Trossinger Zeitung

Umkehren von Orbán ist Wunschdenk­en

Ungarische Regierungs­partei Fidesz steht vor dem Rauswurf aus der EVP

- Von Rudolf Gruber

WIEN - Die Erwartung der Europäisch­en Volksparte­i, Ungarns Premier Viktor Orbán (Foto: dpa) per Ultimatum doch noch auf Demokratie- und Europakurs zu zwingen, ist illusorisc­h. Er würde seine Macht verlieren, wenn er plötzlich eine Kehrtwende vollzöge.

Selbst seine engsten westlichen Freunde in der christdemo­kratischen Europapart­ei (EVP) rücken jetzt – spät, aber doch – von Viktor Orbán ab, voran die CSU-Spitzen Horst Seehofer und Markus Söder sowie Österreich­s Kanzler Sebastian Kurz. Mittlerwei­le haben zwölf Mitgliedsp­arteien den Ausschluss der Regierungs­partei Fidesz gefordert. Am 20. März soll darüber abgestimmt werden.

Anlass ist die in Ungarn laufende Anti-EU-Kampagne zu Beginn des Europawahl­kampfs. Dabei werden Kommission­schef Jean-Claude Juncker und der ungarnstäm­mige USMilliard­är Georges Soros auf landesweit geklebten Plakaten als hämisch grinsendes Verschwöre­rduo dargestell­t, das Europa mit islamische­n Migranten überfluten und damit die christlich­e Kultur auslöschen wolle. „Sie haben das Recht zu wissen, was Brüssel plant!“lautet die antisemiti­sch getönte Botschaft an die Ungarn.

Manfred Weber (CSU), EVP-Spitzenkan­didat für die Europawahl Ende Mai, stellte dem Budapester Premier ein Ultimatum. Noch in diesem Monat müsse er drei Bedingunge­n erfüllen, um in der EVP bleiben zu können: sofortiger Stopp der verleumder­ischen Plakatkamp­agne, eine Entschuldi­gung bei den Schwesterp­arteien sowie eine Bleibegara­ntie für die von dem philantrop­en Soros finanziert­e Zentraleur­opäische Universitä­t (CEU) in Budapest, der die Schließung droht. „Viktor Orbán muss umkehren“, warnte Weber.

Doch das ist Wunschdenk­en: Ein Kurswechse­l käme einer Niederlage vor der verhassten EU-Kommission gleich; zugleich würde sich Orbán, der seit der Machtübern­ahme vor knapp neun Jahren diesen Anti-EUKurs fährt, vor der eigenen Bevölkerun­g völlig unglaubwür­dig machen. Ein Sprecher Orbáns wies am Mittwoch Webers Ultimatum schroff zurück: Es gehe nicht um Parteipoli­tik, sondern um die Migrations­frage, „in der Fidesz keine Konzession­en macht“. In einem Interview nannte Orbán zuvor seine Kritiker in der EVP „nützliche Idioten“für die Linken. Nach Juncker und Soros werde er auch noch eine Plakatkamp­agne gegen Frans Timmermans starten, den EU-Vizekommis­sionschef und Spitzenkan­didaten der Sozialdemo­kraten, der zuletzt ein Rechtsstaa­tsverfahre­n gegen Orbáns Regierung eingeleite­t hatte.

In einem Radiointer­view sprach Orbán von der „finalen Schlacht um die Zukunft Europas“. Darunter versteht er die Wiederaufe­rstehung der Nationalst­aaten in Händen rechtsauto­ritärer Führungen, die sich das „neue Europa“nach ihrer demokratie­feindliche­n Façon formen wollen. Prognosen über deutliche Gewinne von extremen Rechtspart­eien auf Kosten von Christ- und Sozialdemo­kraten signalisie­ren Orbán, dass er diesem Ziel näherkommt.

Warum also sollte Orbán einlenken? Er wird das Ultimatum einfach verstreich­en lassen. Er weiß, dass die EVP in einem größeren Dilemma steckt als er. Hält man ihn in den eigenen Reihen und lässt ihn weiter gewähren, läuft die EVP Gefahr, als christdemo­kratische Europabewe­gung unglaubwür­dig zu werden. Wird er ausgeschlo­ssen, könnten Weber am Ende die ungarische­n Stimmen für die Nachfolge Junckers als EU-Kommission­schef fehlen. Orbán würde mit dem Image eines Märtyrers der „EU-Diktatur“für die Rechtsliga im Europaparl­ament eine prächtige Galionsfig­ur abgeben.

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Victor Orbán

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