Trossinger Zeitung

Oben ohne wird kostspieli­g

Die Zulassungs­zahlen für Cabrios sinken – Autoherste­ller versuchen dem Trend zur Verschloss­enheit zu trotzen

- Von Thomas Geiger

KÖLN (dpa) – Das erste Auto war ein Cabrio, und Bertha Benz musste sich bei der Fahrt im Patent-Motorwagen ihres Mannes Carl warm anziehen. Genau wie viele tausend Autofahrer nach ihr. Denn über lange Jahre waren die Autos offen, und man musste für eine geschlosse­ne Karosserie tief in die Tasche greifen. Heute ist das genau andersheru­m, und offene Autos sind ein teures Vergnügen.

Zugleich ermögliche­n sie ein sehr viel intensiver­es Fahrerlebn­is, weil im offenen Auto buchstäbli­ch alle Sinne angesproch­en werden. Über viele Jahrzehnte hat das die Begehrlich­keit erhöht, sagt der Kölner Designprof­essor und Automobil-Philosoph Paolo Tumminelli.

Doch mittlerwei­le sinken die Zulassungs­zahlen, und das Angebot wird entspreche­nd ausgedünnt: Modelle wie das Beetle Cabrio bei VW sind schon eingestell­t, und für Dauerbrenn­er wie den Mercedes SLC läuft die Uhr gerade ab. Doch nicht alle Hersteller beugen sich diesem Trend zur neuen Verschloss­enheit. Auch in dieser Saison starten eine Reihe neuer Open-Air-Modelle. Weil die allerdings fast ausschließ­lich von Oberklasse- und Sportwagen­hersteller­n kommen, muss man sich den Platz an der Sonne einiges kosten lassen. Erschwingl­icher BMW So wird der neue BMW Z4 mit einem stolzen Grundpreis von zunächst 40 950 Euro zur billigsten offenen Neuheit, wenn er im März mit einem 145 kW/197 PS starken Vierzylind­er startet. Aber auch die Bayern wissen, wie man Frischluft zur Luxusware macht und bieten den zum Stoffdach zurückgeke­hrten Roadster auch als Sechszylin­der mit 250 kW/340 PS an, der dann schon 60 950 Euro kostet. Als zweite Frischluft-Premiere bringt BMW den neuen 8er auch als Cabrio. Er bietet unter seinem Stoffdach Platz für vier Personen, kommt mit sechs oder acht Zylindern von zunächst 235 kW/320 PS bis 390 kW/530 PS und kostet mindestens 108 000 Euro.

Um die gleiche Kundschaft buhlt womöglich auch Lexus: Die noble Toyota-Schwester hat dafür im Januar auf der Detroit Motor Show die Studie eines offenen LC gezeigt und US-Chef David Christ ließ bei der Enthüllung keinen Zweifel daran, dass die Serienfrei­gabe des 351 kW/477 PS starken Luxusliner­s kaum mehr ist als eine Formalität und er spätestens zur Saison 2020 in Produktion geht.

Zwar bewegen sich die Bayern und die Japaner damit schon weit oben in der Oberklasse, markieren aber noch lange nicht die Spitze. Die nimmt der neue Bentley Continenta­l ein, der ein Jahr nach der Coupé-Premiere in diesem Sommer die Hüllen fallen lässt. Er startet zu Preisen ab 228 480 Euro zunächst wieder mit einem Zwölfzylin­der von 467 kW/635 PS und dürfte mit einem Spitzentem- po von 333 km/h jede Föhnwelle auf eine schwere Probe stellen. Sportliche Spider von McLaren Wo BMW, Lexus oder Bentley bei aller Eile die eher lustvolle und luxuriöse Offenheit offerieren, locken eine Reihe von Sportwagen-Neuheiten vor allem mit Leistung an die frische Luft: Etwa der Porsche 911, der nur wenige Wochen nach dem Generation­swechsel auch wieder als Cabrio kommt. Die mittlerwei­le achte Auflage des Klassikers fährt für einen Aufschlag von 14 000 Euro mit einem traditione­llen Stoffverde­ck vor und startet zunächst als 331 kW/450 PS starker Carrera S mit Heck oder All- radantrieb 134 405 Euro.

Wem die 306 km/h Spitzentem­po im Porsche noch nicht zugig genug sind, der muss entweder auf stärkere Motorvaria­nten warten, oder zu McLaren wechseln. Denn die Briten haben in dieser Saison gleich zwei neue Spider am Start. In der Sports für mindestens Series gibt es für 250 000 Euro den offenen 600LT mit 441 kW/600 PS und 324 km/h Spitze. In der Super Series für noch einmal mindestens 30 000 Euro mehr steht der 720S mit einem in nur elf Sekunden versenkbar­en Karbondach parat. Sein 4,0 Liter großer V8-Motor leistet bis zu 530 kW/720 PS und soll den offenen Sportler maximal 341 km/h schnell werden lassen können. VW überrascht mit SUV-Cabrio Luxuriöse Viersitzer und sportliche Spider – den Besserverd­ienern ist der Platz an der Sonne auch in diesem Jahr sicher. Doch wer in halbwegs bürgerlich­en Preisregio­nen nach Frischluft giert, der muss entweder mit älteren Modellen vorlieb nehmen, oder sich noch ein wenig in Geduld fassen. Denn erst im Herbst kommt von VW ein neues Cabrio, das eine zumindest dem Preis nach eine breitere Zielgruppe ansprechen könnte. Dafür allerdings ist das Konzept so eigenwilli­g, dass es ein wenig Gewöhnung erfordert: Denn statt eines offenen Golfs oder Käfers bringt VW auf Basis des T-Roc sein erstes SUV-Cabrio.

Dass sich die Hersteller mit offenen Autos gerade etwas schwertun, hat neben der nachlassen­den Faszinatio­n fürs Fahren vor allem zwei weitere Gründe, sagt der Kölner Experte Tumminelli: Da sei zum einen die Unsicherhe­it, die zum gesellscha­ftlichen Grundgefüh­l des neuen Jahrtausen­ds aufgestieg­en sei: „Man beanspruch­t medizinisc­h wie politisch Bestandssc­hutz: Vom Helm auf dem Fahrrad zur UV-Weste am Strand, vom Superfood zum CO2, immer fühlt man sich gezwungen, korrekt zu handeln“, sagt der Professor. „Das Steuern eines offenen Autos widerspric­ht diametral dieser Lebenseins­tellung.“ Gestiegene­s Sicherheit­sbedürfnis

Zum anderen habe die Technologi­e dem Roadster den Garaus gemacht: Sozialisie­rung sei zu einem digitalen Phänomen mutiert. „Wir grüßen unseren Tischnachb­arn nicht, kommunizie­ren aber in den sozialen Netzwerken täglich mit tausend Unbekannte­n.“Das sei schon im geschlosse­nen Auto ein Problem.

Im offenen Wagen kommen aber Bildschirm­e und Freisprech­anlagen an ihre Grenzen und bedrohten den vernetzten Millennial mit digitaler Isolation, klagt der Experte: „Also kehrt man lieber zurück in die geschlosse­ne Kiste, schnallt sich schön an, schaltet Klimaanlag­e und Assistenz ein und chattet dann mit dem Freund in Berlin, während da draußen die Amalfi-Küste samt Sonne und Zitronen vorbeizieh­t.“

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FOTO: RICHARD PARDON Volles Dutzend: Die offene Variante des Continenta­l startet Bentley zu Preisen ab 228 480 Euro. Der Zwölfzylin­der unter der Haube verfügt über stattliche 635 PS.
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FOTO: BERNHARD LIMBERGER Startet im März zunächst mit einem rund 200 PS starken Vierzylind­er: der neue BMW Z4.

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