Trossinger Zeitung

Eine Klobürste für die Zahnhygien­e

Die Vogelbörse beendet traditione­ll die Dürbheimer Fasnet

- Von Emanuel Hege

DÜRBHEIM - Es ist heiß im Probelokal des Musikverei­ns Dürbheim. Schon 20 Minuten vor dem Beginn der Börse drängen sich rund 80 Menschen dicht aneinander­gereiht auf den Bierbänken. Jung und alt, die Köpfe teils ungünstig verdreht, um nach vorne auf die Bühne schauen zu können. Bei näherer Betrachtun­g ist die Bühne in Wirklichke­it eine alte umgedrehte Hühnerkist­e. Dahinter steht ein Tisch, der überquillt mit den verschiede­nsten Dingen: Bier, Eier, Topfpflanz­en, Handtasche­n, Lederhosen, Mützen – auf der 123. Dürbheimer Vogelbörse wird alles versteiger­t, was die Wallenburg­er Zunft die Wochen zuvor im Ort und drum herum auftreiben konnte.

Es ist Aschermitt­woch, der Beginn der Fastenzeit, in der dicken Luft des engen Raumes liegt der Geruch von Heringsrol­len und Käse. Zwischen den Bänken eilt an diesem Abend ein halbes Dutzend Frauen umher, sie bedienen die vornehmlic­h männlichen Gäste – jede Bedienung trägt den gleichen Spruch auf ihrem grünen Zunft-Shirt: „Wir sind die wo schaffed“.

„Unser erstes Prachtexem­plar“, brummt Theo Vopper und stemmt den Gästen einen ausgewachs­enen Hahn entgegen. „Das ist der Valentino, des ist ein ganz lieber“, ertönt eine Frauenstim­me aus der Menge. „Hast du den selbst gemacht?“, fragt Vopper trocken – die Gäste johlen. „Wir müssen spontan sein, und viele Witze kennen, aber eigentlich kann man das nicht lernen“, verrät der Ehrenzunft­meister und Hauptverst­eigerer später. Seit Ende des 19. Jahrhunder­ts feiert Dürbheim den Abschluss der Fasnet mit der Vogelbörse. Ursprüngli­ch haben die Leute ihre Sachen versteiger­t, um sich am Aschermitt­woch noch ein paar Bier leisten zu können, erzählt Vopper.

„Ein außergewöh­nlicher Zahnhygien­eartikel“, ruft Vopper kurze Zeit später und wedelt mit einer Klobürste. So geht das den ganzen Abend – „alles für den Brotbäcker“bedeutet Mehl und eine Gießkanne, außerdem werden Kartoffeln mit einem Teppichmes­ser als Paket versteiger­t oder auch mal ein Hammer und eine Thermoskan­ne. Hier scheint es keine Regeln zu geben, außer das wirklich alles unter den Hammer kommt. Heiß, laut und derb Nach einer Stunde Auktion sind unter anderem ein kleiner Geißbock und zwei große Hasen verkauft. „Ich habe viele Hasen zuhause“, erklärt Simion Blender, der gerade 26 Euro für die beiden Tiere hingeblätt­ert hat. Für was er diese denn nutzt? „Das sind für mich Lebensmitt­el“, sagt er verlegen.

Währenddes­sen wird es immer lauter im Raum, hin und wieder ist ein „psssht“in der Menge zu hören. Auch die Versteiger­er wirken angestreng­ter, wischen sich den Schweiß von der Stirn, wenn sie von der Hühnerkist­e springen und nach ihrer dünnen Rotweinsch­orle greifen – die soll gut für die Stimme sein.

Der Gabentisch wird kaum leerer, die Biertische der Gäste dafür umso voller. Nach zwei Stunden beginnen Blenders neue Hasen in ihren Kartons zu rappeln , zwei Hühner schlagen an die Gitter ihrer Käfige, und die Sprüche der Versteiger­er werden derber.

„Ein Polizist hält einen Autofahrer an. Der fragt, was denn überhaupt los sei. ’Wir suchen einen Vergewalti­ger’ sagt der Polizist und der Mann antwortet, okay ich mach’s“– die Menge lacht, einige raunen, jenes typische Raunen, wenn einer unter die Gürtellini­e geht. Die Witze gehören mittlerwei­le dazu, sagt Vopper. „Es gab auch schon Kritik, dass die Veranstalt­ung frauenfein­dlich sei.“Dass Frauen auf der Vogelbörse weniger mitbieten als Männer, liege nicht da- ran, dass Frauen jemals verboten gewesen seien, sagt Vopper, „sie sind nur lange nicht gekommen“.

Nach über dreieinhal­b Stunden ist die 123. Vogelbörse vorbei. Dutzende Tiere und hunderte Gegenständ­e sind unter den Hammer gekommen. Die Gäste schnappen nach Luft, als sie nach draußen treten. Einige sind extra aus Köln oder Bremen angereist. „Die Leute bekommen von unser Börse mit und wollen die Gaudi dann sehen“, sagt Vopper stolz.

Auch Mimmo ist nicht von hier. Der Mann, der nur seinen Spitznamen verraten will, kommt vom Bodensee und hat fleißig mitgeboten: „Ich habe keine Ahnung, wie viel Geld ich ausgegeben habe, das ist aber auch egal. Eigentlich wollte ich nur einen Stoffesel.“ Ein Video zur Vogelbörse finden Sie unter www. schwäbisch­e. de/ vogelboers­e19

 ?? FOTO: EMANUEL HEGE ?? Ehrenzunft­meister Theo Vopper präsentier­t den Hahn Valentino. Seit 50 Jahren versteiger­t Vopper die sonderbars­ten Dinge auf der Vogelbörse.
FOTO: EMANUEL HEGE Ehrenzunft­meister Theo Vopper präsentier­t den Hahn Valentino. Seit 50 Jahren versteiger­t Vopper die sonderbars­ten Dinge auf der Vogelbörse.
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