Die CDU träumt schon von Schwarz-Grün
EU-Kommissar Oettinger will Ministerpräsident Kretschmann in Ruhestand schicken
FELLBACH (lsw) - Als EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger zum politischen Aschermittwoch die Alte Kelter betritt, kommt Wehmut auf. 2009 war er schon einmal hier in Fellbach im Rems-Murr-Kreis, damals noch als baden-württembergischer Ministerpräsident. „Unten die gleiche Musik, die gleichen Köpfe – alle zehn Jahre älter“, sinniert der 65Jährige. Was er nicht sagt: Damals war die CDU die Partei des Regierungschefs – und wohl kaum jemand hätte ernsthaft daran gezweifelt, dass dies auch so bleiben würde. Doch 2011 kamen überraschend die Grünen an die Macht. Heute ist die CDU Juniorpartner in der Regierung von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und hofft, 2021 wieder selbst den Chefsessel zu erklimmen.
Streit um Fahrverbote
Beim politischen Aschermittwoch schimmert dieser Wunsch immer wieder durch. Zwar widmen VizeRegierungschef Thomas Strobl und Oettinger weite Teile ihrer Reden der bevorstehenden Europawahl Ende Mai und der fragilen Koalition mit der SPD im Bund. Doch Sticheleien auch gegen die Grünen bleiben nicht aus. Strobl etwa geht noch einmal auf den Koalitionsstreit um die Dieselfahrverbote in Stuttgart ein. „Kräftig gedonnert“habe es in den vergangenen Wochen, als die CDU dem grünen Koalitionspartner klargemacht habe, dass mit ihr weitere flächendeckende Fahrverbote nicht zu machen seien. „Das Gewitter war reinigend und gut, die Luft ist jetzt wieder etwas klarer“, beschreibt er das wechselhafte grün-schwarze Koalitionsklima.
Für Strobls Zukunft sind die kommenden Monate entscheidend. Viele gehen davon aus, dass er die Spitzenkandidatur zur Landtagswahl 2021 anstrebt. Doch manche haben große Zweifel, ob er der richtige Kandidat wäre – insbesondere dann, wenn der beliebte Kretschmann für eine dritte Amtszeit antreten sollte. In den Umfragen hat es die CDU seit der Wahl 2016 nicht geschafft, die Grünen zu übertrumpfen. Noch halten alle in der CDU öffentlich die Füße still. Anfang Mai will Strobl auf einem Parteitag als Landeschef bestätigt werden. Sollte aber die Europawahl am 26. Mai für die CDU schlecht ausgehen, könnte eine Personaldebatte darüber losbrechen , ob Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) nicht das bessere Zugpferd wäre.
Strobl und Oettinger sagen am Mittwoch zu diesen internen Angelegenheiten nichts. Aber der EUKommissar stichelt gegen Kretschmann. „Eigentlich ist die Zeit reif, dass man Winfried Kretschmann ,vielen Dank’ sagen kann und ihn in Ehren in den Ruhestand verabschieden darf.“Kretschmann sei konservativer als viele CDU-Politiker je werden wollten. Kretschmann mache wenig und deshalb auch wenig falsch. „Erwin Teufel und ich, wir haben viel gemacht und deswegen auch einiges falsch gemacht“, meint Oettinger zu Teufel, von dem er einst das Ministerpräsidentenamt übernommen hatte.
CDU will Seniorpartner werden
Die Südwest-CDU sei jedenfalls in der Lage und willens, das Land als Seniorpartner zu führen, attestiert Oettinger. „Ich finde, Schwarz-Grün wäre die gute Antwort.“So ein Bündnis hat Oettinger schon 2006 versucht aufs Gleis zu setzen. Doch der damalige CDU-Landtagsfraktionschef Stefan Mappus bereitete solchen Überlegungen mit einer öffentlichen Erklärung ein Ende.
Strobl und Oettinger warnten in Fellbach, dass Europa nicht seinen Kritikern überlassen werden dürfe. Mit Blick auf die Europawahl sagte Strobl: „Lasst uns dafür kämpfen, dass am 26. Mai Vernunft und Vision gegen Verführung und Wahnsinn siegen werden.“
In Fellbach stehen die CDU-Spitzenpolitiker am Ende gemeinsam auf der Bühne. Sie singen erst die badische, dann die württembergische und schließlich die deutsche Nationalhymne. „Die CDU in BadenWürttemberg ist eine Gemeinschaft, die fest zusammensteht und fest zusammenhält“, hatte Landeschef Strobl zu Beginn fast euphorisch gerufen. Mancher in der CDU fragt sich allerdings, wie lange das noch so bleibt.