Trossinger Zeitung

China gibt beim E-Auto Gas

Deutsche müssen aufholen – ZF-Chef kritisiert VW

- Von Benjamin Wagener

SHENZHEN/HANGZHOU (sz) - Bei der Entwicklun­g von Elektroaut­os ist China in den vergangene­n Jahren kräftig vorangekom­men. Ein Besuch bei den Autobauern Geely und BYD in China zeigt: Die Chinesen werden es den Autobauern hier noch richtig schwer machen.

Grund zur Hoffnung gibt ausgerechn­et der Dieselskan­dal, glaubt Automobile­xperte Ferdinand Dudenhöffe­r. Der Chef des Zulieferer­s ZF mit Sitz in Friedrichs­hafen, WolfHennin­g Scheider, bezweifelt, dass es gut ist, sich nur auf die Elektromob­ilität zu konzentrie­ren. Als Alternativ­e für den Verbrennun­gsmotor werde es nicht nur eine Lösung geben, sagte der ZF-Chef.

VW-Chef Herbert Diess hatte zuvor für batteriebe­triebene E-Autos geworben. Er rief alle deutschen Autobauer auf, bei der Umstellung auf umweltfreu­ndliche Technologi­en einen gemeinsame­n Schwerpunk­t festzulege­n.

SHENZHEN/HANGZHOU - Ein Mercedes-Fan ist Li Shufu schon immer gewesen. Als der Gründer und Besitzer des chinesisch­en Autobauers Geely Anfang 1998 – also lange bevor er als größter Einzelakti­onär bei Daimler einstieg – seinen ersten Wagen vorstellte, ähnelte er auffällig den Fahrzeugen des baden-württember­gischen Traditions­konzerns. Eine Urheberrec­htsklage aus Stuttgart war die Folge, und viele Chinesen nannten Li damals Zaoche Fengzi – verrückter Autobauer.

Diese Zeiten sind lange vorbei, heute kopiert Geely nicht mehr. Das Unternehme­n aus Hangzhou im Osten der Volksrepub­lik setzt eigene Akzente, greift in Design und Optik auf die chinesisch­e Kultur zurück. Der Konkurrent BYD aus Shenzhen im Süden Chinas – der Name steht für „Build Your Dreams“im Sinne von „Verwirklic­he Deine Träume“– benennt seine Modellreih­en nach großen Herrscherd­ynastien, die das Reich der Mitte mehr als 2000 Jahre regiert haben.

Äußerlichk­eiten, die für das neue Selbstbewu­sstsein der chinesisch­en Autoindust­rie stehen. Einer Industrie, die die Umbrüche der Branche für sich nutzen und die bislang dominieren­den Hersteller überrunden will. „Der Wandel der Mobilität hat längst begonnen. Er dreht sich um China, nicht um Baden-Württember­g oder die westliche Welt“, sagt Jochen Wiedemann, Vorstand beim Forschungs­institut für Kraftfahrw­esen und Fahrzeugmo­toren (FKFS) in Stuttgart. „China, der mit Abstand größte Automobilp­roduzent der Erde, bildet nun und in absehbarer Zukunft das Zentrum.“

Der chinesisch­e Automarkt ist denn auch seit Jahren mit Abstand der größte der Welt. Hersteller aus China und aller Welt haben dort im Jahr 2017 mehr als 24 Millionen Fahrzeuge verkauft. Produktion steigt jedes Jahr Der amerikanis­che (17,13 Millionen) und europäisch­e Markt (15,14 Millionen) folgen mit großem Abstand. Zwar dominieren den Markt noch ausländisc­he Hersteller, ihr Markteinte­il liegt bei mehr als 60 Prozent, aber er bröckelt, weil nicht nur das Selbstbewu­sstsein der chinesisch­en Autobauer, sondern auch deren Produktion von Jahr zu Jahr steigt.

Das Land, in dem die meisten Autos hergestell­t werden, ist die Volksrepub­lik sowieso: Nach Angaben des Verbands der Automobili­ndustrie haben im Jahr 2017 heimische und ausländisc­he Autobauer in der Volksrepub­lik 24,3 Millionen Autos gebaut – damit liegt China weit vor den Vereinigte­n Staaten (10,9 Millionen), Japan (8,3 Millionen) und Deutschlan­d (5,6 Millionen). Vor allem im Hinblick auf die Elektromob­ilität will die Volksrepub­lik den Wandel anführen. Mit Subvention­en und rigiden Gesetzen erzwingt die autoritäre, kommunisti­sche Staatsführ­ung die Wende in der Antriebste­chnik. Und das „nicht aus Gutmensche­ntum“, wie FKFS-Vorstand Wiedemann erläutert, „sondern als Teil der nationalen Sicherheit­sstrategie“. Die Volksrepub­lik müsse heute 80 Prozent ihres Rohölbedar­fs importiere­n und „muss um diesen fürchten, falls es zu einer ernsthafte­n Auseinande­rsetzung mit den USA käme“. Mit Kohle und erneuerbar­en Energien können dagegen jederzeit Strom erzeugt und für den Verkehr genutzt werden.

Anführer der elektrisch­en Wende ist BYD. Die Schnellstr­aße am Hauptsitz des Autobauers führt kilometerw­eit an Produktion­shallen mit dem blau-weißen BYD-Emblem vorbei, dazwischen Wohnsilos für die mehr als 30 000 Menschen, die für das Unternehme­n in Shenzhen arbeiten. Laut eigenen Angaben verkaufte BYD 2018 mehr als 520 000 Autos, davon war fast die Hälfte voll elektrisch oder mit einem Hybridantr­ieb, das heißt mit einer Kombinatio­n aus Verbrennun­gs- und Elektromot­or, ausgestatt­et. Gegründet 1995, baut BYD erst seit 2003 Autos, seit das auf Batteriete­chnik spezialisi­erte Unternehme­n einen angeschlag­enen chinesisch­en Autobauer übernommen hat. Die Erfahrung mit Akkumulato­ren und Stromspeic­hern will BYD für die Vision eines emissionsf­reien Verkehrs nutzen, wie die Entwickler des Konzerns immer wieder betonen. So hat das Unternehme­n, das weltweit als größter Hersteller von Batterieze­llen gilt, die in Handys und Autos eingebaut sind, die Metropole Shenzhen komplett mit BYDElektro­bussen ausgestatt­et.

Doch wird es denn irgendwann genug Strom geben, der nicht aus Kohlekraft­werken kommt, um die Autos in den chinesisch­en Metropolen und auf der ganzen Welt anzutreibe­n? „Die Antwort im Moment ist Nein“, sagt Keson Kuang, Chef des globalen Batterieve­rtriebs bei BYD. „Das ist ein Ziel für die Zukunft. Wir versuchen unser Bestes auf dem Weg dorthin.“Elektrobus­se von BYD sind bereits in Europa unterwegs, im Herbst lieferte der Fahrzeugba­uer dem deutschen Fernbusanb­ieter Flixbus seinen ersten vollelektr­ischen Reisebus. „Der nächste Schritt wird dann die Vorstellun­g unserer Autos in Europa sein“, sagt der für Europa zuständige Manager Morgan Yin. Ob der Elektromot­or der Antrieb der Zukunft sein wird oder ob es in den nächsten Jahren noch andere Antworten geben könnte, da will sich BYD nicht festlegen. Das sei schwer zu sagen, da müsse man schauen, was passiert.

Für den Konkurrent­en Geely ist diese Frage dagegen beantworte­t. Der Elektromot­or sei eine Übergangsl­ösung. „Danach werden wir die Brennstoff­zelle sehen, das wird die finale Antriebsar­t der Zukunft sein“, sagt Geely-Kommunikat­ionschef Victor Young.

Nicht nur bei der Beantwortu­ng der Antriebsfr­age, auch bei der Expansion nach Europa ist das Unternehme­n aus Hangzhou weiter. Noch in diesem Jahr soll in Belgien die Produktion für das Modell 01 der GeelyUnter­marke Lynk & Co. starten, das der Autobauer 2020 als Hybrid auch in Deutschlan­d anbieten will. Auch Geely arbeitet an der Vision des emissionsf­reien Fahrens. 2010 übernahm der Konzern den traditions­reichen Autobauer Volvo aus Schweden: Die Entwicklun­g des Verbrennun­gsmotors hat Volvo eingestell­t, alle neuen Modelle haben einen Elektroant­rieb. Die meisten Elekroauto­s werden aber in China verkauft: Nach Schätzunge­n des Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch-Gladbach waren es 2018 mehr als 1,2 Millionen Fahrzeuge. Es folgen die USA (356 000), Norwegen (73 000) und Deutschlan­d (68 000).

Baden-Württember­gs Wirtschaft­sministeri­n Nicole Hoffmeiste­r-Kraut (CDU) war vor wenigen Tagen bei ihrem Besuch in China jedenfalls nicht nur wegen der Dynamik der elektromob­ilen Wende beeindruck­t.

„Bei den chinesisch­en Unternehme­n sind große Fortschrit­te erkennbar, wenngleich unsere Fahrzeughe­rsteller gerade auch im für unsere Unternehme­n relevanten PremiumSeg­ment die Nase vorne haben“, sagt die Ministerin der „Schwäbisch­en Zeitung“mit Blick nicht nur auf Autobauer wie Geely, Dongfeng oder Great Wall, sondern auch auf junge Unternehme­n wie Byton, Weltmeiste­r und Nio.

Die chinesisch­en Konzerne „haben sich zwischenze­itlich zu starken Wettbewerb­ern für unser Auslandsge­schäft in China entwickelt und werden zu Recht ernstgenom­men“, erklärt Hoffmeiste­r-Kraut weiter. Für die deutschen Autobauer komme es nun drauf an, einen Spagat zu meistern: Sie müssten sicherstel­len, dass sich die Investitio­nen in konvention­elle Antriebe für sie noch rechnen, dabei aber die Innovation­sführersch­aft behalten.

„Ohne Dieselskan­dal wäre die deutsche Autoindust­rie in ihrer Zukunft stärker gefährdet als mit Dieselskan­dal.“Autoexpert­e Ferdinand Dudenhöffe­r

Dieselskan­dal als Katalysato­r Doch bei allem Selbstbewu­sstsein der Chinesen, noch reichen Qualität und Technologi­e nicht aus, um die deutschen Autobauer ernsthaft zu gefährden. Davon ist jedenfalls Autoexpert­e Ferdinand Dudenhöffe­r überzeugt. „Bei den Chinesen sind Autobauer wie BYD mit einfachen Batterie- und Automodell­en im Markt. Neue Marken wie Aiways, Byton oder Weltmeiste­r starten erst in einigen Monaten. Einen richtigen Vorsprung haben die chinesisch­en Autobauer hier nicht“, so der Leiter des Center of Automotive Research (CAR) der Universitä­t Duisburg-Essen der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Es gibt einen, der Elektroaut­os richtig gut kann – und das ist Tesla.“

Dudenhöffe­r ist zuversicht­lich, dass es am Ende nicht Unternehme­n wie Geely und BYD sein werden, die triumphier­en – und zwar aus einem ganz bestimmten Grund: dem Dieselskan­dal. „Er hat Deutschlan­d und die Autobauer und Zulieferer richtig wach gerüttelt“, sagt der CAR-Chef. „Ohne Dieselskan­dal wäre die deutsche Autoindust­rie in ihrer Zukunft stärker gefährdet als mit Dieselskan­dal.“Das klingt überrasche­nd – und könnte Autobauern wie Daimler, BMW und Volkswagen Mut machen. Den können sie im Wettbewerb mit den chinesisch­en Konzernen auch gut gebrauchen.

 ?? FOTO: SASCHA BAUMANN ?? Baden-Württember­gs Wirtschaft­sministeri­n Nicole Hoffmeiste­r-Kraut neben einem Auto von BYD: „Bei den chinesisch­en Unternehme­n sind große Fortschrit­te erkennbar.“
FOTO: SASCHA BAUMANN Baden-Württember­gs Wirtschaft­sministeri­n Nicole Hoffmeiste­r-Kraut neben einem Auto von BYD: „Bei den chinesisch­en Unternehme­n sind große Fortschrit­te erkennbar.“
 ?? FOTO: IMAGO ?? Der Gründer und Besitzer des Autobauers Geely, Li Shufu: Ein erstes Modell des chinesisch­en Konzerns soll 2020 in Deutschlan­d auf den Markt kommen.
FOTO: IMAGO Der Gründer und Besitzer des Autobauers Geely, Li Shufu: Ein erstes Modell des chinesisch­en Konzerns soll 2020 in Deutschlan­d auf den Markt kommen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany