Verkehrsminister Scheuer plant Klage gegen Österreich
Straßensperrungen und Blockabfertigung empören CSU-Politiker – Tiroler gelassen
MÜNCHEN/WIEN (dpa) - Deutschland und Österreich gelten als gute Nachbarn, doch beim Verkehr hört die Freundschaft auf: Probleme bei der Lkw-Abfertigung, Fahrverbote in Tirol und permanenter Streit bestimmen den Ton. Nun bereitet das Bundesverkehrsministerium – kurz nach dem Scheitern der deutschen Pkw-Maut – eine Klage gegen Österreich vor. Dies erklärte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) am Montag in München. „Zutiefst diskriminierend“sei die sogenannte Blockabfertigung von Lkw sowie die Sperrung von Tiroler Landstraßen für den Ausweichverkehr. In Österreich wird die Empörung mit Schulterzucken quittiert.
Tirols Landeschef Günther Platter sieht der möglichen Klage gelassen entgegen. „Unsere Maßnahmen sind zu 100 Prozent EU-rechtlich gedeckt“, sagte er am Montag. Aus seiner Sicht sei es sinnvoller, an Maßnahmen für die Bevölkerung zu arbeiten statt an einer Klage. „Wir haben diese Maßnahmen nicht aus Jux und Tollerei verhängt, es sind vielmehr Notmaßnahmen, um die Verkehrsund Versorgungssicherheit in unserem Land zu gewährleisten.“Immer wieder – meist an erwartbar verkehrsreichen Tagen – lässt Tirol nur bis zu 300 Lkw pro Stunde aus Bayern Richtung Innsbruck durchfahren, um die eigene Autobahn zu entlasten. Dadurch stauen sich Lkw auf deutschen Straßen auf vielen Kilometern vor der Grenze. Seit einigen Tagen stoppt Tirol zudem durchreisende Autos, die etwa wegen Staus oder der Maut die Autobahn vermeiden wollen. Die Maßnahme soll an allen Wochenenden bis Mitte September gelten.
Scheuer, der nach dem Maut-Aus unter Druck steht, sagte, er habe für die Klage alles in die Wege geleitet. Er müsse diese aber noch in der Koalition besprechen. Einen Zeitplan gibt es dafür noch nicht. Zunächst muss das Kabinett zustimmen.
Tatsächlich ist der Streit um Transitfragen zwischen Deutschland und Österreich nicht neu. Bayern und Tirol zanken sich seit bald zehn Jahren um den Brenner-Basistunnel für den Eisenbahngüterverkehr von Norden nach Süden. Während in Österreich seit 2007 gebaut wird, ist in Deutschland noch nicht einmal endgültig beschlossen, ob eine neue zweigleisige Strecke überhaupt gebaut wird. Hier sieht auch CSU-Chef Markus Söder Fehler auf deutscher Seite: Um das hohe Verkehrsaufkommen im Inntal zu verringern, will er wie Scheuer einen Teil des Verkehrs auf die Schiene verlagern. Doch genau daran hapert es seit Jahren. Platter rechtfertigt die Lkw-Blockabfertigung genau mit dieser Verzögerung von deutscher Seite.
MÜNCHEN - Es lief schon besser für die CSU. Das von der Partei seit Jahren gegen zahllose Bedenken und Widerstände durchgedrückte Projekt Pkw-Maut ist gescheitert, und das kleine österreichische Bundesland Tirol piesackt die bayerische Staatsregierung mit immer neuen Beschränkungen des Transitverkehrs. Auf der monatlichen Sitzung des Parteivorstands in München sagte CSU-Chef und Ministerpräsident Markus Söder, was Politiker in solchen Fällen zu sagen pflegen: „Wir müssen jetzt nach vorne schauen.“
Doch es drohen weitere Probleme – besonders für den CSU-Bundesverkehrsminister. Andreas Scheuer muss in dieser Woche dem Bundestag berichten, wie viele Steuermillionen durch das Ende der Maut in den Sand gesetzt wurden. Es wäre „völlig spekulativ“, jetzt Zahlen zu nennen, sagte Scheuer am Rande der CSU-Sitzung. Der Bund dürfe aber jetzt keine weiteren Fehler begehen, indem er sich durch die Veröffentlichung der Inhalte der Verträge schadenersatzpflichtig mache. Die Bundestagsfraktionen von FDP und Grünen dringen aber auf Einsicht in die Unterlagen aus dem Ministerium. Scheuer hingegen bedauert die „Einnahmeausfälle in Milliardenhöhe“für seinen Etat, nachdem der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Maut als rechtswidrig gestoppt hat.
„Die Maut ist vom Tisch“, bestätigte Ministerpräsident Söder. „Natürlich ist das ärgerlich und tut der CSU auch weh.“Eines scheint der CSU-Chef aus dem Projekt gelernt zu haben: Die Motivation, nur Ausländer zur Kasse zu bitten, war zu kurz gedacht. Wenn man eine neue Infrastrukturabgabe aufs Gleis setze, so Söder, dann mit einer „nachhaltigen ökologischen Lenkungswirkung“. Und wohl, ohne die deutschen Autofahrer entsprechend zu entlasten.
Derweil eskaliert bereits der nächste Streit mit Österreich – vor allem mit dem Bundesland Tirol. Mit allen Mitteln sucht die schwarz-grüne Landesregierung in Innsbruck den Transitverkehr über den Brenner zu begrenzen. Und wie zuvor Österreich im Maut-Streit, beruft sich nun die CSU auf eine vermeintliche Unvereinbarkeit mit EU-Recht. Verkehrsminister Scheuer bereitet deswegen eine Klage zum Europäischen Gerichtshof (EuGH) vor. Dabei geht es um zwei Punkte. Erstens die Blockabfertigung von Lastwagen, die auf der deutschen Inntalautobahn A 93 bei Kufstein lange Rückstaus bis hin zur A 8 verursacht. Und die jüngsten Autobahn-Umgehungsverbote für Autos rund um Innsbruck, die womöglich noch auf die Bezirke Reutte und Kufstein ausgeweitet werden könnten. Scheuer warf dem Tiroler Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) vor, aus dem Thema eine „richtige Politkampagne“gemacht zu haben. Wenn sich jeder so verhielte wie Tirol, müsse man den Warenverkehr in Europa einstellen. Kabinett müsste zustimmen CSU-Chef Markus Söder begrüßte Scheuers Vorgehen ausdrücklich. Es könne nicht sein, dass der EuGH die geplante deutsche Pkw-Maut gestoppt habe und gleichzeitig in Österreich „die Durchfahrt abgeriegelt“werde. Die Maßnahmen haben nach Ansicht Söders den Hauptzweck, sicherzustellen, dass „auch wirklich jeder zahlt“. Bayern werde im Gegenzug aber keine Fahrverbote für Autobahnumfahrungen in die Wege leiten. Diese hätten „keine Wirkung“, würden den Autofahrern weiter schaden und wären „albern“.
Sollte Deutschland Klage gegen das EU-Mitglied Österreich erheben, müssten zunächst alle Mitglieder des deutschen Bundeskabinetts dem zustimmen – was bislang nicht sichergestellt ist. Stimmt die Ministerrunde zu, muss zunächst die EU-Kommission mit dem Thema befasst werden. Diese hat insgesamt drei Monate Zeit für eine Stellungnahme. Anschließend kann Klage zum EuGH erhoben werden – auch wenn die Kommission keine Stellungnahme abgegeben hat.