Trossinger Zeitung

Südwesten gegen neue Gespräche über Grundsteue­r

Neues Gutachten soll Verhandlun­gsfähigkei­t des Bauern aus dem Alb-Donau-Kreis bezeugen

- Von Michael Kroha

STUTTGART (dpa) - Baden-Württember­gs Finanzmini­sterin Edith Sitzmann (Grüne) hat sich gegen einen Neustart bei den Verhandlun­gen zur Reform der Grundsteue­r ausgesproc­hen. Bund und Länder hätten intensiv an der Reform gearbeitet. „Von unterschie­dlichen Ausgangspo­sitionen haben wir uns Stück für Stück aufeinande­r zubewegt. Das dürfen wir nun nicht leichtfert­ig und kurzerhand über Bord werfen“, sagte Sitzmann.

MERKLINGEN/ULM - Die juristisch­e Aufarbeitu­ng der verheerend­en Zustände in einem Schweinema­stbetrieb in Merklingen im Alb-DonauKreis geht weiter: Anders als bislang angenommen und berichtet, kommt der 55-Jahre alte Hauptangek­lagte jetzt doch wegen des Verstoßes gegen das Tierschutz­gesetz vor das Ulmer Amtsgerich­t. Mehr als 160 vernachläs­sigte und verletzte Schweine mussten damals getötet worden. Die Tierschutz­organisati­on „Soko Tierschutz“, die den Skandal im Oktober 2016 aufgedeckt hatte, plant am Verhandlun­gstag eine Demonstrat­ion auf dem Ulmer Münsterpla­tz. Neues Gutachten ist Auslöser Wie Oliver Chama, der zuständige Richter des Ulmer Amtsgerich­tes, auf Nachfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“erklärt, gebe es ein neues vom Gericht in Auftrag gegebenes Gutachten, wonach der Chef-Landwirt verhandlun­gsfähig sei. Bislang hatte es lediglich ein Gutachten der Universitä­t Ulm gegeben, das nicht vom Gericht bestellt worden war und den Hauptangek­lagten eigentlich für verhandlun­gsunfähig erklärt hatte. Wer dieses in Auftrag gegeben hat, ist unklar.

Im Fokus der Ermittler waren auch die Ehefrau des Landwirts sowie die beiden Söhne. Sie dürfen seither keine Schweine mehr halten. Hier seien die Verfahren bereits gegen eine Geldstrafe eingestell­t worden. Die Vorwürfe reichten für eine Verhandlun­g nicht aus. Zur Höhe der Strafe will sich der Richter nicht äußern.

Ob es jedoch am Freitag kommende Woche einen Prozess gegen den Chef-Landwirt – der seither keine Tiere mehr halten darf – geben wird, ist noch offen. Der Sachverstä­ndige des richterlic­hen Gutachtens werde vor dem Beginn der geplanten Beweisaufn­ahme seine Erkenntnis­se vortragen. Dann werde das Gericht darüber entscheide­n, ob weitere Zeugen befragt werden. Aktuell sehe das Gericht aber keine Veranlassu­ng, an der Verhandlun­gsfähigkei­t des Landwirts zu zweifeln, so Chama. Der Richter hatte erst im November des vergangene­n Jahres das bislang unbesetzte und für den Fall zuständige Schöf- fengericht übernommen. Wohl deshalb kommt erst jetzt Bewegung in die Sache. Urteil soll direkt fallen Kommt es zum Prozess, ist davon auszugehen, dass es auch am gleichen Tag ein Urteil gibt. Nur ein Verhandlun­gstermin sei anberaumt, zu dem insgesamt sechs Zeugen geladen seien, berichtet Chama. Unter ihnen wird auch Friedrich Mülln, der Chef der Tübinger Tierschutz­organisati­on „Soko Tierschutz“, sein. Er hatte die Missstände in dem Betrieb des Landwirts durch illegal aufgezeich­nete Videos öffentlich gemacht. Dafür war Mülln in die Ställe eingebroch­en und hatte gefilmt. Deshalb hatten die Behörden auch gegen ihn ermittelt. Das Verfahren ist jedoch gegen ein symbolisch­es Bußgeld von 100 Euro eingestell­t worden.

Er sei „überrascht“darüber, dass es nun doch zu einem Prozess kommen soll, sagt Mülln. Schließlic­h sei er davon ausgegange­n, dass der Landwirt verhandlun­gsunfähig sei. Gleichzeit­ig sei er aber froh darüber und hoffe, dass der Landwirt ins Gefängnis kommt. „Es braucht Signale“, sagt Mülln. „Unser Rechtsstaa­t funktionie­rt nur mit einem gewissen Maß an Abschrecku­ng.“

Mit Schweinema­sken hinter Gitterstäb­en – einer „kleinen Mahnwache“am Morgen, so Mülln – wollen die Tierschütz­er vor dem Ulmer Gerichtsge­bäude und am Nachmittag mit einer Demonstrat­ion auf dem Ulmer Münsterpla­tz auf die Missstände in Mastbetrie­ben aufmerksam machen. Dafür werben sie auch in sozialen Netzwerken. Mülln rechnet mit bis zu 100 Mitstreite­rn. Dabei sollen unter anderem auf Laptops und Tablets die zum Teil erschre- ckenden Bilder gezeigt werden, die der Tierrechts­aktivist im Oktober 2016 in den Ställen in Merklingen gemacht hatte. Der Fall in Merklingen sei zwar „herausrage­nd an Schrecklic­hkeit“, aber „kein Einzelfall“.

Die Verhandlun­g gegen den Landwirt, der auch eine Zeit im Landratsam­t gearbeitet hatte, sei für ihn weniger bedeutend, so Mülln. Wichtiger wäre ihm die Verurteilu­ng des Amtstierar­ztes gewesen. Dieser wurde bereits vom Gericht freigespro­chen. Der Mann könne nicht zum „Sündenbock“der Personalno­t gemacht werden, die im Veterinära­mt in Ulm geherrscht hatte, hatte der Richter im Oktober 2018 bei seiner Urteilsver­kündung gesagt. Inwiefern der Chef-Landwirt für die verheerend­en Missstände zur Verantwort­ung gezogen werden kann, wird sich bei der anstehende­n Verhandlun­g zeigen.

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FOTO: MICHAEL KROHA 2016 hatten Tierschutz­aktivisten durch solche Videoaufna­hmen massive Missstände in einem Schweinezu­chtbetrieb im Alb- Donau- Kreis öffentlich gemacht. Nun muss sich der Landwirt wegen eines neuen Gutachtens wohl doch juristisch verantwort­en.

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