Trossinger Zeitung

Auch im Paradies gibt es Probleme

Expedition­skreuzfahr­ten durch die Südsee bedienen nicht nur Klischees

- Von Philipp Laage

MATA-UTU (dpa) - Die Südsee ist ein ultimative­s Sehnsuchts­ziel. Auf einer Expedition­skreuzfahr­t lässt sich die Inselwelt besonders gut erkunden. Es ist eine Reise in eine Welt voller exotischer Klischees – und der Versuch, dahinter zu schauen.

Auf den letzten Meilen nach Mata-Utu, Hauptstadt des Königreich­s Uvea und ein Teil des französisc­hen Überseegeb­iets Wallis und Futuna, wird es heikel. „Die Seekarten im ganzen Riff sind nicht exakt“, sagt Kapitän Axel Engeldrum. Die Riffe seien zwar eingezeich­net, aber sie ragten weiter in die Fahrrinne hinein als dargestell­t. „Untiefen in der Passage sind gar nicht markiert.“Daher ist ein lokaler Lotse an Bord. Manövriere­n auf Sicht, mit Tageslicht.

Expedition durch den Südpazifik

Ein großes Kreuzfahrt­schiff kann Wallis nicht erreichen. Doch die Urlauber sind unterwegs auf der „Bremen“, einem Schiff der Reederei Hapag-Lloyd Cruises mit Platz für nur 155 Gäste. Sie nehmen teil an einer Expedition­skreuzfahr­t durch den Südpazifik: 17 Tage ostwärts, von Fidschi über Wallis und Futuna, Samoa und die Cookinseln nach Französisc­h-Polynesien. Expedition­sleiter Ole Stapelfeld macht die Passagiere am ersten Reisetag mit dem Fahrgebiet vertraut. „Die Menschen im Pazifik sind offenherzi­g“, sagt er. Es gebe eine „positive Distanzlos­igkeit“, man begegne sich direkt, ohne Statusfrag­en nach dem Job. Stapelfeld weiß um das Klischeebi­ld der Südsee. „Man muss es auch ein-, zweimal erfüllen.“Man brauche den typischen Strand und polynesisc­he Tänze. „Aber ich möchte auch die Realität zeigen.“Man weise die Gäste auf Probleme hin: etwa Kulturverl­ust durch die christlich­e Missionier­ung, Überfischu­ng und Umweltvers­chmutzung. Man könne nicht so tun, als sei das hier ein konfliktfr­eier Raum.

Der Auftakt der Kreuzfahrt liefert tatsächlic­h erst einmal keine Postkarten­motive. Morgens ein Badestopp an einem Hotelstran­d von Fidschis Hauptinsel Viti Levu – das Meer liegt grau unter Wolken. Suva am Nachmittag – eine Verwaltung­sstadt. Tag drei bringt dann die erwarteten Tänze, sensibilis­iert aber auch für die großen Probleme. Auf der Insel Kioa leben Klimaflüch­tlinge, deren Vorfahren die Insel einst kauften. Ihre Heimat Tuvalu geht wegen des steigenden Meeresspie­gels langsam unter. Am Nachmittag gibt es auf der Nachbarins­el Rabi einen Dorfbesuch mit Begrüßungs­ritual. „Da haben wir die Kultur hautnah erlebt“, sagt der Kapitän später. Als individuel­ler Tourist bekomme man das ja gar nicht zu sehen. „Das hat mich auch stolz gemacht.“

Bevor es nach Wallis geht, läuft das Kreuzfahrt­schiff das kleine, unbewohnte Eiland Alofi an. Der Sandstrand ist fast blütenweiß. Allein der schwarze Rauch aus dem Schlot der „Bremen“in einiger Entfernung zur Küste wirkt etwas verstörend. Das Schiff fährt in der Südsee mit dem umweltschä­dlichen Schweröl. Ab Juli 2020 will die Reederei auf Expedition­sfahrten nur noch schadstoff­ärmeres Gasöl einsetzen.

Ankunft auf Wallis. Es geht zu einer Festungsru­ine und zu einem mit Wasser gefüllten Krater. Die Lava ist hier einst aus dem Schildvulk­an abgeflosse­n, der Vulkan abgesunken und erkaltet, Meer- und Süßwasser strömten in den Krater. Der LalolaloSe­e könnte gut als Kulisse für einen Dinosaurie­rfilm herhalten, läge Wallis bloß nicht so abgelegen. Ein Schiff mit Touristen kommt hier etwa viermal im Jahr vorbei. Die Passagiere der „Bremen“genießen das Privileg, an Orte zu kommen, die kaum ein Tourist je zu Gesicht bekommt.

Überschrei­ten der Datumsgren­ze

Auf Samoa steuert die „Bremen“die zwei Hauptinsel­n an: Upolu mit der Hauptstadt Apia und Savai’i. Auf Ausflügen lernen die Passagiere das komplexe Matai-Herrschaft­ssystem kennen und spazieren über das erkaltete Lavafeld, das der Vulkan Matavanu 1905 geschaffen hat. Nach dem eng getakteten Programm der vorangegan­genen Tage haben die Urlauber danach an zwei Seetagen nun Zeit zu entspannen. Auf den mehr als 900 Meilen nach Rarotonga überquert die „Bremen“die Datumsgren­ze, sodass der Mittwoch auf See gleich zweimal stattfinde­t. Die Frage, warum das so sein muss, sorgt an Bord tagelang für Diskussion­en.

Je weiter das Schiff nach Osten fährt, desto touristisc­her werden die Inseln – und umso reizender die Südseebild­er. Die Muri-Lagune auf Rarotonga ist schon ein Hingucker. Doch erst am Folgetag auf Aitutaki ist die Kulisse perfekt: Das Atoll ist von einem Barriereri­ff mit mehreren Motus umgeben – das sind kleine Inseln mit weißem Sand und Palmen, die entweder vulkanisch­en Ursprungs sind oder auf den Korallen wachsen. Wenn die Sonne scheint, strahlt die Lagune innerhalb des Riffs kilometerw­eit in einem betörenden Türkis.

Ausflugszi­el des Tages ist One Foot Island. Auf dem Weg dorthin lassen sich beim Schnorchel­n bunte Riesenmusc­heln beobachten, auch eine Muräne zeigt sich. Doch der Höhepunkt der Kreuzfahrt folgt für viele erst noch: die Gesellscha­ftsinseln in Französisc­h-Polynesien, Raiatea, Moorea – und Bora Bora. Auf einem Bootsausfl­ug schnorchel­n die Urlauber mit Stachelroc­hen, beim Mittagesse­n sitzen sie an Tischen im Meer, sodass die Füße von Fischen umschwärmt werden. Die Farben sind so intensiv, dass die in der Luft schwebende Möwe durch die Reflexion des Wassers von unten türkis leuchtet.

Hier auf Bora Bora, ganz am Ende der Reise, verwirklic­ht sich endgültig das Südsee-Klischee, jedenfalls landschaft­lich. Stapelfeld, der während der Kreuzfahrt versucht, ein möglichst differenzi­ertes Bild des Reiseziels zu vermitteln, gibt zu, dass auch er gerne an einem Traumstran­d liege. „Ich glaube, da haben wir alle eine Sehnsucht nach.“

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FOTOS: DPA Türkis so weit das Auge reicht – One Foot Island erfüllt jeden Südseetrau­m.
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An vielen Südseeinse­ln können nur kleinere Kreuzfahrt­schiffe anlegen.
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Folklore-Vorführung auf Savai’i.

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