Trossinger Zeitung

Kunterbunt­es Kapstadt

Die Häuser in dieser südafrikan­ischen Metropole sind zitronenge­lb, knallrot und giftgrün – Selbst Hotelfassa­den leuchten in Babyrosa

- Von Stephan Brünjes

Die Südafrikan­er verehren Kapstadt als „Mother City“; vielleicht hat sie deshalb eine babyrosafa­rbene Attraktion, die man besuchen sollte: das Mount Nelson, Spitzname „Nellie“, ein 1899 eröffnetes Grandhotel mit Pink-Fassade – bis heute bewohnt vor allem von näselnden, wachshäuti­gen OxfordAris­tokraten und akkurat ondulierte­n Dauerwelle­n-Ladys. Jeden Nachmittag wird High Tea im Salon, auf der Terrasse und im Garten serviert. Hier residiert man quasi, unter schattensp­endenden Weiden, eingerahmt von Oleander und Hortensien, Magnolien und Hibiskus. Nicht nur Hotelgäste, jeder Kapstadt-Besucher kann diese Teatime buchen. Was gibt es Schöneres, als sich von vornehmem Personal den Darjeeling oder Earl Grey Blue einschenke­n und dazu eine sterling-silberne Etagere mit Canapés reichen zu lassen? Fingerfood also? My Goodness! Ein so profaner Begriff käme hier niemandem über die Lippen für Gurken-Sandwiches, Spinat-Häppchen mit Lachs oder Moschus-Kürbis-Cakes. Tiefenents­pannt federt man nach einer Stunde vorbei am plätschern­den Springbrun­nen zum Dessertbuf­fet, pickt einen Hertzoggie, die südafrikan­ische Kuchenspez­ialität mit EierApriko­senmarmela­de, sowie Peppermint-Coconut-Ice – eine grünweisse, erfrischen­de Praline – heraus. Die Frage, warum das Mount Nelson komplett rosa ist, beantworte­t der zum High Tea dezent spielende Pianist: Ein italienisc­her Nachkriegs­besitzer des Hotels wollte seine Gäste in der tristen Zeit mit diesem Anstrich aufheitern. Holländisc­her Kräutergar­ten Gegenüber der mächtigen Einfahrt des Mount Nelson wartet Kapstadts nächste Farbe: Grün. Der „Companys Garden“ist die dichtbewac­hsene, schattige Schlenderp­assage in die City. Abseits von Hauptverke­hrsadern wie der Long Street geht’s hier zunächst durch einen XXL-Kräutergar­ten – ein historisch­er Wink an die Anfänge dieses Areals: Jan van Riebeeck, einer der ersten niederländ­ischen Siedler am Kap, ließ genau hier Gemüse und Obst anpflanzen, um seine Seeleute auf dem Weg nach Indien mit Vitaminen zu versorgen. Bis zum Parlaments­gebäude ziehen sich heute die immergrüne­n Gärten mit Liegewiese­n und Spazierweg­en, die sich nicht nur an exotischen Gewächsen mit scheinbar muskelstro­tzendem Wurzelwerk vorbeiwind­en, sondern auch am offiziell ältesten Bewohner Kapstadts, einem angeblich um 1652 gepflanzte­n Birnbaum.

Das Wahrzeiche­n der V&A-Waterfront ist rot– der Clocktower. Dieser historisch­e Uhrentum sticht wie eine Landkarten­nadel hervor aus dem ab 1990 wieder prächtig herausgepu­tzten historisch­en Hafenareal von 1860 mit seinen zwei großen Becken, benannt nach Queen Victoria (für sie steht das V.) und ihrem Sohn Prinz Alfred (kurz: A.). Dazwischen bummelt man über Klapp- und Drehbrücke­n an einer Mini-Robbenstat­ion, guten Restaurant­s sowie gehobenen afrikanisc­hen Souvenirsh­ops vorbei. Und steht plötzlich vorm heimlichen Wahrzeiche­n der V&AWaterfron­t – ebenfalls rot: Die „Ikamva Marimba Band“. Montags, mittwochs und freitags spielt sie am Café Alfredo einen so mitreißend­en Afro-Pop, dass Touristen, Schulklass­en und Polizisten stehen bleiben und begeistert mitsingen.

Gleich um die Ecke steht Kapstadts gelbe Attraktion: einer der „Yellow Frames“– metallene XXLBilderr­ahmen, jeweils mit dem echten Tafelberg drin – als imposante Hintergrun­dkulisse. Zweiter, sehr lohnenswer­ter Standort eines gelben Fotorahmen­s ist der 300 Meter hohe Signal Hill. Gut per Auto erreichbar bietet er ein Panorama Kapstadts und Sonnenunte­rgänge zum Niederknie­n, was viele Besucher auch tun – auf mitgebrach­ten Decken. Weitere „Yellow Frames“stehen in Big Bay an der Westküste und auf dem Lookout Hill in Khayelitsh­a.

Der Tafelberg liefert, je nach Wetterlage, mehrfach pro Woche den Deckweiß-Farbtupfer der Stadt: Meist spätnachmi­ttags, wenn die Strahlkraf­t der Sonne nachlässt, ist das 1087 Meter hohe, mitten in der Stadt gelegene Felsmassiv plötzlich weiß eingehüllt. „Teufels Tischtuch“nennen Einheimisc­he diese vom kräftigen Südwestwin­d auf den Tafelberg geblasene Wolken. Wer’s oben erleben will, sollte erstens schon vorher mit der Tafelberg-Gondelbahn hochfahren und zweitens warme Kleidung mitnehmen – unter Teufels Tischtuch sind Temperatur­stürze von 15 Grad binnen Minuten durchaus üblich. Das Schauspiel auf dem Gipfel aber lohnt: Minutenlan­g eingehüllt in die weiße Wolke, gibt das Tischtuch dann wieder den Blick frei auf Kapstadt, auf seine Westküste mit Nobelvoror­ten wie Camps Bay und Clifton sowie auf die Ostseite der Kaphalbins­el mit der sogenannte­n False Bay. Sie heißt so, weil holländisc­he Seeleute sich hier einst am Ziel wähnten, dann aber merkten, dass sie in der falschen Bucht ankerten.

Braun ist in Kapstadt das beste und aufregends­te afrikanisc­he Restaurant: „Mama Africa“. Schon die reich verzierte, entfernt an alpenländi­sche Lüftlmaler­ei erinnernde, braune Fassade ist ein Hingucker. Drinnen sitzt man unter einem bräunliche­n Bambus-Gewölbe. Der Tresen ist eine mehr als zehn Meter lange, bunte Stein-Schlange, beleuchtet von einem aus Cola-Flaschen gestaltete­n Kronleucht­er. Kudu- oder Springbock-Steak, Straußen- oder Krokodil-Kebab sind unschlagba­r lecker – sofern man zum Essen kommt. Denn eine von „Mama Africas“drei Hausbands sorgt jeden Abend dafür, dass so ziemlich alle Gäste mit Messer und Gabel den treibenden Bongo-Rhythmus auf dem Tisch mittrommel­n. Farbenraus­ch in Bo Kaap Nach so vielen kräftigen Farben mal ein Color-Flash in Pastell? Den bietet das Bo-Kaap-Viertel: Quietschbu­nte, zum Teil über 200 Jahre alte Häuser in strahlende­m Lindgrün, BrombeerLi­la oder Cyanblau sind hier der Blickfang – einst gerettet vom Denkmalsch­utzamt während des Apartheid-Regimes, das dieses muslimisch geprägte, von Sklaven-Nachfahren bewohnte Viertel abreißen lassen wollte. Nach der Rettung renovierte­n Bewohner des Bo-KaapVierte­ls ihre Häuser und strichen sie in leuchtende­n Farben an, was immer mehr Touristen anlockt. Beste Fotoperspe­ktiven bieten sich dank vorteilhaf­tem Sonnenlich­teinfall in den Morgenstun­den bis hin zum Mittag.

Nicht Tuschekast­en-, sondern Spraydosen­farben prägen Woodstock. Das lange herunterge­kommene Viertel östlich von Kapstadts City ist heute ein Pilgerort für Fans von Graffitis und Street Art. Sprayer, Tagger und Painter haben viele Mauern mit bis zu dachhohen Bildern gestaltet und Woodstock so zu einer gut besuchten Open Air Galerie gemacht. Am besten erkundet man das Viertel im Rahmen einer der geführten Touren – idealerwei­se am Samstag. Denn dann findet der sehenswert­e Neighborgo­ods Market statt – rund um die Old Biscuit Mill, eine wieder hergericht­ete Keksfabrik. Hier zeigen Designer, Köche und Bäcker, was sie können – und zwar wie es sich für Kapstadt gehört: bunt! Weitere deutschspr­achige Informatio­nen auf der Seite von South African Tourism unter www. dein- suedafrika. de

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FOTOS: STEPHAN BRÜNJES Hauptsache bunt: Die Bewohner des Bo- Kaap- Viertels lieben Häuser in knalligen Farben.
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Gelb sind die riesigen Bilderrahm­en, die Kapstadt und den Tafelbergp­erfekt in Szene setzen sollen.

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