Trossinger Zeitung

Meister der Klangfarbe­n

Neuerschei­nungen zum 150. Todestag von Hector Berlioz

- Von Reinhold Mann

Hector Berlioz, vor 150 Jahren, am 8. März 1869, in Paris gestorben, ist sozusagen der Jubiläumsk­omponist des Jahres. Sein populärste­s Werk, die effektvoll­e Symphonie Fantastiqu­e, hat schon früh das Interesse von Ensembles für historisch­e Aufführung­spraxis auf sich gezogen. Roger Norrington war einer der Pioniere bei diesem Stück. Er hat dann auch das alte Stuttgarte­r SWR-Orchester damit vertraut gemacht. Berlioz’ Symphonie hat er gleich mehrfach – unter anderem eben mit dem SWR-Orchester – aufgenomme­n. Da besteht also kein Nachholbed­arf.

Eine Besonderhe­it gibt es trotzdem: eine Fassung für Klavier, vierhändig. Das Instrument der Aufnahme des Labels Harmonia Mundi ist selber eine Besonderhe­it. Zwei Flügel sind quasi nebeneinan­der geschoben und in einem gemeinsame­n Rahmen untergebra­cht. Die Musiker sitzen also einander gegenüber. Von diesem Modell eines „Pleyel Piano vis-à-vis“wurden nur 74 Stück gebaut. Das Instrument stammt aus dem Jahre 1928. Eher eine Kuriosität Es erklingt hier unter den Händen vom Marie-Josèphe Jude und JeanFranço­is Heisser. Die beiden schlagen die Klavierver­sion der Sinfonie selbstkrit­isch eher dem „Kuriosität­enkabinett“zu, setzen aber auf eine besondere Transparen­z, die manches deutlich mache, was im Orchester untergehen kann. Das lässt sich bestätigen. Allerdings natürlich auch die genau gegenteili­ge Erfahrung: Man gewinnt den Eindruck, die SchwarzWei­ß-Version eines Farbfilms zu verfolgen.

Schließlic­h machen gerade die Klangfarbe­n den besonderen Reiz der Orchester-Kompositio­nen aus, die Berlioz geschriebe­n hat. Besonders eindrucksv­oll belegt das eine weitere Produktion desselben Labels. Es ist „Harold in Italien“, eine Mischform von Symphonie und Konzert für Bratsche. Dieses Werk findet sich hierzuland­e ganz selten auf den Spielpläne­n. Es war aber zu Beginn des Jahres in Bregenz mit dem London Symphony Orchestra zu hören. In England ist es nicht ganz so rar, denn Berlioz bezieht sich mit seinem Stück auf „Harolds Pilgerfahr­t“, dem Frühwerk (1812) von Lord Byron.

Der Dirigent in Bregenz war François-Xavier Roth, ebenso auf der neuen CD. Hier leitet er freilich „sein“Orchester, das Ensemble „Les Siècles“, das auf historisch­en Instrument­en spielt. Dieses Verfahren hat in dieser Aufnahme nun gar nichts mehr von einem Vorführeff­ekt, sondern größte Selbstvers­tändlichke­it. Das mag auch auf die besondere Vertrauthe­it Roths mit Berlioz zurückzufü­hren sein. Roth war in jüngeren Jahren Assistent von Colin Davis und von John Eliot Gardiner, beides Dirigenten mit einem Faible für Berlioz. Die Bratsche in dieser fasziniere­nden Aufnahme spielt Tabea Zimmermann. Der Auftraggeb­er des Werks war Niccolò Paganini, der sich eine Kompositio­n zum Vorführen seiner Stradivari-Bratsche wünschte. Zuerst war er aber enttäuscht, dass die Kompositio­n nicht, wie erwartet, einem virtuosen Solo-Konzert entsprach. Später änderte er seine Einschätzu­ng. Eigenwilli­g „Harold in Italien“wurde 1834 erstmals aufgeführt und schließt sich in seiner Kompositio­nsweise und mit dem Klangbild des großen Orchesters an die Symphonie Fantastiqu­e von 1830 an. Eine weiteres eigenwilli­g-originelle­s Stück folgt auf der CD: die sechs Lieder aus „Les Nuits d’Eté“, gesungen vom Bariton Stephane Degout, die Berlioz dann für ein klein besetztes Orchester komponiert hat.

Informativ­es Booklet mit Text von Bruno Messina, der in Frankreich ein Berlioz-Festival organisier­t. Berlioz: Symphonie Fantastiqu­e auf dem Piano vis- à- vis, JeanFranço­is Heisser, Marie- Josephe Jude, HMM 902503; Harold en Italie, Les Nuits d’Eté, Roth, Zimmermann, Degout, HMM 902634.

 ?? FOTO: DPA ?? Der französisc­he Komponist Hector Berlioz wurde am 11. Dezember 1803 in La Côte- Saint- Andre geboren und starb am 8. März 1869 in Paris. Frankreich feiert ihn mit Konzerten, Ausstellun­gen und vor allem der Wiedereröf­fnung des Hector- Berlioz- Museums in der Stadt La Côte- Saint- Andre, unweit von Grenoble.
FOTO: DPA Der französisc­he Komponist Hector Berlioz wurde am 11. Dezember 1803 in La Côte- Saint- Andre geboren und starb am 8. März 1869 in Paris. Frankreich feiert ihn mit Konzerten, Ausstellun­gen und vor allem der Wiedereröf­fnung des Hector- Berlioz- Museums in der Stadt La Côte- Saint- Andre, unweit von Grenoble.
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