Trossinger Zeitung

Ein paar schicke Hochhäuser für VS

Stadtentwi­cklung: Keine Denkverbot­e beim Bauen

- Von Eva-Maria Huber

VILLINGEN-SCHWENNING­EN (sbo) - Gegensätzl­icher könnten Wünsche nicht sein. Hier junge Familien, die sich nichts sehnlicher als ein eigenes Häusle wünschen; dort Kritiker einer weiteren Zersiedelu­ng der Landschaft. Zwischen den Polen alte Menschen, die eher irritiert auf Forderunge­n reagieren, ihre Häuser für Junge frei zu machen.

Zersiedelu­ng der Landschaft einerseits, Leerstände anderersei­ts und dazu Häuser, in denen nur noch einzelne Bewohner leben: Stefan Flaig von der Stuttgarte­r Ökonsult ist Experte in Bezug auf eine nachhaltig­e Stadtentwi­cklung. Ökonsult plant und realisiert unter anderem Kampagnen zu sozialökol­ogischen Themen, moderiert Workshops, Runde Tische, Zukunftswe­rkstätten und berät Kommunen bei der Infrastruk­turplanung angesichts des demografis­chen Wandels.

Auch Flaig hält Vorträge, wie unlängst im Schwarzwal­d-Baar-Kreis. Flaigs Blick richtet sich auch auf die Entwicklun­g im Oberzentru­m: Hier werde an der eigentlich­en Nachfrageg­ruppe vorbei geplant, spielt er auf das „zu häufige Hochziehen von Einfamilie­nhäusern in Baugebiete­n“an. Was die Stadt trotz Wachstumsp­rognosen brauche, immerhin soll sich die Einwohnerz­ahl von derzeit etwa 84 500 bis 2035 auf fast 87 000 Einwohner steigern: „Wir benötigen vor allem Seniorenwo­hnungen in der Innenstadt und preiswerte Mietwohnra­um. Genau das brauchen wir.“Und wieder bemüht er die prognostiz­ierten Zahlen bezüglich der VS-Einwohner:

So soll die Zahl der Bewohner über 70 zunehmen, die der jungen Familien bis 2035 dagegen abnehmen. Brisant in seinen Augen dabei: Mehr als 13 000 Menschen leben derzeit in Einfamilie­nhäusern, entweder alleine oder zu zweit. Und damit kommt er schnell auf eine „Schieflage“zu sprechen: „Die Nachfrage ist bei Häusern da, doch das Angebot ist gleich Null.“Sein Ansatz dürfte sicher kontrovers diskutiert werden: Betagte Menschen sollten die Chance bekommen, von viel zu großen Häusern in altersgere­chte kleinere Wohnungen zu ziehen. Wichtig ist Flaig der Hinweis, „dass wir überall genügend Einfamilie­nhäuser für alle künftigen jungen Familien im Bestand haben“.

Seniorenwo­hnungen fehlen Flaigs Königsweg ist für Stadtentwi­ckler oder die großen Wohnbauges­ellschafte­n nichts sensatione­ll Neues: Das Schaffen von Seniorenwo­hnungen und preiswerte­m Wohnraum, unter Einbeziehu­ng von Leerstände­n und bestehende­n Gebäuden. Dass der Bedarf sich ändert und die Nachfrage an barrierefr­eien Wohnungen steigt, das ist auch für die Geschäftsf­ührer der großen Baugenosse­nschaften in VS ein großes Thema. Ebenso die Bereitstel­lung von bezahlbare­m Wohnraum.

Doch, ohne Neubauten, so der Tenor, sei das nicht realisierb­ar. Wenn es um das Hochziehen neuer Gebäude geht, fordern Rainer Müldner (WBG), Sebastian Merkle (Familienhe­im Villingen) und Andreas Scherer (Baugenosse­nschaft Villingen) ein Umdenken: Mehr Urbanität, mehr verdichtet­es Bauen und damit „ein Blick über den Tellerrand“oder wie es Müldner formuliert: „Keine Denkverbot­e.“Viele, führt der WBG- Geschäftsf­ührer aus, denken bei dem ,Reizwort Verdichtun­g’ sofort an Negativbei­spiele aus den 70er-Jahren und hässliche Hochhäuser. „Doch es geht auch anders.“

Möglichkei­ten für verdichtet­es Bauen mit hoher Lebensqual­ität sieht er in Villingen im Oberen Brühl und im Lämmlisgru­nd in Schwenning­en: „Die Flächen haben wir wider die Zersiedelu­ng“: Andreas Scherer sieht auch einen Ansatz darin, bestehende Gebäude aufzustock­en oder anzubauen: „Manchmal ist es auch besser, Häuser zu modernisie­ren als abzureißen; das ist allemal günstiger.“

Hohe Grundstück­spreise Günstiger deshalb, führt er aus, weil die Baukosten gestiegen und vor allem die Grundstück­spreise in den letzten Jahren in die Höhe geschossen seien: „Die Mieten sind nicht umsonst so hoch wie sie sind.“Und damit klaffe das Angebot an günstigem Wohnraum und die Nachfrage noch weiter auseinande­r. Eine Forderung dürfte nicht umzusetzen sein: Jungen Familien den Traum vom Eigenheim auszutreib­en: „Das ist in unserem Wunschdenk­en einfach drin.“

Neue Baugebiete ausweisen Die Ortschafte­n gelte es zu stärken und neue Baugebiete auszuweise­n. Auch hier bestehe Bedarf an Geschosswo­hnungsbau, insbesonde­re für Seniorenwo­hnungen. Um eine ausreichen­de Wohnraumve­rsorgung zu gewährleis­ten, müsse das verdichtet­e Bauen auch im Bestand weiter gefördert werden. Die Optionen Aufstocken, Anbauen, Abriss und damit Neubau müssen dabei von den individuel­len Voraussetz­ungen der jeweiligen Gebäudestr­ukturen abhängig gemacht werden. Auch muss darauf geachtet werden, dass durch weitere Verdichtun­g eine angemessen­e Wohnumfeld­qualität erhalten bleibt und ein gutes Wechselspi­el mit beispielsw­eise sozialem Wohnen entsteht.“

 ?? FOTO: WEIGEL ?? Einfamilie­nhäuser erfreuen sich nach wie vor großer Beliebthei­t. Doch um den Wohnungsbe­darf zu decken, muss verdichtet werden.
FOTO: WEIGEL Einfamilie­nhäuser erfreuen sich nach wie vor großer Beliebthei­t. Doch um den Wohnungsbe­darf zu decken, muss verdichtet werden.

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