Was ist eigentlich eine feministische Außenpolitik?
Die Grünen-Politikerin Agnieszka Brugger erklärt, warum es ohne Frauen keine vernünftigen Friedenslösungen gibt
RAVENSBURG - Agnieszka Brugger, Verteidigungsexpertin der Grünen, setzt sich für mehr Frauenrechte in der Außenpolitik ein. „Wir reden viel zu wenig darüber, wie in Konflikten sexualisierte Gewalt systematisch als brutale Waffe gegen Frauen eingesetzt wird und was wir dagegen tun können“, sagte Brugger (Ravensburg) im Gespräch mit Claudia Kling. Zugleich gehe es darum, Frauen besser in Friedensprozesse einzubinden, „um zu stabilen und dauerhaften Lösungen zu kommen“. Die Grünen haben vor zwei Wochen einen Antrag in den Bundestag eingebracht, in dem sie eine konsequente Umsetzung feministischer Außenpolitik fordern. Frau Brugger, Ihre Partei hat die Bundesregierung zur Umsetzung einer feministischen Außenpolitik aufgefordert. Da stellt sich die Frage: Was hat Feminismus mit Außenpolitik zu tun? Wir beobachten derzeit, wie auf der Weltbühne Frauenfeindlichkeit bei Präsidenten wie Donald Trump und seinem brasilianischen Kollegen Jair Bolsonaro wieder salonfähig wird. Deshalb ist es genau die richtige Antwort, wenn man die Rechte, die Rolle und die Belange von Frauen in den Mittelpunkt der Außenpolitik stellt, die nach wie vor männlich dominiertes Politikfeld ist. Es geht darum, Aspekte in den Fokus zu rücken, die bislang einfach übersehen wurden. Wir reden viel zu wenig darüber, wie in Konflikten sexualisierte Gewalt systematisch als brutale Waffe gegen Frauen eingesetzt wird und was wir dagegen tun können. Gleichzeitig eröffnet eine feministische Außenpolitik große Potenziale in Friedensprozessen, da die Beteiligung von Frauen, wie Studien ergeben haben, die Wahrscheinlichkeit erhöht, zu stabilen und dauerhaften Lösungen zu kommen. Wir brauchen mehr Frauen in der Politik, die sich für Frieden und Sicherheit einsetzen und ihre Stimme erheben. Worum geht es Ihnen konkret: um Frauenquoten im Auswärtigen Amt und in den Botschaften oder um eine Politik gegen die Unterdrückung und Benachteiligung von Frauen weltweit? Schweden und Kanada haben vorgemacht, wie eine feministische Außenpolitik aussehen kann. Das hat viele Facetten. Es geht darum, den Frauenanteil in den Botschaften, in den Ministerien und in den Sicherheitsbehörden zu erhöhen. So ist es zum Beispiel von großer Bedeutung, dass es in Krisenregionen Frauen als Ansprechpartner im Militär, bei der Polizei und in Friedensmissionen gibt, weil von sexualisierter Gewalt betroffene Frauen zu ihnen ein ande- res Vertrauen als zu Männern aufbauen können. Und es geht darum, Projekte finanziell zu fördern, die genau diese vernachlässigten Themen in den Fokus rücken. Ich bin davon überzeugt, dass eine feministische Außenpolitik zu mehr Sicherheit und Frieden in der Welt beitragen kann. Lassen Sie uns Ihre Forderung an einem konkreten Beispiel durchspielen: Wäre der AfghanistanEinsatz anders verlaufen, wenn Deutschland bereits im Jahr 2001 einen feministischen Ansatz in der Außenpolitik verfolgt hätte? Ob ein Auslandseinsatz zum Erfolg wird oder nicht, hängt von ganz vielen verschiedenen Faktoren ab, nicht nur von einem feministischen Ansatz. Das wäre zu einfach. Entscheidend sind natürlich die politischen Rahmenbedingungen in dem jeweiligen Land – in Afghanistan ein schwieriges Thema wegen der Korruption und der umstrittenen Regierungsführung. Trotzdem ist ein feministischer Ansatz auch dort eine wichtige Voraussetzung für eine gute Entwicklung des Landes, es müssen Perspektiven für Frauen geschaffen werden. Ich habe nie zu denen gehört, die den Einsatz für Mädchenschulen in Afghanistan belächelt haben. Ich habe viele junge Frauen getroffen, die in Afghanistan eine Ausbildung machen konnten. In ihren Einsatz und ihre Tatkraft lege ich meine Hoff- nung für eine bessere Zukunft des Landes. Sie haben vorher darauf hingewiesen, dass Friedenslösungen länger halten, wenn Frauen an Friedensprozessen beteiligt werden. Aber wer soll – beispielsweise in Syrien – für Frauen Platz am Verhandlungstisch machen, wenn die Männer wie Putin und Erdogan dort längst sitzen? Staaten wie Schweden, Kanada und auch Deutschland dürfen sich Frauenrechte nicht nur auf die Fahnen schreiben, sondern sie müssen auch dafür eintreten und ihr diplomatisches Gewicht dafür einsetzen. Es wäre ein erster Schritt, wenn sie selbst mehr Frauen in Friedensgespräche entsenden würden. Gleichzeitig wäre es besonders wichtig darauf zu drängen, dass auch Frauen aus den Krisenländern selbst einen Platz am Verhandlungstisch bekom- men. Wenn nur diejenigen beteiligt werden, die die größten Waffen hatten und das schlimmste Leid verursacht haben, kommen keine vernünftigen Friedenslösungen zustande – oder sie halten nicht allzu lange. In solch schwierigen Prozessen braucht es Frauen, die dafür Sorge tragen, dass ihr Land und ihre Kinder eine friedliche Perspektive in der Zukunft haben. Die meisten Krisen- und Konfliktgebiete dieser Erde sind von patriarchalischen Strukturen geprägt, in denen Frauen nichts zu sagen haben. Wie wollen Sie darauf von außen einwirken? Deutschland kann beispielsweise über die Projekte, die in einem Kriegs- und Konfliktgebiet finanziert werden, darauf Einfluss ausüben, welche Themen in einem Wiederaufbauprozess oben auf der Tagesordnung stehen. Die Kriterien, die an die Geldvergabe verknüpft werden, sind ein guter Hebel, um die Einhaltung von Frauenrechten voranzutreiben. Die Generalversammlung der Vereinten Nationen hat bereits vor Jahren die wegweisende UN-Resolution 1325 beschlossen, um dem Feminismus in der Außenpolitik Gewicht zu verschaffen. Die Staaten haben sich auch darauf verpflichtet, diesen Ansatz in der Praxis umzusetzen. Sie müssten sich nur daran erinnern und die Versprechen, die sie gegeben haben, endlich einhalten. Was muss passieren, damit Ihr Antrag auf Umsetzung einer feministischen Außenpolitik eine praktische Wirkung entfalten wird? Wie lange wird das dauern? Das wird leider noch ein langer Weg. Aber es gibt viele Dinge, die man nahezu von heute auf morgen ändern kann: die Frauen im Entwicklungsministerium, im Verteidigungsministerium und im Auswärtigen Amt noch stärker zu fördern. Auch der Frauenanteil in den deutschen Botschaften, der derzeit bei 13 Prozent liegt, ließe sich relativ rasch erhöhen. Für Frauen in Krisengebieten kann Deutschland Kontingente schaffen, damit diejenigen, die besonders von Gewalt betroffen sind, sicher hierherkommen könnten. Letztlich geht es darum, ganz konkret im Alltag jenen Menschen zu helfen, die es am meisten brauchen. So können wir dazu beitragen, dass die Welt ein wenig gerechter, friedlicher und gleichberechtigter wird.