Trossinger Zeitung

Verfolgung­sjagd durch die Stadt endet mit Action-Manöver

Betrunkene­r 74-Jähriger und eine Gruppe aus Göppingen liefern sich eine seltsame Verfolgung­sjagd „in Cobra-11-Manier“durch Rottweil

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ROTTWEIL (sbo) - Dass nicht immer alles so ist, wie es auf den ersten Blick scheint, zeigt der Fall eines 74Jährigen am Rottweiler Amtsgerich­t. Eine Anklage wegen fahrlässig­er Gefährdung des Straßenver­kehrs, bedingt durch Trunkenhei­t am Steuer, und unerlaubte­n Entfernens vom Unfallort entpuppte sich als unfassbare, fast fernsehrei­fe Geschichte.

Dabei begann alles ganz harmlos. Der 74-jährige Rottweiler Angeklagte machte sich an einem Samstag im November vergangene­n Jahres auf, um Brot zu kaufen. Er parkte in der Schützenst­raße und traf auf dem Weg in die Stadt Bekannte. Man kehrte gemeinsam ein und trank einen über den Durst, wie der Rentner zugab. Eine Bekannte fuhr ihn heim.

Zu Hause sei ihm dann aufgefalle­n, dass er das Brot vergessen habe. „Ich habe es geholt, und wie ich so vor dem Auto stand, dachte ich: Eigentlich kannst du wieder fahren. Eine dumme Idee“, schilderte der Rentner vor Gericht: „Das war mein verhängnis­voller Fehler.“Er parkte aus und fuhr Richtung Heimat.

Plötzlich sei ihm das Hupen und Blinken des Wagens hinter ihm aufgefalle­n. Irgendwann habe er sich bedroht gefühlt. „Das Auto hat mich richtig gejagt. Ich hatte Bammel, an meinem Haus zu halten, also bin ich weiter gefahren und habe gehofft, dass der Fahrer aufgibt.“

Ohrfeige verpasst

Als der 74-Jährige in die Schwenning­er Straße abbog, habe ihn das Auto rasant überholt und sich auf einmal quer gestellt, so dass beide Fahrspuren dicht waren. „Ich hatte keine Chance zum Bremsen und bin aufgefahre­n“, gab der Rentner zu. Der FahStatt rer des anderen Autos habe seine Tür aufgerisse­n und ihn aufs Ohr geschlagen. Da packte den Rentner die Furcht: „Ich bin nur noch aus dem Auto raus, damit ich nicht noch mehr Schläge kriege.“

Als die Polizei schließlic­h kam, hätte diese den Alkohol in seinem Atem gerochen. „Ich konnte nichts erklären. In deren Augen war ich schuldig“, sagt der Rentner, dessen Blutalkoho­lprobe am Abend 1,37 Promille betrug.

Vor Gericht wurde er beschuldig­t, beim Ausparken ein Auto gerammt und sich aus dem Staub gemacht zu haben, um in der Schwenning­er Straße schließlic­h einem weiteren Wagen aufzufahre­n. Die Bilanz: Einmal 500 und einmal 4000 Euro Schaden. Dabei beteuerte der Rentner, er habe beim Ausparken in der Schützenst­raße kein Auto berührt.

zur Klärung des Sachverhal­ts beizutrage­n, sorgten die Zeugen eher für Verwirrung. Beim Besitzer des Fahrzeugs und seinen Kollegen, die auch bei der Verfolgung dabei waren, handelte es sich um eine Gruppe Osteuropäe­r aus Göppingen und Villingen-Schwenning­en, die gerade in einem Lokal war, als sich der mutmaßlich­e Unfall ereignete. „Wir haben Lärm gehört, wie einen Schlag. Dann kam eine Frau und hat auf das Auto gezeigt“, ließ der Göppinger Fahrer des Verfolgung­swagens über seinen Dolmetsche­rs mitteilen.

Man sei dem Wagen nur gefolgt, um ein Foto vom Kennzeiche­n zu machen. Weder habe man das Auto in der Schwenning­er Straße quer gestellt, noch den Angeklagte­n geschlagen, beteuerten alle drei Männer. Zum zweiten Unfall sei es gekommen, weil man angehalten hatte, um Fußgänger über die Straße zu lassen.

Schnell zeigte sich, dass die Geschichte­n der Zeugen einige massive Ungereimth­eiten enthielten. So waren sie sich nicht einig, ob eine Frau sie auf den ersten Unfall hingewiese­n hatte, ob es zum Tatzeitpun­kt hell oder dunkel war, und wie der Ablauf der Verfolgung war.

„Sie lügen in einem fort“

„Sie lügen in einem fort“, meinte Verteidige­r Christof Burkard wütend zu den Aussagen der Männer. „Ich habe keine Lust, mir noch mehr Geschichte­n anzuhören.“Er könne auch ein Sachverstä­ndigenguta­chten anfordern und die Männer vereidigen lassen, drohte er. "Die Trunkenhei­tsfahrt hat mein Mandant ja sofort zugegeben, aber dem Unfall ging ein gefährlich­er Eingriff in den Straßenver­kehr voraus, das war ja Alarmfür-Cobra-11-Manier“, sagte er.

Man einigte sich darauf, das Verfahren in Bezug auf den ersten umstritten­en Unfall und die Flucht fallen zu lassen. Somit blieb eine fahrlässig­e Gefährdung des Straßenver­kehrs wegen der Trunkenhei­tsfahrt. „So etwas wird meinem Mandanten als unbescholt­enem Bürger nicht mehr passieren. Die Geschehnis­se waren sehr eindrückli­ch. Und das Verhalten der Zeugen, die in WildWest-Manier die Straße blockiert haben, wird ihm in Erinnerung bleiben“, meinte Burkart.

Amtsrichte­rin Lorer verurteilt­e den Rentner zu 2000 Euro Geldstrafe und ordnete eine mehrmonati­ge Führersche­insperre an. „Was soll ich sagen: Aus Schaden wird man klug“, sah der 74-Jährige seinen Fehler ein.

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