„Für die Frauen, die viele Rechte erkämpft haben“
SPAICHINGEN (yüc) - Schon seit über 100 Jahren gibt es den Weltfrauentag. In diesem Jahr bekommt er besonders viel Aufmerksamkeit, nicht nur in Berlin, in vielen Ländern weltweit ist der Tag der Frau ein gesetzlicher Feiertag. Frauen scheinen emanzipiert wie noch nie, dennoch ist die Anzahl der Politikerinnen im Bundestag gesunken, und immer noch gehen Führungspositionen in Unternehmen zu einem großen Teil an Männer. Wie empfinden Menschen der Region das Frauenbild in der Gesellschaft? Haben Spaichingerinnen Erfahrungen mit Ungleichheit und Sexismus? Wir haben nachgefragt – nicht nur bei den Frauen. „Frauen können alles erreichen“, sagt Fatma Engin. Die 31-Jährige bewundert die Stärke der Frauen, sie könnten sowohl den Haushalt regeln, als auch zur Arbeit gehen, sagt sie. Engin fühlt sich als Frau in der Gesellschaft zwar wohl, dennoch wurde sie bereits mit Sexismus konfrontiert. „Vor drei Jahren habe ich mich für eine Stelle beworben und diese nicht bekommen, weil ich in näherer Zukunft eventuell schwanger werden könnte.“Sie empfindet es als unfair, da Männer mit diesem Problem nicht vertraut seien. Ihrer Vermutung nach befinden sich mehr Männer in Führungspositionen, da sich Frauen häufiger um die Familie kümmern. Sie meint jedoch, dass Frauen teilweise härter arbeiten, weil sie Männern etwas beweisen müssen. Ihr Mann hilft genauso im Haushalt mit wie sie selbst – das ist für sie ein Beispiel für Gleichberechtigung. „Meine Mutter durfte früher nicht arbeiten und kaum raus gehen.“Heute hilft ihre Mutter im Familiengeschäft mit und hat deutlich mehr Freiheiten, sagt Engin. Jedoch bezweifelt sie, dass Frauenrechte überall in dieser Form angekommen sind. Der Frauentag sollte ihrer Meinung nach in ganz Deutschland zu einem gesetzlichen Feiertag gemacht werden, um Frauen zu feiern. „Ich fühle mich als Frau untergeordnet.“Männer würden teilweise als Oberhäupter und Frauen als schwächlich dargestellt, sagt Nicole Kuhn. Ihrer Ansicht nach bestehen noch Vorurteile in der Gesellschaft. Im Internet sei Sexismus immer noch stark vertreten, sagt die 30Jährige. Sie setzt sich für die gleiche Behandlung aller ein. „Keiner soll vorgezogen werden“, sagt Kuhn. „Das Frauenbild ist von Nation zu Nation anders“, sagt Elif Tufan. Sie selbst fühlt sich stark und unabhängig. Die 29-Jährige setzt sich nicht nur für Gleichberechtigung ein, sondern auch für die Meinungsfreiheit. Sie bemängelt den geringen Anteil der Frauen im Bundestag, denn wie soll so die Meinung der Frauen vertreten und berücksichtigt werden, sagt Tufan. Dennoch sind Frauen in ihren Augen emanzipierter als früher. Für Gleichberechtigung würde sie auch protestieren gehen. Michelle Weigel schreibt der Frau keine bestimmte Rolle in der Gesellschaft zu. „Jeder Mensch spielt seine eigene Rolle im Leben“, sagt die 19-Jährige. Ihrer Ansicht nach sind die Bilder von Mann und Frau im stetigen Wandel. Sexistische Äußerungen und Handlungen sind für sie nichts Fremdes, jedoch erinnert sie auch an Männer, denen Sexismus durch Frauen zuteil wurde. „Wenn man wirklich eine Führungsposition will, kann man das auch erreichen, selbst wenn es schwieriger ist als bei einem Mann“, sagt Weigel. Männern werde mehr Vertrauen geschenkt, es heiße, sie seien belastbarer im Beruf, findet Weigel. Sie bezweifelt dennoch nicht, dass manche das frühere Frauenbild noch im Kopf haben und Frauen als „dümmer“ansehen. Sie erzählt von einem höheren Ansehen des Frauentages in Russland. „Ich finde schon, dass man den Tag etwas größer feiern kann. Für die Frauen, die sich in der Vergangenheit viele Rechte erkämpft haben.“„Es ist noch nicht lange her, dass Frauen kein Wahlrecht und generell nicht viel zu melden hatten. Wenn man das mit heute vergleicht, haben wir große Fortschritte gemacht“, sagt Mahir Yüceyurt. Er vermutet, dass für viele weiterhin das Bild einer Rollenverteilung besteht – der Mann geht zur Arbeit und verdient das Geld, die Frau kümmert sich um Haushalt und Kinder. Seiner Meinung nach solle jeder tun, wonach ihm der Sinn steht. „Der Frauentag sollte zum Feiertag ernannt werden, um darauf aufmerksam zu machen, dass Frauen Gleichberechtigung fordern“, sagt Yüceyurt. „Frauen werden einerseits als selbstständiges, andererseits als unterdrücktes Geschlecht betrachtet“, erzählt Julia Till. An Gleichberechtigung sei noch zu arbeiten, meint die 20-Jährige. „Gleichberechtigung ist für mich, nicht zwischen Mann und Frau zu unterscheiden“, sagt sie.
Jahrgang 1938