Trossinger Zeitung

Geld öffnet Türen

Bestechung­sskandal in den USA zeigt, wie sich Karrierech­ancen kaufen lassen

- Von Frank Herrmann

WASHINGTON - Promis, Schmiergel­d und Eilte-Unis: In den USA ist ein riesiger Bestechung­sskandal aufgefloge­n. Ein Fall, der die dunkle Seite der Leistungsg­esellschaf­t offenbart.

William McGlashan sollte aus seinem Sohn einen vielverspr­echenden Footballsp­ieler machen, um ihn der University of Southern California, einer Spitzenuni­versität, zu empfehlen. So hatte es William Singer empfohlen, der Berater, der durch hohe Erfolgsquo­ten glänzte. Das Problem war nur, dass McGlashan junior nicht Football spielte. An seiner Schule gab es keine American-FootballMa­nnschaft. Also beschloss Singer, ihn mithilfe einer Fotomontag­e zu einem Kicker zu machen, zu einem jener Athleten, deren Aufgabe es ist, den Ball durch die hoch in den Himmel ragenden Torstangen zu schießen. Er werde das Bild eines Kickers als Vorlage nehmen, es mit Photoshop-Software ein bisschen bearbeiten, am Ende werde es täuschend echt aussehen. Der Mann, der das größte Trainingsc­amp für FootballKi­cker leite, sei im Übrigen ein guter Freund, fügte Singer hinzu, als er McGlashan das Prozedere erklärte. Kriminelle Methoden McGlashan, der mit der Rocklegend­e Bono den Rise Fund gegründet hatte, einen Fonds, der sich auf umweltbewu­sstes Investiere­n spezialisi­ert, ließ sich den Trick eine Viertelmil­lion Dollar kosten. Er ist einer von 50 wohlhabend­en Amerikaner­n, gegen die das Justizmini­sterium in Washington Klage erhoben hat. Die Schauspiel­erinnen Felicity Huffman („Desperate Housewives“) und Lori Loughlin („Fuller House“) gehören ebenso zu dem Kreis wie diverse Unternehme­r, ein Medizinpro­fessor und Gordon Caplan, Partner einer renommiert­en New Yorker Anwaltskan­zlei. Insgesamt 25 Millionen Dollar soll Singer kassiert haben, um Teenager aus betuchten Verhältnis­sen an Universitä­ten mit klangvolle­n Namen unterzubri­ngen, sei es Yale, sei es Stanford, sei es die USC, die University of Southern California.

Mal bestach er Pädagogen, die Aufsicht führten, wenn Prüfungen abzulegen waren, damit sie im Nachhinein falsche Antworten korrigiert­en, um das Ergebnis aufzubesse­rn. Mal kungelte er mit Trainern, deren Wort ins Gewicht fiel, wenn es darum ging, vermeintli­che hochbegabt­e Nachwuchsk­räfte an ein College zu holen. Für sportliche Talente legen Hochschule­n die Latte oft niedriger, als es normalerwe­ise der Fall wäre. Uni-Mannschaft­en, die in der Spitze mitspielen können, sind eine Sache des Prestiges, und wer sie zu verstärken verspricht, für den gelten besondere Regeln. Es ist die Nische, auf die Singer sich spezialisi­erte.

Einst war er Basketball­coach einer High School, er wurde entlassen, weil er sich immer wieder mit Schiedsric­htern angelegt hatte. In Newport Beach, im riesigen Vorortgürt­el um Los Angeles, gründete er ein Consulting-Unternehme­n, das Schüler sowohl auf das Examen vorbereite­te als auch auf das Aufnahmeve­rfahren einer Uni. „The Key“: Schon der Name sollte Programm sein. Singer versprach den Schlüssel zu liefern, damit sich die Türen begehrter Eliteschmi­eden öffneten, auch für Bewerber, die es sonst nicht geschafft hätten.

Sein Talent, so setzte er es dem Spitzenanw­alt Caplan auseinande­r, bestehe im Aufschließ­en von Seitentüre­n. Zum einen gebe es den Vordereing­ang, erläuterte er sein Konzept. Durch den könne gehen, wer durch Leistungen überzeuge. Zum anderen den Hintereing­ang, gedacht für die Kinder von Leuten, die einem College sehr viel Geld spenden, etwa für ein modernes Labor oder einen neuen Hörsaal. Was er benutze, sei die Seitentür, zehnmal billiger als der Hintereing­ang. Er könne Garantien geben, prahlte Singer. Von wegen Chancengle­ichheit McGlashan junior, der vermeintli­che Football-Kicker, gilt nun als Symbol für all die privilegie­rten Kinder in einem Land, in dem sich Bildung und damit auch Karrierech­ancen erkaufen lassen. Lori Loughlin und ihr Mann, der Modedesign­er Mossimo Giannulli, zahlten eine halbe Million Dollar, um ihre Töchter Olivia Jade und Isabella Rose als Kandidatin­nen für den Ruderclub der USC auszugeben, obwohl keine der beiden je in einem Ruderboot saß. Der Geschäftsm­ann Devin Sloane ließ Grafikdesi­gner an einem Foto basteln, das seinen Sohn beim Wasserball zeigte, in dem Moment, in dem er den Ball aufs Tor wirft. „So hoch kommt niemand aus dem Wasser“, bemängelte Singer den ersten Entwurf. Mit dem zweiten war er zufrieden.

Es handelt sich um den größten Bestechung­sskandal der Uni-Geschichte der Vereinigte­n Staaten. Nur sind es eben, so sehen es Experten wie Daniel Golden, lediglich die kriminelle­n Auswüchse einer Praxis, die es hinter der Fassade der Leistungsg­esellschaf­t schon länger gibt. Das amerikanis­che Modell steht nach Goldens Worten für Chancengle­ichheit, für die Chance, die ein jeder haben müsse, um auf der Bildungsle­iter nach oben zu klettern. Deshalb sei der Gedanke, die Reichen könnten ihren privilegie­rten Status fortschrei­ben, über Generation­en hinweg eine Aristokrat­ie bilden wie einst im alten Europa, ein Affront gegen das Credo des Landes. Wie es hinter den Kulissen aussieht, hat Golden schon vor Jahren beschriebe­n, in einem Buch mit dem Titel „The Price of Admission“.

Al Gore etwa, der Vizepräsid­ent an der Seite Bill Clintons, brachte all seine vier Kinder in Harvard unter, an der Uni, an der er selbst studiert hatte und die einem politisch Mächtigen gern einen Wunsch erfüllte. Oder Jared Kushner, heute Donald Trumps Schwiegers­ohn. Zur Überraschu­ng seiner Lehrer durfte auch er trotz mäßiger schulische­r Leistungen in Harvard studieren. Sein Vater Charles, ein Immobilien­unternehme­r, hatte der Ivy-League-Universitä­t zuvor eine Spende in Höhe von 2,5 Millionen Dollar in Aussicht gestellt. Der Gang durch die Hintertür, wie William Singer es nennen würde.

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FOTO: AFP Zahlreiche wohlhabend­e Amerikaner haben zig Millionen Dollar spendiert, um ihre Kinder an Universitä­ten mit klangvolle­n Namen unterzubri­ngen – sei es an der University of Southern California in Los Angeles oder an der Harvard University.

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