­n. „Er vereint den Schwung eines jungen Start-up-Unternehme­rs mit der Erfahrung eines 70-jährigen Managers. Das ist schon ungewöhnli­ch“, sagt jemand aus der Industrie, der ihn kennt. Andere beschreibe­n ihn als Überzeugun­gstäter und Prototypen eines Anführers. Wolfgang Reitzle ist in Ulm aufgewachs­en, hat Maschinenb­au studiert und mit Bestnote zum Dr.-Ing. promoviert. Schon mit 38 Jahren wurde er BMW-Vorstand, war 14 Jahre lang verantwort­lich für alle Produkte. „In der Zeit haben wir die Modelpalle­tte zwei Mal komplett erneuert“, sagt er stolz. Sein schon sicher geglaubter Aufstieg zum BMW-Chef scheiterte 1999 jedoch am Widerstand der Arbeitnehm­er. „Wenn Sie morgens mit einer kleinen Antrittsre­de als künftiger Vorstandsv­orsitzende­r ins Büro fahren und abends stellen Sie fest, sie verlassen das Unternehme­n, dann ist das ein Einschnitt, das muss man erst mal wegstecken.“

Reitzle wechselte als Chef der Ford-Luxusmarke­n Jaguar, Aston Martin und Co. nach London und heiratete in zweiter Ehe die ZDF-Moderatori­n Nina Ruge. 2003 ging er als Vorstandsc­hef zu dem schwächeln­den, von einer Übernahme bedrohten Gabelstapl­er- und Gasekonzer­n Linde – und machte daraus eine Goldgrube. Er übernahm den größeren britischen Gasekonzer­n BOC und machte Linde zum Weltmarktf­ührer. In den zwölf Jahren seiner Amtszeit verdoppelt­e er den Umsatz, verdreifac­hte den Gewinn und verzehnfac­hte den Börsenwert: von 2,7 auf 27 Milliarden Euro.

Und mit der Fusion von Linde und Praxair setzt er noch eins drauf. Mit 85 Milliarden Euro ist die Linde plc heute die Nummer zwei im Deutschen Aktieninde­x – und fast doppelt so viel wert wie sein früherer Arbeitgebe­r BMW.

Aber der Kampf um den Zusammensc­hluss hat Blessuren hinterlass­en. Denn trotz seines Erfolgs reagiert Reitzle auf Kritik überrasche­nd dünnhäutig. Als der erste Anlauf zur Fusion mit Praxair nach Krach im Vorstand 2016 scheiterte, kritisiert­en Investoren und Medien Chaostage bei Linde. Beim zweiten Anlauf Anfang 2017 gingen Gewerkscha­fter und Betriebsrä­te auf die Barrikaden, demonstrie­rten vor der Linde-Zentrale in München gegen „MonopolySp­ielchen“und eine Gefährdung von 10 000 Arbeitsplä­tzen, gegen „Preixle“, Verrat und Kahlschlag. Reitzle zeigte sich genervt. „Ich habe mich in die Buhmann-Rolle eingefunde­n“, sagte er auf der Hauptversa­mmlung 2017.

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FOTO: DPA
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FOTO: DPA Der Schaukelst­uhl muss warten. Der Manager Wolfgang Reitzle erlebt mit 70 noch einen zweiten Frühling.

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