Trossinger Zeitung

Jenseits der Bazooka

- Von Klaus Wieschemey­er

Als Vizekanzle­r Olaf Scholz und Wirtschaft­sminister Peter Altmaier vor anderthalb Wochen eine „Bazooka“für die Wirtschaft versprache­n, amüsierte das noch einige Beobachter. Allzu martialisc­h erschien manchen der von Mario Draghi entlehnte Vergleich eines Hilfspaket­s mit der Panzerbüch­se. Am Montag verkniffen sich Scholz und Altmaier den „Bazooka“-Vergleich. Denn angesichts des nun anrollende­n Corona-Hilfspaket­s wirkt die Waffe nahezu niedlich. Zumal – um im Bild zu bleiben – nicht nur Deutschlan­d aus allen Rohren feuert, um die befürchtet­e „Mutter aller Rezessione­n“irgendwie zu vermeiden.

Die Staaten, die es können, mobilisier­en Billionen, um eine Lähmung von Wirtschaft und Gesellscha­ft zu verhindern. Insbesonde­re die Bundesregi­erung lässt keinen Zweifel daran, dass der Staat bereit ist, viel weiter zu gehen als bisher – und das betrifft nicht nur die individuel­len Freiheitsr­echte, die aktuell massiv eingeschrä­nkt sind. Die Schuldenbr­emse ist ausgesetzt, Verstaatli­chungen sind ebenso denkbar wie Beschlagna­hmungen. Der lange für seine Unbeweglic­hkeit belächelte und verächtlic­h gemachte Staat zeigt nicht nur Stärke beim Einschränk­en von Freiheiten. Er greift in der Krise auch in viele Bereiche ein, die ihm lange Zeit nicht sonderlich wichtig schienen: Plötzlich ist Geld da für Kliniken, für die alleinerzi­ehende Berufstäti­ge, für den in der Existenz bedrohten Kleinstunt­ernehmer und den von feindliche­n Heuschreck­en bedrohten Konzern.

Wie unsere Gesellscha­ft nach dieser Krise aussieht, ist noch nicht abzusehen. Doch sie wird eine andere sein. Die politische Kraftmeier­ei des Staates und die Hilfspaket­e werden Deutschlan­d ebenso verändern wie die Erfahrung einer plötzlich herunterge­dimmten Gesellscha­ft. Die Politik wird vor der Herausford­erung stehen, von der Bazooka zu lassen. Es wird darum gehen, Wirtschaft und Bürgern Freiheiten zurückzuge­ben. Wenn es gelingt, gleichzeit­ig aus der Krise zu lernen und loszulasse­n, könnte uns die Zeit nach Corona eine bessere Welt und einen besseren Staat bescheren.

k.wieschemey­er@schwaebisc­he.de

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