Trossinger Zeitung

Söder wirbt um verirrte Konservati­ve: „Lasst die Nazis in der AfD allein“

Politische­r Aschermitt­woch der CSU im Zeichen der Europawahl – Außer Koalitions­partner Freie Wähler bekommen alle ihr Fett weg

- Von Ralf Müller

PASSAU - Vor dem politische­n Aschermitt­woch hatte sich Ministerpr­äsident und CSU-Chef Markus Söder in einem Interview nicht gerade werbewirks­am geäußert: Die „Zeit des Rumpelns“, sagte Söder, sei vorbei. Von einem Ministerpr­äsidenten werde anderes erwartet. Doch nach Leisetrete­rei hörte es sich nicht an, was dann tatsächlic­h in der Dreiländer­halle geboten wurde. Fast alle Mitbewerbe­r bekamen zum Gaudium der gefüllten Halle vom CSUChef ihr Fett weg – mit einer Ausnahme: Der neue Koalitions­partner Freie Wähler wurde geschont.

Dafür kriegte es der Koalitions­partner in Berlin ab. Söder verdächtig­te die Sozialdemo­kraten der Sabotage: Mancher in der SPD lege die Latte unglaublic­h hoch, um nach der Europawahl den Koalitions­vertrag neu zu verhandeln. Die Frage sei, ob die SPD einen Vorwand suche, um „raus aus der Koalition“zu gehen. „Das No-GroKo-Genörgel“gehe den Menschen „auf den Geist“.

Den „verirrten Konservati­ven“unter den AfD-Wählern riet Söder: „Kehrt zurück und lasst die Nazis alleine in der AfD“. An den Grünen ärgert den CSU-Chef gewaltig, dass sie sich als die moralisch höherwerti­ge Truppe in der deutschen Politik gerierten: „Wir machen in Bayern grüne Politik, aber wir brauchen die Grünen nicht dazu.“Keine Spur von Liebäugeln mit Schwarz-Grün. Solange die Grünen praktisch jeden ins Land lassen wollten und die Ausweitung der Gruppe sogenannte­r sicherer Herkunftss­taaten verhindert­en, „kann ich mir eine Zusammenar­beit mit diesen Leuten nicht vorstellen“, sagte Söder.

Die Zeiten haben sich geändert

Im Trachtenja­nker, ohne Krawatte und mit Dreitageba­rt gab sich der CSU-Chef betont locker und umschiffte jedes Fettnäpfch­en und jeden europaskep­tischen Ton, im Gegenteil: Söder sprach von einer „Schicksals­wahl“am 26. Mai und räumte indirekt politische Verirrunge­n der Partei in der jüngeren Vergangenh­eit ein. 2014 war es, als man den CSU-Rechtsausl­eger Peter Gauweiler beim politische­n Aschermitt­woch gegen die „Flaschenma­nnschaft“und die „dummen nackten Kaiser“in Brüssel poltern ließ. Seit 2014 habe sich viel geändert, versuchte Söder die Kurve zu kriegen. Es gebe immer noch „viel Kritik im Detail“, aber die CSU sei nicht bereit, Nationalis­ten und Populisten das Feld zu überlassen. Man wisse, was insbesonde­re Bayern dem vereinten Europa zu verdanken habe.

Der politische Aschermitt­woch war die erste große Veranstalt­ung im Europawahl­kampf der CSU. „Bundeskanz­ler geht nicht, aber Chef der EU-Kommission geht“, warb Söder für das große Ziel der bayerische­n Regionalpa­rtei in diesem Jahr. „Ich will und kann und werde“EU-Kommission­spräsident werden, sagte CSU-Vize und Europa-Spitzenkan­didat Manfred Weber kämpferisc­h. Um seinen Worten mehr Kraft zu geben, hat sich der immer noch recht brav erscheinen­de Chef der EVPFraktio­n im Europaparl­ament bei seinen Reden angewöhnt, ab und zu zu fluchen. Auch am Mittwoch: „Es geht im Jahr 2019 um verdammt viel.“

Auch Weber zeigte, wie man das Aschermitt­wochspubli­kum ganz ohne verbale Tiefschläg­e zu begeistert­em Beifall animieren kann. „Wenn es Afrika auf Dauer schlecht geht, werden wir in Europa keine gute Zukunft haben“kam gut an, „Wer in Europa Geld verdienen will, soll die europäisch­en Spielregel­n einhalten“, ebenso. Den größten Applaus gab es freilich beim Thema Türkei, seit vielen Jahren bewährter CSU-Redebestan­dteil am Aschermitt­woch. Als EU-Kommission­spräsident werde er anordnen, „die Beitrittsg­espräche mit der Türkei zu beenden“, versprach Weber. Der Spitzenkan­didat der europäisch­en Konservati­ven ließ keinen Zweifel am proeuropäi­schen Kurs seiner Partei: „Dass wir in Frieden leben dürfen, ist ein großes Geschenk der EU.“

Und weil die CSU jetzt auch EUKommissi­onspräside­nt kann (oder können will), wurde die CSU-Veranstalt­ung vom „größten Stammtisch Deutschlan­ds“zum „größten Stammtisch Europas“befördert. CSU-Generalsek­retär Markus Blume durfte die Tradition hochhalten: Der politische Aschermitt­woch der CSU sei das Original, die anderen lediglich billige Kopien. Im Gegensatz zu den anderen Parteien müsse man niemanden von außerhalb des Freistaats zu Wort kommen lassen.

40 ausländisc­he Journalist­en

Was neu war: Angeblich 40 Journalist­en aus dem Ausland wohnten der Veranstalt­ung bei, um den möglichen Nachfolger von Kommission­schef Jean-Claude Juncker zu begutachte­n. Für sie wurden die Reden von Niederbair­isch, Fränkisch und Deutsch ins Englische übersetzt.

Auffällig war auch, wie wenig die Nichtanwes­enheit des langjährig­en CSU-Vorsitzend­en Horst Seehofer auffiel. Die Stimmung im Saal wurde außer vom Bier durch ein Video über die Geschichte des CSU-Aschermitt­wochs angeheizt. Darin kamen sehr viel Franz Josef Strauß, Edmund Stoiber und Markus Söder vor – aber nur ein Jota Seehofer. In den Reden kam Seehofer gar nicht vor. Nur indirekt. Mit der neuen CDU-Vorsitzend­en Annegret Kramp-Karrenbaue­r werde sich das Geschehen von 2015 „und der ganze Streit danach nicht wiederhole­n“, versprach Söder. Das liege daran, dass „die neue Linie der CDU die alte Linie der CSU“sei.

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FOTO: DPA Siegertype­npose: Europa-Spitzenkan­didat Manfred Weber (links) und CSU-Chef Markus Söder Schulter an Schulter.

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