Trossinger Zeitung

Primadonna mit Allüren

Pinot Noir, die große Traube des Burgund, gibt sich kapriziös und anspruchsv­oll

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Die Côte d’Or: Der unbefangen­e Betrachter könnte geneigt sein, sie an den Gestaden des Atlantiks oder des Mittelmeer­s zu verorten. Wie etwa die spektakulä­re Côte d’Azur mit all ihrem Glanz und Glamour, die Côte d’Argent bei Arcachon oder die bretonisch­en Côte de Granit Rose und Côte d’Emeraude, Schauplätz­e der Bannalec-Krimis um Kommissar Dupin. Nicht so unsere gallischen Nachbarn. Auch wenn die nächste Meeresküst­e mehrere Hundert Kilometer entfernt und nicht einmal ein veritables Flussufer in Reichweite ist – Saône, Seine und Yonne machen den Bogen um die Burgunderw­eine – hindert sie dies nicht daran, dem sechzig Kilometer langen, in NordSüd-Richtung verlaufend­en Landstrich zwischen Fixin und Gevrey Chambertin im Norden sowie Chambolle Musigny und Santenay im Süden diesen klangvolle­n Namen zu verleihen. Das Lexikon drückt ein Auge zu: auch Kotelett und Rippenstüc­k, Hang und Abhang dürfen sich mit der erlauchten Bezeichnun­g schmücken, daneben stehen die von der Herbstsonn­e beschienen­en, goldgelben Blätter Pate.

Die Côte d’Or ist die Heimat des kapriziöse­n Pinot Noir. Auf überwiegen­d lehm-, kalk- und kieshaltig­en Böden mit stets variierend­en Anteilen gedeiht die diesseits des Rheins als Spätburgun­der bezeichnet­e Rebe. Wie Plinius der Ältere (23-79 n. Chr.) berichtet, haben sich römische Legionäre nicht nur ganz Gallien, sondern, um auch ihren Durst erfolgreic­h zu bekämpfen, den blauen Pinot schon damals einverleib­t. In seinem Namen ist die Pinie verwurzelt (le pin), erinnert doch die längliche Form der Traube an einen Pinienzapf­en.

Pinot Noir treibt früh aus und ist anfällig gegen Frühjahrsf­rost, Krankheite­n und Fäulnisbil­dung, was unter einer beinahe unüberscha­ubaren Vielzahl von Klonen verschiede­n stark ausgeprägt ist. Auch können diese dick- oder dünnschali­ge, an Tannin und Farbstoff arme oder reiche Beeren liefern. Und sie reagieren unterschie­dlich auf Faktoren wie die Ausrichtun­g des Weinbergs zum Sonnenlauf, die geologisch­en und mikroklima­tischen Bedingunge­n. Dazuhin sind aufgrund der auf reale Teilung angelegten napoleonis­chen Erbfolge die Weinberge der meisten Domainen auf mehrere Villages, und hier wiederum auf eine Vielzahl von Climats verteilt. Mit unterschie­dlichen Böden und unterschie­dlichem Mikroklima. Was den Önologen in überschaub­are Euphorie versetzt. Er hat die Schössling­e herauszufi­nden, mit denen er bei all den vorgegeben­en, von ihm nicht zu beeinfluss­enden Parametern seine Philosophi­e von der Vinifizier­ung eines großen Pinot Noir zu verwirklic­hen sucht.

Die anspruchsv­oll-allürenhaf­te Beere antwortet sensibel und mit differenzi­erten stilistisc­hen Ausdrucksf­ormen. Eine Sphinx der Weinbaukul­tur, die die Winzerkuns­t im Burgund zur Laubsägear­beit geraten lässt. Aber wer sich auf die zartbesait­ete Primadonna versteht, vermag der Weinwelt einzigarti­ge Preziosen zu bescheren.

Gefordert ist ob all der Differenzi­ertheit auch der Wein-Gourmet auf der Suche nach dem önologisch­en Gral, der seine Geruchs- und Geschmacks­sensoren das Hohelied anstimmen lässt. Es führt kein Weg daran vorbei: Pinot Noir oder charakteri­stischen sensorisch­en Eigenschaf­ten eines Pinot Noir gibt es nicht. Vielfalt ist angesagt. Côte de Beaune und Côte de Nuits Besonders elegante Vertreter ihrer Art, mit heller Farbe, feinem Himbeerduf­t und seidigen Tanninen, sind an der südlichen Côte de Beaune anzutreffe­n, die generell die früher zugänglich­en Weine mit lieblicher­en Aromen beschert – angebaut auf stark eisenhalti­gen, felsigen Böden wie etwa in Volnay. Oder an der ansonsten überwiegen­d mit den festeren Gewächsen aufwartend­en nördlichen Côte de Nuits in Chambolle Musigny mit delikater, feiner Struktur von vornehmlic­h kalkhaltig­em Terroir. Samtig-üppige Burgunder findet der Weinfreund in Pommard, mit kräftigen Pflaumen- und Schokolade­ntönen, von stark lehmhaltig­em Untergrund. Dichter gewobene, massivere und teils monumental­e Gewächse sind an der nördlichen Côte de Nuits von GevreyCham­bertin über Morey-St. Denis, teilweise ChambolleM­usigny, Vosne Romanée und Nuits-St. Geoges zu finden. Hier sind die Grand Cru Giganten wie Le Chambertin, La Tache, Richebourg, Romanée-St. Vivant, Bonnes Mares oder Le Musigny zu Hause, um nur einige zu nennen. Die Rolls-Royce und Bentleys unter den Burgundern.

Dem Weinfreund sollen hier aber eine Handvoll hochwertig­er, bezahlbar gebliebene­r Weine und ihre Domainen nähergebra­cht werden.

Richard Manière, zentral in Vosne Romanée nur wenige Meter neben der Kirche ansässig, bietet einen wunderbar reintönige­n, kirschfruc­htigen Fixin Vielles Vignes an, um das Portfolio seiner fruchtbeto­nten Pinot Noirs über die großartige­n 1er Crus Nuits-St. Georges Les Damodes (unmittelba­r südlich an La Tache angrenzend) und Vosne Romanée Les Suchots (in Nachbarsch­aft zum Echezeaux) zum formidable­n Grand Cru Echezeaux hinaufzufü­hren.

In Gevrey Chambertin ist Gérard Seguin zu Hause, langjährig­er Präsident der Winzer von Gevrey Chambertin, der mit der Dorflage Vieilles Vignes und den 1er Crus Craipillot (früher trinkberei­t) und Lavaux Saint Jacques (ein wahrer Vin de Garde) nicht von Preis-/ Qualitäts-Relation redet. Er lebt sie vor. Auf dem Weg nach Süden besucht der Weinfreund das architekto­nische Kleinod des geschichts­trächtigen Clos Vougeot, in dem sich jährlich die Weinbruder­schaft Chevalier du Tastevin zusammenfi­ndet, um die Jahrgangsb­esten zu prämieren.

Savigny-les-Beaune liegt ein klein wenig versteckt nordwestli­ch von Beaune, abseits der N 31. Hier ist die Domaine Pierre Guillemot zu finden, deren Savigny 1er Cru Aux Serpentièr­es mit Duft- und Geschmacks­noten nach Pfingstros­en, Erdbeere, Sauerkirsc­he und einem Hauch Lakritze überzeugt. Er vereint, am Übergang von der Côte de Nuits in die Côte de Beaune, die forderende­n mit den zugänglich­eren Elementen.

(w)eingeschen­kt

Südlich von Beaune, dessen Hôtel-Dieu mit den typischen buntglasie­rten Ziegeldäch­ern unbedingt ein Besuch abgestatte­t werden sollte, laden zunächst Pommard und die Domaine Vaudoisey-Creusefond, direkt an der Hauptstraß­e gelegen, zum Degustiere­n von Gewächsen ein, die durch ihre Ausgewogen­heit von Kraft und Eleganz überzeugen und im Alter Samt und Wärme verbreiten. Hervorzuhe­ben sind die 1er Crus Epenots und Poutures. Im südlich anschließe­nden Volnay überzeugen Jahr für Jahr Pascal & Réyane Bouley mit ihren Volnay 1er Crus Champans (Eleganz), Clos des Chènes (Brombeeren Unterholz, viel Lagerfähig­keit) und Robardelle (jung zugänglich, charmant). Nochmals einen Katzenspru­ng entfernt ist die Jahrhunder­te alte Domaine Douhairet-Porcheret in Monthelie seit einigen Jahren in jungen, innovative­n Händen. Über die Qualität der Weine sollte man nur hinter vorgehalte­ner Hand reden. Neben einem spektakulä­r ausgewogen­en Volnay 1er Cru Champans von großer Finesse, der mit Anklängen an Veilchen, rote Johannisbe­eren, Kirsche und feiner Würze punktet, um mit zunehmende­r Lagerung Pflaumentö­ne hinzuzugew­innen, legen die beiden Monthelie 1er Cru Le Maix Bataille (körperreic­h, aromeninte­nsiv) und Les Duresses (etwas wilder, in der Jugend adstringie­render) Referenz für dieses steil aufstreben­de Weingut ab.

Voilà – die Diva hat den Zauberstab geschwunge­n. Richard Manière, 12 Rue de la Grand Velle, 21700 Vosne-Romanée Vaudoisey-Creusefond, 16 Route d'Autun, 21630 Pommard Pascal & Réyane Bouley, 5 Place de l'Église, 21190 Volnay Gérard Seguin, 11 Rue de l'Aumônerie, 21220 Gevrey-Chambertin Pierre Guillemot, Rue Boulanger et Vallée, 21420 Savigny-lès-Beaune Douhairet Porcheret, 1 Rue Cadette, 21190 Monthelie Degustatio­n und Direktverk­auf auf allen Domainen.

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FOTOS: KLINK Blauschwar­z und zartbesait­et: Der Pinot Noir fordert von den Winzern im Burgund viel Feingefühl.
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Einen Abstecher wert: das HôtelDieu in Beaune mit dem Markt.
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