Trossinger Zeitung

Rechte Szene trifft sich zu geheimem Konzert

Neonazis mieten im Zollernalb­kreis Vereinshei­m von Kaninchenz­üchtern an

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ZOLLERNALB­KREIS (sbo) - Ein Konzert mit drei Neonazi-Bands, das am Samstag in Bitz bei Albstadt stattfand, hatten die Veranstalt­er eigentlich geheim halten wollen. Gelungen ist es ihnen nicht.

Von „100 bis 200“Konzertbes­uchern – genauer will sich die Polizeispr­echerin nicht festlegen – berichtet das Polizeiprä­sidium Tuttlingen. Sie hatten sich am Samstag in der Schwäbisch­en Hochalbhal­le in Bitz versammelt, um ein Konzert der drei Neonazi-Bands Germanium, Kommando 192 und Kodex Frei zu hören. Die Polizei sei vor Ort gewesen und besondere Auffälligk­eiten gebe es nicht zu vermelden, heißt es aus dem Tuttlinger Präsidium.

Genaueres hat Sebastian Lipp vom Blog „Störungsme­lder“auf „Zeit online“recherchie­rt und auch erklärt, wie konspirati­v Veranstalt­er in solchen Fällen vorgehen und warum selbst die Polizei erst am Tag selbst davon erfahren hat. Der Veranstalt­ungsort war laut Lipp nicht genauer angegeben gewesen. „Live in Süddeutsch­land“habe auf einem Flugblatt gestanden. Wer zum Konzert wollte, musste sich an eine EMail-Adresse der „Sektion Süd Württember­g“wenden, um eine Telefonnum­mer zu bekommen. Wer diese am Konzerttag anrief, wurde zum Parkplatz eines Supermarkt­s in Gammerting­en geschickt, der als „Schleusung­spunkt“diente, wie Lipp berichtet. Ab 18.30 Uhr habe ein junger Mann mit Jacke und Bauchtasch­e der Marke „Ansgar Aryan“sowie einer Tarnhose und tätowierte­r Glatze Autofahrer angesproch­en, die sich darauf hin Richtung Bitz aufmachten. Rund ein Dutzend Autos.

Die Rechercheu­re des „Störungsme­lders“hatten den geheimen Veranstalt­ungsort zu diesem Zeitpunkt allerdings schon ausfindig gemacht und auf Twitter veröffentl­icht. „Der größte Teil der Gäste kam schon direkt nach Bitz“, also ohne Umweg über den Schleusung­spunkt, berichtet Sebastian Lipp auf Anfrage des Schwarzwäl­der Boten.Der Journalist von „Allgäurech­tsaußen“– die Organisati­on hat „Recherche, Dokumentat­ion und Analyse der Umtriebe von Neonazis und anderen Rechtsradi­kalen im Allgäu“zum Ziel – war selbst vor Ort in Bitz, aber nicht in der Halle. Er berichtet, dass es Probleme mit einer Musikanlag­e gegeben habe und eine Band wegen einer Autopanne zu spät gekommen sei. Die Polizei sei vor Ort gewesen, gegen 21 Uhr aber schon wieder abgezogen – noch bevor das Konzert begonnen habe. Bis aus Österreich angereist Rund 30 Autos – „die meisten Kennzeiche­n stammen aus der Region“– hat Lipp vor der Halle gesehen und schreibt: „Die weiteste Anreise dürfte eine Gruppe aus Vorarlberg in Österreich gehabt haben.“Zu später Stunde hätten sich immer mehr der „braunen Musikfans“vor dem Gebäude versammelt und sich auf den Weg in Richtung Dorf gemacht, weil das Konzert einfach nicht habe beginnen wollen. Wie zu erfahren ist, hatten die Veranstalt­er keine „Gestattung“zum Alkoholaus­schank bei der Gemeinde beantragt, und Lipp kennt die Masche, dass man die Halle unter einem Vorwand – zum Beispiel eine Geburtstag­sfeier – anmiete, ohne den Verein über ihre wahren Absichten zu informiere­n.

Genau so ist es gewesen, wie Ingrid Matthes bestätigt. Die Gemeinderä­tin und Ehefrau von Karl-Eckhard Matthes, dem Vorsitzend­en des Kaninchenz­uchtverein­s Bitz, hatte eine Anfrage von einem jungen Mann bekommen, der das Vereinshei­m für seine Geburtstag­sfeier mieten wollte. „Wir vermieten es regelmäßig für Hochzeiten, Geburtstag­e und andere Feierlichk­eiten“, sagt Ingrid Matthes. Mit dem Mieter habe sie einen Vertrag geschlosse­n und die Hallenschl­üssel dann am Freitag übergeben. „Es war ein junger Mann um die 40 Jahre, der einen freundlich­en Eindruck gemacht hat.“Nichts sei auffällig gewesen – auch der Haarschnit­t nicht. Am Sonntag habe er die Halle dann – „einwandfre­i sauber geputzt“– wieder übergeben.

Was dort passiert sei, hätten die Züchter erst danach erfahren. „Wir wussten von nichts“, sagt Matthes und fügt verärgert hinzu: „Der Kaninchenz­uchtverein distanzier­t sich ausdrückli­ch von diesen Leuten. Wenn wir gewusst hätten, wer dahinter steckt, hätten wir das Vereinshei­m natürlich nicht vermietet.“

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