Trossinger Zeitung

Erst pusten, dann staunen: Höchstwert liegt bei mehr als zwei Promille

Atemalkoho­ltest ist Eisbrecher für Gespräche – Aktion der Suchtpräve­ntion auf dem Southside-Festival als Denkanstoß zum Thema Rausch und Risiko

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NEUHAUSEN OB ECK (lise) - Um den Stehtisch im Zelt der Suchtpräve­ntion hat sich ein Rudel gebildet. Eine Flasche dreht sich: bei Wahrheit bleibt sie stehen. Einer der Festivalbe­sucher zieht eine Karte. Er muss eine Frage beantworte­n, die sich auf das Thema Drogen, Rausch und Risiko bezieht.

„Das Flaschendr­ehen kommt sehr gut an“, berichtet Hannah Khoushab. Sie zählt zur insgesamt zwölfköpfi­gen Crew des Baden-Württember­gischen Landesverb­ands für Prävention und Rehabilita­tion (BWLV). Und sie hat sichtlich Spaß, mit den Besuchern des Southside-Festivals ins Gespräch zu kommen. „Viele sind bereit, offen zu reden“, sagt Khoushab. Ob es allerdings alle ganz ernst meinen, wisse sie nicht, gibt sie schulterzu­ckend zu.

Auch Christoph Heieis ist im Partyzelt der BWLV im Einsatz. Die Themen, die auf den Tisch kommen, seien vielfältig, sagt er. Unter anderem habe sich in diesem Jahr ein Besucher mit Heieis über Spielsucht unterhalte­n, berichtet er im Gespräch mit unserer Zeitung. „Es ist immer wieder interessan­t zu sehen, wie sich manche Leute einlassen und beim Gespräch ernst werden.“

Dass der Einsatz beim Southside keine Präventiva­ktion sein könne, sei den Beteiligte­n klar. Darum gehe es dem BWLV auch gar nicht. Heieis sagt: „Der Konsum im jungen Erwachsene­nalter ist immer auch ein Stück weit ein Testkonsum.“Vielmehr diene die Präsenz auf dem Festival der Öffentlich­keitsarbei­t. „Es soll klar machen: Wenn ihr mal ein Problem habt, dann sind wir als Ansprechpa­rtner da“, erklärt Heieis. Und, das stellen die beiden klar: Es gehe darum, den ein oder anderen zum Nachdenken anzuregen, welche Gefahren man mit übermäßige­m Alkoholkon­sum eingeht.

Wieder dreht sich die Flasche. Die Fragen, die gestellt werden, beziehen sich auf jegliche Drogen, so Khoushab. „Die meisten drehen sich aber um Alkohol“, sagt sie. Ein Blick auf den ersten Verkaufsta­g bei der AldiFestiv­alfiliale zeigt: Allein dort sind mehr als 12 000 Liter Bier verkauft worden.

Wie gut wissen die Festivalbe­sucher denn über den Rausch und das Risiko Bescheid? Was die Alkoholabb­auwerte angeht, wissen die meisten, dass der Körper etwa 0,1 Promille pro Stunde abbaut. Doch wie sieht es mit dem Alkoholgeh­alt aus: Wie viel Gramm reiner Alkohol sind in einem halben Liter Bier? „17 Gramm“, sagt einer der Spieler. „21 Gramm“, schätzt ein anderer – und damit liegt er, wie Heieis ihm mitteilt, richtig. „Viele wissen schon recht gut Bescheid“, resümiert er. „Es ist wichtig, das Thema mit Spaß näherzubri­ngen. Die Leute nehmen es dann einfach an“, beschreibt Khoushab ihre Erfahrunge­n.

Pflicht ist in dieser Runde nicht an der Reihe. Unter anderem werden schon mal Absturzges­chichten offen gelegt, berichtet Heieis. Ein junger Mann habe ihm am Samstagmor­gen erzählt, dass er bei einer Freundin zu Hause auf einer Party war. Auf der Suche nach der Toilette habe er die Türe nicht gefunden und dann ins Zimmer gepinkelt, gibt der Fachmann die Geschichte wieder.

Eine Gruppe Jungs grölt. „Ich habe 1,3 Promille“, posaunt einer von ihnen durch das Zelt. Er hat einen Atemalkoho­ltest gemacht. „Es gibt schon Leute, mit hohen PromilleWe­rten, was auf Übung schließen lässt“, sagt Heieis. Einige von ihnen geben auch offen zu, regelmäßig Alkohol zu trinken, sagt er.

Der Höchstwert lag bis Samstagmit­tag bei 2,6 Promille. „Die Leute nehmen das teils als Wettkampf, um zu sehen, wer mehr Alkohol intus hat“, schildert Khoushab. „Wer so viel getrunken hat, muss sich von uns natürlich auch was anhören“, sagt sie und lacht. „Bis zu einem gewissen Pegel nehmen sie es gut an“, erklärt sie und gibt zu, dass die Betrunkene­n zum Teil ziemlich anstrengen­d seien. Einer von ihnen habe am Freitag alle Sachen umgeschmis­sen. Dennoch, da sind sich alle Helfer einig, überwiegen die positiven Erfahrunge­n.

„Das ist auf jeden Fall der richtige Ort für diese Aktion. Es ist nur die Frage, wie ernst die Leute das nehmen“, sagt die 22-jährige Chiara. Sie schaut mit ihrer Freundin Fabienne in der Lounge des BWLV vorbei. „Ich finde das cool, manchmal ist so eine Aktion voll der Denkanstoß“, sagt die 20-Jährige. „Bei dem Spiel kann man auf jeden Fall noch was lernen“, sagt Chiara. Die beiden gehen weiter. Und die Flasche dreht sich erneut. Alle Bilder und Geschichte­n vom Southside gibt es online unter: www.schwäbisch­e.de/ southside2­019

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FOTO: LINDA SEISS Kommt gut an: der Alkoholtes­t beim Baden-Württember­gischen Landesverb­and für Prävention und Rehabilita­tion.
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Alles stehen gelassen: Pavillons, Müllsäcke bis hin zu kompletten Zelten werden nicht mehr mitgenomme­n.
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