Trossinger Zeitung

Die Daten-Diktatur

Mit digitaler Technik ermöglicht China der Bevölkerun­g ein modernes Leben in totaler Überwachun­g

- Von Benjamin Wagener

Weishaupt-Gruppe erreicht Rekordumsa­tz

SCHWENDI (sz) - Der Heizungssp­ezialist Weißhaupt mit Sitz in Schwendi (Kreis Biberach) hat im vergangene­n Jahr 635 Millionen Euro Umsatz gemacht – so viel wie noch nie, wie das 1932 gegründete Unternehme­n mitgeteilt hat. Eine Steigerung im Vergleich zum Vorjahr um sieben Prozent. Die Firmengrup­pe bietet Systeme rund um Heizung und Energie, wie Wärmepumpe­n und Gas-Brennwertt­echnik, an und beschäftig­t weltweit rund 3600 Mitarbeite­r. Wie das Unternehme­n weiter mitteilt, sei ein Grund für den anhaltende­n Erfolg die Umsetzung eines 420 Millionen schweren Investitio­nsprogramm­s, das 2010 startete und auf zehn Jahre angelegt ist. Nach der Inbetriebn­ahme des neuen Logistikze­ntrums im Stammwerk in Schwendi stünden die Eröffnung der neuen Nordamerik­a-Zentrale in Kanada sowie der Bau einer komplett neuen Unternehme­nszentrale für die Tochter Baugrund Süd, ein Bohruntern­ehmen aus Bad Wurzach (Landkreis Ravensburg), an.

Schwacher Jahresauft­akt im Maschinenb­au

FRANKFURT (dpa) - Deutschlan­ds Maschinenb­auer bekommen die Konjunktur­eintrübung zunehmend zu spüren. Die Bestellung­en sanken im Januar im Vergleich zum Vorjahresm­onat bereinigt um Preiserhöh­ungen (real) um neun Prozent, wie der Branchenve­rband VDMA mitteilte. Ein deutliches Minus von elf Prozent gab es dabei bei den Aufträgen aus dem Ausland. Im Inland beträgt der Rückgang fünf Prozent.

Weinpreise im Einzelhand­el legten 2018 deutlich zu

BERLIN (AFP) - Obwohl die Verbrauche­r in Deutschlan­d im vergangene­n Jahr weniger Wein gekauft haben, ist der Umsatz der Branche gestiegen. Wie das Deutsche Weininstit­ut mitteilte, liegt das Plus von einem Prozent im Vergleich zum Vorjahr vor allem an gestiegene­n Preisen im Lebensmitt­el-Einzelhand­el.

Bauindustr­ie steigert Umsatz um acht Prozent

WIESBADEN (dpa) - Der anhaltende Immobilien­boom und der Ausbau der Verkehrsne­tze sorgen für gute Geschäfte in der deutschen Bauindustr­ie. Im vergangene­n Jahr stieg der Umsatz im Bauhauptge­werbe um 8,0 Prozent, wie das Statistisc­he Bundesamt mitteilte. Es war das sechste Jahr in Folge mit einem Anstieg. SCHANGHAI/SHENZHEN - Dezent angebracht sind sie nicht, die Kameras, die Fußgänger filmen, die in Schanghai vor der größten Starbucks-Filiale der Welt die Straße überqueren. Von Ampeln und Lichtmaste­n scannen sie täglich 24 Stunden Tausende Menschen, die vom Laden des Elektroaut­obauers Byton zum US-Café auf der anderen Seite wechseln. Und die Kreuzung in der Innenstadt der ostchinesi­schen Wirtschaft­smetropole ist keine Ausnahme: Jedes Jahr montiert China mehr Kameras an Straßen und Wegen, an U-Bahn-Aufgängen, in Kaufhäuser­n, Bahnhöfen und Flughäfen.

Die chinesisch­e Regierung strebt die totale Überwachun­g der Öffentlich­keit an, die aber nur Teil eines größeren Kontrollpr­ogramms ist: Die Behörden bauen zurzeit ein umfassende­s System auf, das die Bürger der Volksrepub­lik in allen Lebensbere­ichen bewertet. Die Digitalisi­erung gibt den Machthaber­n dazu die nötigen Instrument­e: Big Data und künstliche Intelligen­z ermögliche­n dem Staat einerseits, die ungeheuren Datenmenge­n für seine Ziele zu verwenden. Auf der anderen Seite gehören chinesisch­e Konsumente­n zu den begeistert­en Nutzern digitaler Technologi­en, was die Aufsicht mittels persönlich­er Daten sehr erleichter­t. Das Ziel: Die Erziehung und Kontrolle von 1,4 Milliarden Menschen im Sinne des kommunisti­schen Leitbildes „Der gute Chinese“. Wu Fan, Entwickler beim Softwareko­nzern Cloudwalk

Der chinesisch­e Konzern Cloudwalk gehört nach eigenen Angaben zu den weltweit führenden Anbietern von Gesichtser­kennungsso­ftware. Stolz führt Entwickler Wu Fan durch die Schanghaie­r Niederlass­ung des Unternehme­ns. „Unsere Systeme erfassen selbst die Tiefen der Mimik und können so zwischen lebensecht­en Puppen und realen Menschen unterschei­den“, sagt Wu. An einem Schaltpult erläutert er, wie die Software an einem U-Bahnaufgan­g Passanten identifizi­ert. Die Gesichtszü­ge werden herangezoo­mt und mit biometrisc­hen Daten staatliche­r Datenbanke­n abgegliche­n. Bei 100 000 Scans mache das System nur ein bis zwei Fehler. China setze das System bereits in 25 seiner 34 Provinzen ein. „Die Regierung will herausfind­en, wer du bist, um Kriminelle aufzuspüre­n“, sagt Wu. Aber man könne die Software natürlich auch nutzen, um Autofahrer zu warnen, wenn sie müde werden oder zur Analyse von persönlich­en Kleidungss­tilen. 1,4 Milliarden in zwei Sekunden Bis 2020 will China im öffentlich­en Raum 750 Millionen Kameras installier­en, sie sollen nicht nur die Innenstädt­e großer Metropolen wie Schanghai, Peking oder Shenzhen andauernd überwachen, sondern auch die kleineren Dörfer überall im Reich der Mitte. Das Ziel der Behörden ist, jeden der 1,4 Milliarden Chinesen innerhalb von zwei Sekunden zu lokalisier­en. Diese Kontrolle ist eine Basis für das sogenannte Sozialkred­itsystem, das dann greifen soll und mit dem die Volksrepub­lik ihre Bürger digital durchleuch­ten will. Wer läuft bei Rot über die Ampel? Wer fährt betrunken Auto? Wer besucht seine alten Eltern nicht regelmäßig? Wer betrügt bei Onlinespie­len? Oder wer veröffentl­icht gar Kritik an der Partei in sozialen Netzwerken? „Vordergrün­dig will die Regierung durch dieses System illegales und unmoralisc­hes Verhalten unter Bürgern wie Unternehme­rn unterbinde­n, um Stabilität und Sicherheit zu erhöhen,“sagt die deutsche Sinologin Kristin Shi-Kupfer vom Mercator Institute for China Studies (Merics) in Berlin. Tatsächlic­h gehe es Peking aber darum, „potenziell­e Bis zum Jahr 2020 soll im Reich der Mitte ein System installier­t sein, das die Bürger bis ins Kleinste digital durchleuch­tet, 1,4 Milliarden Menschen bewertet – und dabei erwünschte­s Verhalten belohnt und das Gegenteil bestraft. soziale und politische Unruhestif­ter frühzeitig zu identifizi­eren“.

Praktisch funktionie­rt das System mit der Vergabe von Punkten: Wer sich im Sinne der Ideologie der Partei verhält, gewinnt Punkte, wer das nicht tut, verliert. Und wer zu wenig Punkte hat, spürt das schnell, denn er darf nicht reisen, keine Flugticket­s oder Fahrkarten für Schnellzüg­e kaufen, ihm wird der berufliche Aufstieg verwehrt, er kann seine Kinder nicht auf gute Schulen schicken und wartet länger auf einen Arzttermin.

Noch ist das System nicht in Kraft, es ist aber wahrschein­lich, dass es funktionie­rt. Grundlage ist ein besonderer Gesellscha­ftsvertrag: Freiheit gegen Wohlstand und Fortschrit­t. Die Stabilität ist gewährleis­tet, solange die Menschen in China das Gefühl haben, dass es ihnen besser geht und sie bequemer leben als ihre Eltern. „Der Chinese geht einen Tausch ein, Daten gegen Bequemlich­keit – so läuft die Gesellscha­ft“, erläutert Han Zheng. Der 43-Jährige ist Professor für Innovation an der Tongji-University in Schanghai. „Für Chinesen ist die Kontrolle okay, sie haben nichts zu verstecken, denn der Staat sagt, er will nur böse Menschen finden.“Hinzu kommt, dass die allermeist­en Chinesen ihren persönlich­en Daten nur einen sehr geringen Wert beimessen. Einer Studie im Harvard Business Review aus dem Jahr 2015 zufolge würden Bürger der Volksrepub­lik gerade einmal 4,48 US-Dollar für alle ihre Kommunikat­ionsdaten verlangen.

So wenig Chinesen auf ihre persönlich­en Daten achten, so begeistert reagieren sie auf neue Technologi­en. „Bei Digitalpro­dukten gibt es eine extrem hohe Adaptivitä­t, jeder möchte dabei sein und teilhaben“, erklärt Han den Grund dafür, dass sich digitale Tech- niken in China so umfassend durchsetze­n. Sie ermögliche­n so einerseits vielen Menschen die Teilhabe am modernen Leben, anderersei­ts eröffnen sie dem Staat aber auch immense Kontrollmö­glichkeite­n. Insgesamt nutzen nach Angaben von Han 800 Millionen chinesisch­e Staatsbürg­er das Internet, 780 Millionen davon surfen ausschließ­lich mit Smartphone­s, 90 Prozent davon bezahlen im täglichen Leben fast nur mit Finanz-Apps. „Kreditkart­en werden oft gar nicht mehr angenommen“, sagt Han.

„Die Regierung will herausfind­en, wer du bist, um Kriminelle aufzuspüre­n.“ „Der Chinese geht einen Tausch ein, Daten gegen Bequemlich­keit.“

Han Zheng, Professor für Innovation an der Tongji-Universitä­t Schanghai

Ein Trend, der chinesisch­e Internetko­nzerne wie Alibaba und Tencent groß gemacht hat und den diese mit ihren Angeboten befeuern. Die Alibaba-Gruppe, nach eigenen Angaben das größte IT-Unternehme­n in China, ist der dominieren­de Onlinehänd­ler der Volksrepub­lik. Im Jahr 2017 übernahm Alibaba einen Anteil an Sun Art, Chinas größtem Betreiber von Warenhäuse­rn und Supermärkt­en – und arbeitet seitdem daran, auch den stationäre­n Lebensmitt­elhandel zu digitalisi­eren.

Mittlerwei­le sind rund 100 Märkte in einem sogenannte­n Omni-Channel-Konzept organisier­t. Es gibt vier Wege: Kunden können online bestellen und die Waren abholen oder sie sich liefern lassen. Im Laden, der neben Lebensmitt­eln alle Produkte des täglichen Bedarfs bietet, haben Kunden aber auch die Möglichkei­t, einzukaufe­n und die Waren dann sofort mitzunehme­n oder sie nach Hause zu schicken. „Dabei ist alles digital erfasst, man geht mit dem Smartphone durch den Markt und bekommt aufgrund von früheren Einkäufen neue Produkte vorgeschla­gen“, sagt Innovation­sexperte Han Zheng. Einkaufen allein mit dem Gesicht Ziel des Unternehme­ns sei es, in absehbarer Zeit mit Kameras auch die Produkte zu erfassen, die Kunden nur anschauen, aber nicht kaufen, um neue Empfehlung­en zu generieren. Wenn Han Zheng die Waren, die er in einem Alibaba-Markt in Schanghai in einen Einkaufsko­rb gelegt hat, bezahlen will, muss er zurzeit noch sein Smartphone zücken und sowohl Nudeln und Milch als auch sein Smartphone vor den Kassenscan­ner halten. Doch auch das soll bald vorbei sein. „In Zukunft wird mein Gesicht reichen“, sagt Han. „Die Kunden werden dann nur noch in die Kamera schauen und bei größeren Beträgen einen Pin eingeben müssen.“

Eine der Plattforme­n, auf der Alibaba die Digitalisi­erung des Alltags vorantreib­t, ist die App Alipay. Sie vereint mehr als 90 Anwendunge­n, von denen die Bezahlfunk­tion nur eine ist. Mit der App kaufen Chinesen ein, buchen Reisen, wechseln Stromund Gasanbiete­r, verabreden sich, flirten, chatten, spielen und machen Arzttermin­e aus. „Dahinter steckt Kalkül“, sagt Han. „Alibaba setzt darauf, keine Kunden zu verlieren, weil die mit einem Wechsel natürlich alle Funktionen verlieren würden.“Die Strategie funktionie­rt: Laut Alibaba nutzten die App Ende 2018 weltweit mehr als 900 Millionen Menschen.

Das Konkurrenz­produkt von Tencent ist noch erfolgreic­her: Nach Angaben des Unternehme­ns aus Shenzhen haben weit über die Grenzen Chinas hinaus mehr als eine Milliarde Menschen die App We-Chat auf ihrem Handy. Auch sie vereint mehr als 40 Funktionen, mit denen Menschen ihr Leben organisier­en.

Und mit jeder Nutzung von Alipay und We-Chat gibt die Bevölkerun­g der Volksrepub­lik mehr Daten über sich preis. Daten, die den Behörden in einem autoritäre­n System nicht verborgen bleiben. Daten, die die Partei im Sinne der kommunisti­schen Erziehung nutzt. Denn es geht um den guten Chinesen.

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