Finanzamt nimmt erneut mehr Steuern ein
Digitalisierung ist Herausforderung – Papier gehört bald der Vergangenheit an
TUTTLINGEN - Das Steueraufkommen im Landkreis Tuttlingen ist im vergangenen Jahr erneut angestiegen. Rund 995 Millionen Euro verzeichnete das Finanzamt Tuttlingen im Kalenderjahr 2018 – ein Rekord und gleichzeitig eine Herausforderung für das Finanzamt. Denn die Behörde befindet sich im Umbruch.
Im Eingangsbereich des Finanzamtes in der Zeughausstraße steht ein älteres Ehepaar in Regenjacken und sucht nach dem richtigen Formular. Die Papierbögen quellen aus Kisten heraus. Mantelbogen, Anlage N, Anlage AV. Rund 36 Prozent der Menschen im Landkreis tragen ihre Erklärung in solche Papierformulare ein. Ein Umstand, der sich in Zukunft ändern soll. Denn beim Finanzamt Tuttlingen stehen die Weichen auf Digitalisierung. „Jedes Jahr stellen wir uns die Frage, ob wir die Formulare noch auslegen sollen“, erklärt Finanzamtchef Michael Schwegler. Denn: Das Papier macht viel Arbeit. Formulare mit dem Lastwagen nach Karlsruhe Alle Formulare, die im Briefkasten in der Zeughausstraße landen, werden in einen Lastwagen gepackt, nach Karlsruhe gefahren und dort zentral eingescant. Erst dann können die Sacharbeiter in Tuttlingen über das Computersystem darauf zugreifen. „Wir müssen uns überlegen, wie lange wir uns das noch erlauben können“, sagt Schwegler. Doch auch für das Steuerjahr 2018 stehen die Formulare noch im Eingangsbereich des Finanzamtes bereit. Denn die Entscheidung, gänzlich auf Papier zu verzichten, macht sich Amtsleiter Schwegler nicht leicht. „Es ist eine Gradwanderung“, sagt er. Denn gerade für ältere Menschen sei die Umstellung schwierig.
Doch schon jetzt geben 64 Prozent der Steuerzahler ihre Erklärung über das Online-Formular „Elster“ab. „Da ist noch Luft nach oben“, sagt Schwegler. Doch auch in anderen Bereichen macht sich die Digitalisierung bemerkbar. Die Finanzämter produzieren Erklär-Videos für Youtube – in denen innerhalb von zwei Minuten Themen wie Steuerklassen nach Hochzeit oder Vorauszahlungen abgehandelt werden. Auch einen sogenannten Chatbot gibt es seit dem vergangenen Jahr. Dem Computerprogramm können Fragen zur Steuererklärung gestellt werden, die dann vollautomatisch beantwortet werden. Software prüft automatisch Steuererklärungen Eine weitere Entwicklung ist die Bearbeitung von „Autofällen“. Dabei prüft eine Software Steuererklärungen. Fallen dabei keine Widersprüche auf, verschickt das Programm automatisch einen Bescheid – ohne, dass ein Sachbearbeiter die Erklärung je angesehen hat. Das betreffe unter anderem Standardfälle wie Steuererklärungen von Studenten, die in der vorlesungsfreien Zeit einem Ferienjob nachgegangen sind. Die Fälle, die automatisch bearbeitet werden, steigen. Im vergangenen Jahr wurden so rund neun Prozent aller Fälle bearbeitet – Tendenz steigend. Deutlich mehr Steuerfälle als noch in den Jahren zuvor Auch die Zahl der Steuerfälle insgesamt ist angestiegen. Während die Mitarbeiter des Finanzamtes im Jahr 2015 noch rund 45 000 Fälle bearbeiteten, waren es im vergangenen Jahr fast 48 000. Trotzdem dauert es in Tuttlingen im Schnitt nur 48 Tage vom Eingang der Steuererklärung bis zum Bescheiderlass – das sind laut Schwegler zwei Tage weniger als im Landesdurchschnitt.
Insgesamt ist das Steueraufkommen im Landkreis Tuttlingen rekordverdächtig. Rund 945 Millionen Euro Steuern sind im vergangenen Jahr im Landkreis zusammengekommen. Das entspricht einem Zuwachs von mehr als fünf Prozent im Vergleich zum Vorjahr – ein Trend, der schon seit Jahren vorherrscht. „Das ist wirklich eine Hausnummer und zeigt, wie gut die Wirtschaft funktioniert“, kommentiert Schwegler die Zahlen. So ist die Einkommenssteuer etwa um rund 34 Millionen Euro auf 184 Millionen im Vergleich zum Vorjahr angestiegen.
Auch bei der Grunderwerbssteuer, die bei Geschäften mit Grundstücken und Immobilien fällig wird, gibt es einen Zuwachs um fast zwei Millionen Euro auf rund 17 Millionen Euro. Weniger Umsatzsteuer: ein gutes Zeichen Deutlich weniger Einnahmen verzeichnet das Finanzamt etwa bei der Umsatzsteuer. Mit rund 108 Millionen Euro in 2018 ist die Zahl knapp 28 Millionen geringer als im Vorjahr. Aber auch das sei ein Zeichen für eine gute Wirtschaft, so Schwegler. Denn weniger Umsatzsteuern könnte bedeuten, dass die Unternehmen viel investieren. Das würden Unternehmen meist dann machen, wenn es ihnen gut gehe.
Auch die Einnahmen durch die Kapitalertragssteuer sind um mehr als acht Millionen auf rund 22 Millionen gesunken – ein Resultat der Niedrigzinsphase, denn wer kaum noch Zinsen bekommt, muss auch weniger versteuern.
„Jedes Jahr stellen wir uns die Frage, ob wir die Formulare noch auslegen sollen“, erklärt Finanzamtchef Michael Schwegler, der auf Digitalisierung setzt.