Südwesten gegen neue Gespräche über Grundsteuer
Neues Gutachten soll Verhandlungsfähigkeit des Bauern aus dem Alb-Donau-Kreis bezeugen
STUTTGART (dpa) - Baden-Württembergs Finanzministerin Edith Sitzmann (Grüne) hat sich gegen einen Neustart bei den Verhandlungen zur Reform der Grundsteuer ausgesprochen. Bund und Länder hätten intensiv an der Reform gearbeitet. „Von unterschiedlichen Ausgangspositionen haben wir uns Stück für Stück aufeinander zubewegt. Das dürfen wir nun nicht leichtfertig und kurzerhand über Bord werfen“, sagte Sitzmann.
MERKLINGEN/ULM - Die juristische Aufarbeitung der verheerenden Zustände in einem Schweinemastbetrieb in Merklingen im Alb-DonauKreis geht weiter: Anders als bislang angenommen und berichtet, kommt der 55-Jahre alte Hauptangeklagte jetzt doch wegen des Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz vor das Ulmer Amtsgericht. Mehr als 160 vernachlässigte und verletzte Schweine mussten damals getötet worden. Die Tierschutzorganisation „Soko Tierschutz“, die den Skandal im Oktober 2016 aufgedeckt hatte, plant am Verhandlungstag eine Demonstration auf dem Ulmer Münsterplatz. Neues Gutachten ist Auslöser Wie Oliver Chama, der zuständige Richter des Ulmer Amtsgerichtes, auf Nachfrage der „Schwäbischen Zeitung“erklärt, gebe es ein neues vom Gericht in Auftrag gegebenes Gutachten, wonach der Chef-Landwirt verhandlungsfähig sei. Bislang hatte es lediglich ein Gutachten der Universität Ulm gegeben, das nicht vom Gericht bestellt worden war und den Hauptangeklagten eigentlich für verhandlungsunfähig erklärt hatte. Wer dieses in Auftrag gegeben hat, ist unklar.
Im Fokus der Ermittler waren auch die Ehefrau des Landwirts sowie die beiden Söhne. Sie dürfen seither keine Schweine mehr halten. Hier seien die Verfahren bereits gegen eine Geldstrafe eingestellt worden. Die Vorwürfe reichten für eine Verhandlung nicht aus. Zur Höhe der Strafe will sich der Richter nicht äußern.
Ob es jedoch am Freitag kommende Woche einen Prozess gegen den Chef-Landwirt – der seither keine Tiere mehr halten darf – geben wird, ist noch offen. Der Sachverständige des richterlichen Gutachtens werde vor dem Beginn der geplanten Beweisaufnahme seine Erkenntnisse vortragen. Dann werde das Gericht darüber entscheiden, ob weitere Zeugen befragt werden. Aktuell sehe das Gericht aber keine Veranlassung, an der Verhandlungsfähigkeit des Landwirts zu zweifeln, so Chama. Der Richter hatte erst im November des vergangenen Jahres das bislang unbesetzte und für den Fall zuständige Schöf- fengericht übernommen. Wohl deshalb kommt erst jetzt Bewegung in die Sache. Urteil soll direkt fallen Kommt es zum Prozess, ist davon auszugehen, dass es auch am gleichen Tag ein Urteil gibt. Nur ein Verhandlungstermin sei anberaumt, zu dem insgesamt sechs Zeugen geladen seien, berichtet Chama. Unter ihnen wird auch Friedrich Mülln, der Chef der Tübinger Tierschutzorganisation „Soko Tierschutz“, sein. Er hatte die Missstände in dem Betrieb des Landwirts durch illegal aufgezeichnete Videos öffentlich gemacht. Dafür war Mülln in die Ställe eingebrochen und hatte gefilmt. Deshalb hatten die Behörden auch gegen ihn ermittelt. Das Verfahren ist jedoch gegen ein symbolisches Bußgeld von 100 Euro eingestellt worden.
Er sei „überrascht“darüber, dass es nun doch zu einem Prozess kommen soll, sagt Mülln. Schließlich sei er davon ausgegangen, dass der Landwirt verhandlungsunfähig sei. Gleichzeitig sei er aber froh darüber und hoffe, dass der Landwirt ins Gefängnis kommt. „Es braucht Signale“, sagt Mülln. „Unser Rechtsstaat funktioniert nur mit einem gewissen Maß an Abschreckung.“
Mit Schweinemasken hinter Gitterstäben – einer „kleinen Mahnwache“am Morgen, so Mülln – wollen die Tierschützer vor dem Ulmer Gerichtsgebäude und am Nachmittag mit einer Demonstration auf dem Ulmer Münsterplatz auf die Missstände in Mastbetrieben aufmerksam machen. Dafür werben sie auch in sozialen Netzwerken. Mülln rechnet mit bis zu 100 Mitstreitern. Dabei sollen unter anderem auf Laptops und Tablets die zum Teil erschre- ckenden Bilder gezeigt werden, die der Tierrechtsaktivist im Oktober 2016 in den Ställen in Merklingen gemacht hatte. Der Fall in Merklingen sei zwar „herausragend an Schrecklichkeit“, aber „kein Einzelfall“.
Die Verhandlung gegen den Landwirt, der auch eine Zeit im Landratsamt gearbeitet hatte, sei für ihn weniger bedeutend, so Mülln. Wichtiger wäre ihm die Verurteilung des Amtstierarztes gewesen. Dieser wurde bereits vom Gericht freigesprochen. Der Mann könne nicht zum „Sündenbock“der Personalnot gemacht werden, die im Veterinäramt in Ulm geherrscht hatte, hatte der Richter im Oktober 2018 bei seiner Urteilsverkündung gesagt. Inwiefern der Chef-Landwirt für die verheerenden Missstände zur Verantwortung gezogen werden kann, wird sich bei der anstehenden Verhandlung zeigen.