Söder wirbt um verirrte Konservative: „Lasst die Nazis in der AfD allein“
Politischer Aschermittwoch der CSU im Zeichen der Europawahl – Außer Koalitionspartner Freie Wähler bekommen alle ihr Fett weg
PASSAU - Vor dem politischen Aschermittwoch hatte sich Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder in einem Interview nicht gerade werbewirksam geäußert: Die „Zeit des Rumpelns“, sagte Söder, sei vorbei. Von einem Ministerpräsidenten werde anderes erwartet. Doch nach Leisetreterei hörte es sich nicht an, was dann tatsächlich in der Dreiländerhalle geboten wurde. Fast alle Mitbewerber bekamen zum Gaudium der gefüllten Halle vom CSUChef ihr Fett weg – mit einer Ausnahme: Der neue Koalitionspartner Freie Wähler wurde geschont.
Dafür kriegte es der Koalitionspartner in Berlin ab. Söder verdächtigte die Sozialdemokraten der Sabotage: Mancher in der SPD lege die Latte unglaublich hoch, um nach der Europawahl den Koalitionsvertrag neu zu verhandeln. Die Frage sei, ob die SPD einen Vorwand suche, um „raus aus der Koalition“zu gehen. „Das No-GroKo-Genörgel“gehe den Menschen „auf den Geist“.
Den „verirrten Konservativen“unter den AfD-Wählern riet Söder: „Kehrt zurück und lasst die Nazis alleine in der AfD“. An den Grünen ärgert den CSU-Chef gewaltig, dass sie sich als die moralisch höherwertige Truppe in der deutschen Politik gerierten: „Wir machen in Bayern grüne Politik, aber wir brauchen die Grünen nicht dazu.“Keine Spur von Liebäugeln mit Schwarz-Grün. Solange die Grünen praktisch jeden ins Land lassen wollten und die Ausweitung der Gruppe sogenannter sicherer Herkunftsstaaten verhinderten, „kann ich mir eine Zusammenarbeit mit diesen Leuten nicht vorstellen“, sagte Söder.
Die Zeiten haben sich geändert
Im Trachtenjanker, ohne Krawatte und mit Dreitagebart gab sich der CSU-Chef betont locker und umschiffte jedes Fettnäpfchen und jeden europaskeptischen Ton, im Gegenteil: Söder sprach von einer „Schicksalswahl“am 26. Mai und räumte indirekt politische Verirrungen der Partei in der jüngeren Vergangenheit ein. 2014 war es, als man den CSU-Rechtsausleger Peter Gauweiler beim politischen Aschermittwoch gegen die „Flaschenmannschaft“und die „dummen nackten Kaiser“in Brüssel poltern ließ. Seit 2014 habe sich viel geändert, versuchte Söder die Kurve zu kriegen. Es gebe immer noch „viel Kritik im Detail“, aber die CSU sei nicht bereit, Nationalisten und Populisten das Feld zu überlassen. Man wisse, was insbesondere Bayern dem vereinten Europa zu verdanken habe.
Der politische Aschermittwoch war die erste große Veranstaltung im Europawahlkampf der CSU. „Bundeskanzler geht nicht, aber Chef der EU-Kommission geht“, warb Söder für das große Ziel der bayerischen Regionalpartei in diesem Jahr. „Ich will und kann und werde“EU-Kommissionspräsident werden, sagte CSU-Vize und Europa-Spitzenkandidat Manfred Weber kämpferisch. Um seinen Worten mehr Kraft zu geben, hat sich der immer noch recht brav erscheinende Chef der EVPFraktion im Europaparlament bei seinen Reden angewöhnt, ab und zu zu fluchen. Auch am Mittwoch: „Es geht im Jahr 2019 um verdammt viel.“
Auch Weber zeigte, wie man das Aschermittwochspublikum ganz ohne verbale Tiefschläge zu begeistertem Beifall animieren kann. „Wenn es Afrika auf Dauer schlecht geht, werden wir in Europa keine gute Zukunft haben“kam gut an, „Wer in Europa Geld verdienen will, soll die europäischen Spielregeln einhalten“, ebenso. Den größten Applaus gab es freilich beim Thema Türkei, seit vielen Jahren bewährter CSU-Redebestandteil am Aschermittwoch. Als EU-Kommissionspräsident werde er anordnen, „die Beitrittsgespräche mit der Türkei zu beenden“, versprach Weber. Der Spitzenkandidat der europäischen Konservativen ließ keinen Zweifel am proeuropäischen Kurs seiner Partei: „Dass wir in Frieden leben dürfen, ist ein großes Geschenk der EU.“
Und weil die CSU jetzt auch EUKommissionspräsident kann (oder können will), wurde die CSU-Veranstaltung vom „größten Stammtisch Deutschlands“zum „größten Stammtisch Europas“befördert. CSU-Generalsekretär Markus Blume durfte die Tradition hochhalten: Der politische Aschermittwoch der CSU sei das Original, die anderen lediglich billige Kopien. Im Gegensatz zu den anderen Parteien müsse man niemanden von außerhalb des Freistaats zu Wort kommen lassen.
40 ausländische Journalisten
Was neu war: Angeblich 40 Journalisten aus dem Ausland wohnten der Veranstaltung bei, um den möglichen Nachfolger von Kommissionschef Jean-Claude Juncker zu begutachten. Für sie wurden die Reden von Niederbairisch, Fränkisch und Deutsch ins Englische übersetzt.
Auffällig war auch, wie wenig die Nichtanwesenheit des langjährigen CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer auffiel. Die Stimmung im Saal wurde außer vom Bier durch ein Video über die Geschichte des CSU-Aschermittwochs angeheizt. Darin kamen sehr viel Franz Josef Strauß, Edmund Stoiber und Markus Söder vor – aber nur ein Jota Seehofer. In den Reden kam Seehofer gar nicht vor. Nur indirekt. Mit der neuen CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer werde sich das Geschehen von 2015 „und der ganze Streit danach nicht wiederholen“, versprach Söder. Das liege daran, dass „die neue Linie der CDU die alte Linie der CSU“sei.