Eine Klobürste für die Zahnhygiene
Die Vogelbörse beendet traditionell die Dürbheimer Fasnet
DÜRBHEIM - Es ist heiß im Probelokal des Musikvereins Dürbheim. Schon 20 Minuten vor dem Beginn der Börse drängen sich rund 80 Menschen dicht aneinandergereiht auf den Bierbänken. Jung und alt, die Köpfe teils ungünstig verdreht, um nach vorne auf die Bühne schauen zu können. Bei näherer Betrachtung ist die Bühne in Wirklichkeit eine alte umgedrehte Hühnerkiste. Dahinter steht ein Tisch, der überquillt mit den verschiedensten Dingen: Bier, Eier, Topfpflanzen, Handtaschen, Lederhosen, Mützen – auf der 123. Dürbheimer Vogelbörse wird alles versteigert, was die Wallenburger Zunft die Wochen zuvor im Ort und drum herum auftreiben konnte.
Es ist Aschermittwoch, der Beginn der Fastenzeit, in der dicken Luft des engen Raumes liegt der Geruch von Heringsrollen und Käse. Zwischen den Bänken eilt an diesem Abend ein halbes Dutzend Frauen umher, sie bedienen die vornehmlich männlichen Gäste – jede Bedienung trägt den gleichen Spruch auf ihrem grünen Zunft-Shirt: „Wir sind die wo schaffed“.
„Unser erstes Prachtexemplar“, brummt Theo Vopper und stemmt den Gästen einen ausgewachsenen Hahn entgegen. „Das ist der Valentino, des ist ein ganz lieber“, ertönt eine Frauenstimme aus der Menge. „Hast du den selbst gemacht?“, fragt Vopper trocken – die Gäste johlen. „Wir müssen spontan sein, und viele Witze kennen, aber eigentlich kann man das nicht lernen“, verrät der Ehrenzunftmeister und Hauptversteigerer später. Seit Ende des 19. Jahrhunderts feiert Dürbheim den Abschluss der Fasnet mit der Vogelbörse. Ursprünglich haben die Leute ihre Sachen versteigert, um sich am Aschermittwoch noch ein paar Bier leisten zu können, erzählt Vopper.
„Ein außergewöhnlicher Zahnhygieneartikel“, ruft Vopper kurze Zeit später und wedelt mit einer Klobürste. So geht das den ganzen Abend – „alles für den Brotbäcker“bedeutet Mehl und eine Gießkanne, außerdem werden Kartoffeln mit einem Teppichmesser als Paket versteigert oder auch mal ein Hammer und eine Thermoskanne. Hier scheint es keine Regeln zu geben, außer das wirklich alles unter den Hammer kommt. Heiß, laut und derb Nach einer Stunde Auktion sind unter anderem ein kleiner Geißbock und zwei große Hasen verkauft. „Ich habe viele Hasen zuhause“, erklärt Simion Blender, der gerade 26 Euro für die beiden Tiere hingeblättert hat. Für was er diese denn nutzt? „Das sind für mich Lebensmittel“, sagt er verlegen.
Währenddessen wird es immer lauter im Raum, hin und wieder ist ein „psssht“in der Menge zu hören. Auch die Versteigerer wirken angestrengter, wischen sich den Schweiß von der Stirn, wenn sie von der Hühnerkiste springen und nach ihrer dünnen Rotweinschorle greifen – die soll gut für die Stimme sein.
Der Gabentisch wird kaum leerer, die Biertische der Gäste dafür umso voller. Nach zwei Stunden beginnen Blenders neue Hasen in ihren Kartons zu rappeln , zwei Hühner schlagen an die Gitter ihrer Käfige, und die Sprüche der Versteigerer werden derber.
„Ein Polizist hält einen Autofahrer an. Der fragt, was denn überhaupt los sei. ’Wir suchen einen Vergewaltiger’ sagt der Polizist und der Mann antwortet, okay ich mach’s“– die Menge lacht, einige raunen, jenes typische Raunen, wenn einer unter die Gürtellinie geht. Die Witze gehören mittlerweile dazu, sagt Vopper. „Es gab auch schon Kritik, dass die Veranstaltung frauenfeindlich sei.“Dass Frauen auf der Vogelbörse weniger mitbieten als Männer, liege nicht da- ran, dass Frauen jemals verboten gewesen seien, sagt Vopper, „sie sind nur lange nicht gekommen“.
Nach über dreieinhalb Stunden ist die 123. Vogelbörse vorbei. Dutzende Tiere und hunderte Gegenstände sind unter den Hammer gekommen. Die Gäste schnappen nach Luft, als sie nach draußen treten. Einige sind extra aus Köln oder Bremen angereist. „Die Leute bekommen von unser Börse mit und wollen die Gaudi dann sehen“, sagt Vopper stolz.
Auch Mimmo ist nicht von hier. Der Mann, der nur seinen Spitznamen verraten will, kommt vom Bodensee und hat fleißig mitgeboten: „Ich habe keine Ahnung, wie viel Geld ich ausgegeben habe, das ist aber auch egal. Eigentlich wollte ich nur einen Stoffesel.“ Ein Video zur Vogelbörse finden Sie unter www. schwäbische. de/ vogelboerse19