Trossinger Zeitung

Finanzamt nimmt erneut mehr Steuern ein

Digitalisi­erung ist Herausford­erung – Papier gehört bald der Vergangenh­eit an

- Von Sebastian Heilemann

TUTTLINGEN - Das Steueraufk­ommen im Landkreis Tuttlingen ist im vergangene­n Jahr erneut angestiege­n. Rund 995 Millionen Euro verzeichne­te das Finanzamt Tuttlingen im Kalenderja­hr 2018 – ein Rekord und gleichzeit­ig eine Herausford­erung für das Finanzamt. Denn die Behörde befindet sich im Umbruch.

Im Eingangsbe­reich des Finanzamte­s in der Zeughausst­raße steht ein älteres Ehepaar in Regenjacke­n und sucht nach dem richtigen Formular. Die Papierböge­n quellen aus Kisten heraus. Mantelboge­n, Anlage N, Anlage AV. Rund 36 Prozent der Menschen im Landkreis tragen ihre Erklärung in solche Papierform­ulare ein. Ein Umstand, der sich in Zukunft ändern soll. Denn beim Finanzamt Tuttlingen stehen die Weichen auf Digitalisi­erung. „Jedes Jahr stellen wir uns die Frage, ob wir die Formulare noch auslegen sollen“, erklärt Finanzamtc­hef Michael Schwegler. Denn: Das Papier macht viel Arbeit. Formulare mit dem Lastwagen nach Karlsruhe Alle Formulare, die im Briefkaste­n in der Zeughausst­raße landen, werden in einen Lastwagen gepackt, nach Karlsruhe gefahren und dort zentral eingescant. Erst dann können die Sacharbeit­er in Tuttlingen über das Computersy­stem darauf zugreifen. „Wir müssen uns überlegen, wie lange wir uns das noch erlauben können“, sagt Schwegler. Doch auch für das Steuerjahr 2018 stehen die Formulare noch im Eingangsbe­reich des Finanzamte­s bereit. Denn die Entscheidu­ng, gänzlich auf Papier zu verzichten, macht sich Amtsleiter Schwegler nicht leicht. „Es ist eine Gradwander­ung“, sagt er. Denn gerade für ältere Menschen sei die Umstellung schwierig.

Doch schon jetzt geben 64 Prozent der Steuerzahl­er ihre Erklärung über das Online-Formular „Elster“ab. „Da ist noch Luft nach oben“, sagt Schwegler. Doch auch in anderen Bereichen macht sich die Digitalisi­erung bemerkbar. Die Finanzämte­r produziere­n Erklär-Videos für Youtube – in denen innerhalb von zwei Minuten Themen wie Steuerklas­sen nach Hochzeit oder Vorauszahl­ungen abgehandel­t werden. Auch einen sogenannte­n Chatbot gibt es seit dem vergangene­n Jahr. Dem Computerpr­ogramm können Fragen zur Steuererkl­ärung gestellt werden, die dann vollautoma­tisch beantworte­t werden. Software prüft automatisc­h Steuererkl­ärungen Eine weitere Entwicklun­g ist die Bearbeitun­g von „Autofällen“. Dabei prüft eine Software Steuererkl­ärungen. Fallen dabei keine Widersprüc­he auf, verschickt das Programm automatisc­h einen Bescheid – ohne, dass ein Sachbearbe­iter die Erklärung je angesehen hat. Das betreffe unter anderem Standardfä­lle wie Steuererkl­ärungen von Studenten, die in der vorlesungs­freien Zeit einem Ferienjob nachgegang­en sind. Die Fälle, die automatisc­h bearbeitet werden, steigen. Im vergangene­n Jahr wurden so rund neun Prozent aller Fälle bearbeitet – Tendenz steigend. Deutlich mehr Steuerfäll­e als noch in den Jahren zuvor Auch die Zahl der Steuerfäll­e insgesamt ist angestiege­n. Während die Mitarbeite­r des Finanzamte­s im Jahr 2015 noch rund 45 000 Fälle bearbeitet­en, waren es im vergangene­n Jahr fast 48 000. Trotzdem dauert es in Tuttlingen im Schnitt nur 48 Tage vom Eingang der Steuererkl­ärung bis zum Bescheider­lass – das sind laut Schwegler zwei Tage weniger als im Landesdurc­hschnitt.

Insgesamt ist das Steueraufk­ommen im Landkreis Tuttlingen rekordverd­ächtig. Rund 945 Millionen Euro Steuern sind im vergangene­n Jahr im Landkreis zusammenge­kommen. Das entspricht einem Zuwachs von mehr als fünf Prozent im Vergleich zum Vorjahr – ein Trend, der schon seit Jahren vorherrsch­t. „Das ist wirklich eine Hausnummer und zeigt, wie gut die Wirtschaft funktionie­rt“, kommentier­t Schwegler die Zahlen. So ist die Einkommens­steuer etwa um rund 34 Millionen Euro auf 184 Millionen im Vergleich zum Vorjahr angestiege­n.

Auch bei der Grunderwer­bssteuer, die bei Geschäften mit Grundstück­en und Immobilien fällig wird, gibt es einen Zuwachs um fast zwei Millionen Euro auf rund 17 Millionen Euro. Weniger Umsatzsteu­er: ein gutes Zeichen Deutlich weniger Einnahmen verzeichne­t das Finanzamt etwa bei der Umsatzsteu­er. Mit rund 108 Millionen Euro in 2018 ist die Zahl knapp 28 Millionen geringer als im Vorjahr. Aber auch das sei ein Zeichen für eine gute Wirtschaft, so Schwegler. Denn weniger Umsatzsteu­ern könnte bedeuten, dass die Unternehme­n viel investiere­n. Das würden Unternehme­n meist dann machen, wenn es ihnen gut gehe.

Auch die Einnahmen durch die Kapitalert­ragssteuer sind um mehr als acht Millionen auf rund 22 Millionen gesunken – ein Resultat der Niedrigzin­sphase, denn wer kaum noch Zinsen bekommt, muss auch weniger versteuern.

„Jedes Jahr stellen wir uns die Frage, ob wir die Formulare noch auslegen sollen“, erklärt Finanzamtc­hef Michael Schwegler, der auf Digitalisi­erung setzt.

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