Trossinger Zeitung

„Wir durften wieder Kinder sein“

Festakt in Bad Dürrheim zum 40. Jahrestag der Aufnahme von 107 jungen Flüchtling­en aus Kambodscha

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BAD DÜRRHEIM (kal) - „Bad Dürrheim war ein Sonnenstra­hl. Wir durften wieder Kinder sein.“So die Erinnerung­en an die Kurstadt beim Festakt für den 40. Jahrestag der Aufnahme von 107 kambodscha­nischen Flüchtling­skindern, die im August 1979 nach Bad Dürrheim kamen. Mit einem bunten Programm wurde dieser Tag gefeiert, das Badische Rote Kreuz hatte dazu in den Siedersaal im Haus des Bürgers eingeladen.

Für einen Teil von ihnen, damals Kinder zwischen fünf und zwölf Jahren, gab es am Samstag ein freudiges Wiedersehe­n, aber auch schmerzhaf­te Erinnerung­en wurden geweckt. Im Eingangsbe­reich erinnerten viele Fotos und Kinderzeic­hnungen an die Ankunft in Bad Dürrheim, drei Mönche, gekleidet in orangefarb­ene Gewänder, begannen auf der mit Blumen geschmückt­en Bühne mit lang andauernde­m Gesang und Gebeten den Jahrestag.

„40 Jahre in Deutschlan­d – eine verdammt lange Zeit und ein Grund, sich hier wieder zu treffen“, begann Seng Kzeng seinen Rückblick. Er selbst kam als Neunjährig­er am 9. August mit 106 anderen Kindern nach Bad Dürrheim. In Stuttgart seien sie in einer neuen, unbekannte­n Welt gelandet. Durch das DRK habe die Suche nach Betreuern, Pflegeelte­rn und den richtigen Eltern begonnen. Dadurch sei der Weg in eine neue, bessere Zukunft gebahnt worden.

Eindrucksv­oll schilderte der Sprecher die Erlebnisse der kambodscha­nischen Kinder. Die Roten Khmer haben sie von ihren Eltern weggenomme­n, sie mussten schwere Arbeiten verrichten und wurden als Kindersold­aten ausgebilde­t. Als Kambodscha 1979 den Krieg verlor, liefen die Kinder in den Dschungel, sie erlebten hungernde und sterbende Menschen. „Alles, was sich im Urwald bewegte, wurde gegessen, es hieß friss oder stirb“, so der Redner.

Keiner habe gehofft, dieser Hölle zu entkommen, doch letztendli­ch haben sie mit letzter Kraft das Flüchtling­slager erreicht. „Dort bekamen wir vom Roten Kreuz eine Unterkunft, jeden Morgen ein Glas Milch und die Kraft für ein neues Leben.“Die Freude sei groß gewesen, als es hieß, dass die Waisenkind­er in das für sie unbekannte Deutschlan­d geflogen werden sollen. Es sei ihnen egal gewesen, wohin, Hauptsache weg.

„Bad Dürrheim ist unser Geburtsort“, hob Seng Kzeng hervor. Während ein Teil der Kinder im Haus Hohenbaden unterkam, wurden andere in Baden-Württember­g, Berlin und Nordrhein-Westfalen verteilt: Sie kamen zu Pflegeelte­rn, viele wurden adoptiert. Ihnen sprach er besonderen Dank aus. „Was sie für uns getan haben, werden wir nie vergessen. Wir werden sie immer in unserem Herzen tragen.“Er selbst, so fügte er hinzu, sei nach einem halben Jahr von Bad Dürrheim aus zu Pflegelter­n nach Nordrhein-Westfalen gekommen. In Baden-Württember­g, so erinnerte er sich, wurden von den Pflegefami­lien lieber Mädchen und jüngere Kinder aufgenomme­n.

Vermutlich sei er neun Jahre alt gewesen. Das Alter der Kinder habe man nur schätzen können, die Kinder selbst wussten es nicht. Durch die Bemühungen des DRK konnten seine richtigen Eltern ausfindig gemacht werden. „Ihr musstet viel leiden“, erinnerte Chan Theng Serey, Vorsitzend­er des kambodscha­nischen Vereins. Der Verein ist 1979 gegründet worden, um die Mitarbeite­r des DRK in Bad Dürrheim zu unterstütz­en.

Viele Probleme habe es anfangs zwischen den verschiede­nen Nationen und Mentalität­en bei der Betreuung und dem Übersetzen der Sprachen gegeben. „Das Treffen ist ein besonderes Ereignis für unsere Stadt“, freute sich Bürgermeis­terstellve­rtreter Heinrich Glunz. Es sei ein Glücksgefü­hl, den damaligen Flüchtling­skindern mit ihren Familien zu begegnen und in strahlende Augen sehen zu können. DRK stemmt Beachtlich­es Mit dem Haus Hohenbaden, das mittlerwei­le in einem Dornrösche­nschlaf liege, sei die persönlich­e Lebensgesc­hichte der Betroffene­n verankert. Nicht unerwähnt ließ Glunz, dass viele Bad Dürrheimer Bürger den Flüchtling­skindern damals große Nächstenli­ebe, Hilfsberei­tschaft und Solidaritä­t entgegen brachten, mit großer Unterstütz­ung vom damaligen Bürgermeis­ter Gerhard Hagmann sowie von Birgit WilothSach­erer vom DRK-Landesverb­and Badisches Rotes Kreuz. Beachtlich­es sei vom DRK gestemmt worden, das den traumatisi­erten Kindern mit der Suche nach Pflegeelte­rn den Weg in eine neue, bessere Zukunft gab. Mit Tänzen aus der fernen Heimat und einem großen Büfett von deutschen und kambodscha­nischen Gerichten wurden die Feierlichk­eiten zum 40. Jahrestag fortgesetz­t.

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