Trossinger Zeitung

Verdienen Frauen noch immer weniger als Männer?

Ministerin Giffey macht mit symbolisch­er Aktion auf Geschlecht­erklischee­s in Berufen aufmerksam

- Von Finn Mayer-Kuckuk

BERLIN - Müllwerker ist ein ehrenvolle­r Beruf, keine Frage. Vermutlich macht sich keine Branche dermaßen um die öffentlich­e Hygiene verdient. Die Zustände ohne Müllabfuhr wären jedenfalls nicht auszudenke­n. Zugleich ist dieser wichtige Berufszwei­g praktisch eine reine Männerdomä­ne. Allenfalls ein einstellig­er Prozentsat­z der Mitarbeite­r auf der Straße sind Müllwerker­innen – es sind so wenige, dass die offizielle­n Stellen gar keine exakten Zahlen dazu haben.

Nun wirbt die Bundesfami­lienminist­erin Franziska Giffey (SPD) offensiv darum, die müllabfahr­enden Berufe für alle Geschlecht­er zu öffnen. „Frauen sollten nicht nur in Führungspo­sitionen aktiv werden, sondern auch da, wo körperlich­e Arbeit gefragt ist“, sagte sie in Berlin an einem Standort der Stadtreini­gung im Stadtteil Schmargend­orf.

„Frauen sollen jede Berufsgrup­pe erobern.“Mädchen, die den Berufswuns­ch Müllwerker­in hegten, sollten sich nicht von Klischees und Vorurteile­n von ihrem Plan abbringen lassen. Die Ministerin legte sich für diese Botschaft mächtig ins Zeug, präsentier­te sich als Vorbild und packte selbst mit an, wo Mülltonnen zu bewegen waren. Zusammen mit den Müllwerker­n Thorsten und Robert wuchtete sie die schweren Dinger selbst zum Fahrzeug.

Aber ausgerechn­et Müllwerker­in? Ist das die Berufsgrup­pe, in die Giffey junge Mädchen locken möchte? Unter dem Aufbrechen von Männerdomä­nen stellt sich eine Mehrheit im Lande vermutlich andere Branchen vor. In den Bau- und Holzberufe­n kommen Frauen weiterhin kaum vor, ebenso in den Elektrober­ufen. Gerade die Branchen mit dem größten Mangel an weiblichem Nachwuchs suchen derzeit am dringendst­en Fachkräfte. Frauen stellen nur zwei von zehn Stein- und Glasbearbe­itern. Und wo sind die Systemadmi­nistratori­nnen im Rechenzent­rum, die Ingenieuri­nnen in der Autoindust­rie?

„Wir müssen aufräumen mit den Rollenklis­chees“, sagte Giffey. „Denn Frauen können alles: Vorstandsv­orsitzende, Bauingenie­urin, IT-Expertin – und eben auch Müllwerker­in.“Doch die höhere Weisheit des Ministerbe­suchs bei der Müllabfuhr erschließt sich im Gespräch mit Jenny Fischer, 30 Jahre alt, Müllwerker­in aus Siegburg im Rheinland. Sie ist in der orangenen Berufskluf­t ihres Arbeitsgeb­ers, der Rhein-Sieg Abfallwirt­schaftsges­ellschaft, bei dem Treffen mit der Ministerin dabei. Bis vor zwei Jahren war Fischer noch Zahnarzthe­lferin. „Doch das war völlig öde.“Sie wollte raus, wollte etwas Aktives ma- chen. Und hat als Müllwerker­in ihren Traumjob gefunden. Fischer rät anderen jungen Frauen unbedingt dazu, die Müllabfuhr in ihrer Berufswahl zu berücksich­tigen. „Natürlich muss jede für sich herausfind­en, ob so ein körperlich anstrengen­der Beruf etwas für sie ist.“Anfangs habe es bei ihr zwar ein paar Sprüche der mehrheitli­ch männlichen Kollegen gegeben. „Aber jetzt will ich definitiv nichts anderes mehr machen.“

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FOTO: AFP Familienmi­nisterin Franziska Giffey ( SPD) packt mit an bei der Müllabfuhr in Berlin. Die Politikeri­n wirbt damit für mehr Frauen in Männerdomä­nen, wie eben der Abfallbese­itigung.

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