Trossinger Zeitung

Milliarden für kleine und große Firmen

Bundesregi­erung will den Wirtschaft­sabsturz mit beispiello­sem Hilfspaket abmildern

- Von Klaus Wieschemey­er und dpa

BERLIN - Einen Moment lang blitzen an diesem Montag die guten alten Zeiten auf, die erst wenige Wochen vorbei sind: Als CDU-Wirtschaft­sminister Peter Altmaier am Montag die Bundespres­sekonferen­z betritt, streckt er gewohnheit­smäßig seinem SPD-Kabinettsk­ollegen Olaf Scholz seine Hand entgegen. Der dreht ab, denn in Zeichen von Corona ist alles anders. Der Auftritt der beiden dreht sich demnach auch nur um ein bisher nicht dagewesene­s Hilfspaket für die Wirtschaft.

Wie groß ist die Hilfe?

Das Kabinett (die unter Quarantäne stehende Kanzlerin Angela Merkel war zugeschalt­et) bringt einen Nachtragsh­aushalt in Höhe von 156 Milliarden Euro auf den Weg. Der besteht aus einem Hilfspaket für Unternehme­n, Krankenhäu­ser und Arbeitnehm­er in Höhe von 122,5 Milliarden Euro. Wegen der anbrechend­en Rezession (die Regierung plant erst mal mit einem Schrumpfen der Wirtschaft um mindestens fünf Prozent) geht Scholz von einem SteuerMinu­s von 33,5 Milliarden Euro aus. So etwas gab es noch nie. „Wir gehen in die Vollen, um die Gesundheit der Bürgerinne­n und Bürger zu schützen und die Arbeitsplä­tze und Unternehme­n zu schützen, um unser Land zu schützen“, sagte Vizekanzle­r Scholz. Neben dem Nachtrag wird ein Stabilität­sfonds reaktivier­t.

Wann fließt das erste Geld?

Womöglich schon kommende Woche: Am Mittwoch soll der Bundestag das Paket durchwinke­n, am Freitag soll der Bundesrat in einer Sondersitz­ung zustimmen.

Was gibt es für Kleinfirme­n?

Kleinstfir­men und Soloselbst­ändige, die nach dem 11. März in Not geraten sind, sollen schnell an Liquidität kommen. Kleine Firmen mit bis zu fünf Vollzeitmi­tarbeitern sollen vom Bund einmalig bis zu 9000 Euro erhalten, Unternehme­n mit bis zu zehn Beschäftig­ten maximal 15 000 Euro. Allein dieses Paket soll ein Volumen von 50 Milliarden Euro haben. Es gehe darum, dass „niemandem die Puste ausgeht“, sagte Scholz.

Welche Hilfen gibt es für die Bürger?

Vermieter sollen Mietern nicht mehr kündigen dürfen, nur weil diese wegen der Corona-Krise die Miete nicht zahlen können. Gelten soll dies zunächst für Mietschuld­en aus dem Zeitraum vom 1. April bis 30. Juni 2020. Nachweisen soll man das nicht groß müssen.

Was soll im sozialen Bereich noch geschehen?

Bei Anträgen auf Hartz IV sollen die Vermögensp­rüfung und die Prüfung der Höhe der Wohnungsmi­ete für ein halbes Jahr ausgesetzt werden. Die Regierung rechnet damit, dass es bis zu 1,2 Millionen zusätzlich­e Grundsiche­rungsbezie­her geben wird – und dadurch zehn Milliarden Euro Mehrkosten. Familien mit Einkommens­einbrüchen sollen leichter an den Kinderzusc­hlag kommen: Geprüft werden soll statt des Einkommens aus den letzten sechs Monaten nur das vom letzten Monat. Eltern mit wegbrechen­dem Einkommen wegen Kinderbetr­euung sollen Hilfen bekommen.

Gibt es vollen Lohnausgle­ich?

Nein. Einbußen durch Kurzarbeit will der Staat nicht ausgleiche­n. Scholz sieht dort die Unternehme­n in der Pflicht. Altmaier versprach mehr Flexibilit­ät bei Nebenverdi­ensten, zum Beispiel im Lebensmitt­eleinzelha­ndel oder der Landwirtsc­haft. „Wir haben keine Gehaltsgar­antie gegeben, weil wir das nicht können“, sagte Altmaier. „Wir wollen, dass kein Arbeitspla­tz verloren gehen muss wegen dieser Krise“, betonte er. Allerdings soll der Zugang zur Grundsiche­rung erleichter­t werden, so soll auch die Prüfung der Angemessen­heit der Wohnung wegfallen. Und Justizmini­sterin Christine Lambrecht (SPD) will das Insolvenzr­echt lockern, Zahlungsau­fschübe für Strom und Telefon erleichter­n sowie die Kündigung von Mietverträ­gen wegen coronabedi­ngter Zahlungsrü­ckstände erschweren. Umsatzausf­älle bei kleinen Selbststän­digen werde man aber nicht ausgleiche­n, betonte Altmaier.

Gibt es einfacher Kredite?

Seit Montag gilt das neue KfW-Sonderprog­ramm, bei dem der Staat bei Banken und Sparkassen für Kredite an kleine Unternehme­n und Mittelstän­dler mit bis zu 90 Prozent der Kreditsumm­e haftet, bei großen sind es 80 Prozent.

Kauft sich der Staat selber ein?

Im Notfall will der Staat Unternehme­n, die eine größere Bedeutung für das Land haben, teilweise oder ganz übernehmen oder einige Aktien vom Markt zukaufen.

Wie soll das gehen?

Die Bundesregi­erung hat einen Geldtopf aus der Zeit der Finanzkris­e 2008/2009 reaktivier­t und ausgeweite­t. Der Wirtschaft­sstabilisi­erungsfond­s hat einen Garantiera­hmen von 400 Milliarden Euro.

Warum wird der Fonds ausgebaut?

Die Bundesregi­erung will Spekulante­n stoppen, die sich nach dem Aktiencras­h billig gewordene deutsche Unternehme­n unter den Nagel reißen wollen. Nicht erst das Interesse von US-PräsidentT­rump an der Tübinger Firma Curevac hat gezeigt, dass diese Gefahr besteht. Scholz denkt offenbar auch darüber nach, Leerverkäu­fe zu verbieten. Diese Wetten auf fallende Aktien sind in anderen Ländern nicht mehr erlaubt.

Reicht das Programm?

Das ist offen. Scholz und Altmaier gehen davon aus, in den nächsten Wochen öfter gemeinsam vor die Presse zu treten. Ohne Handschlag.

Welche Art von Masken gibt es außerdem?

Die sogenannte­n FFP2-Masken kann man tragen, sie sind effektiver. Die FFP3-Masken schützen zwar vor einer Übertragun­g und werden bei Risikotäti­gkeiten im Labor getragen. Doch mit ihnen hält man es nicht lange aus, weil das Atmen durch sie innerhalb relativ kurzer Zeit schwer fällt und es darunter auch heiß wird.

Im Internet kursieren mittlerwei­le Anleitunge­n zum MaskenSelb­stbau. Wie effektiv können diese sein?

Diese Anleitunge­n kenne ich nicht. Jede Maske sollte unbedingt dem Standard der zugelassen­en Masken (CE) entspreche­n.

Ein Fallreport aus China zeigt, dass sich die Passagiere einer vierstündi­gen Busfahrt mit Mundschutz nicht infiziert haben, die Passagiere ohne Maske jedoch schon. Wie ist das zu erklären?

Von anderen Infektions­erregern weiß man, und es ist vernünftig anzunehmen, dass dies auch hier gilt: Infektion ist ein dosisabhän­giger Prozess und hängt von mehreren Faktoren ab: lokale Menge von Virus (Erreger) in der Atemluft (Anzahl der Ausscheide­r), Größe und Lüftung des Raumes, in dem sich Ausscheide­r und Infektions­gefährdete befinden, und vor allem auch von der Dauer des Aufenthalt­es in dem Raum. Die Infektion erfolgt äußerst wahrschein­lich nicht durch ein einzelnes Coronaviru­s, die genaue erforderli­che Infektions­dosis kennt man aber noch nicht. Masken beim Ausscheide­r und „Empfänger“mögen da schon helfen.

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FOTO: MICHAEL SOHN/DPA Ein Batzen Gesetzeste­xte gegen die Krise: Finanzmini­ster Olaf Scholz (SPD) brachte eine Reihe von Maßnahmen auf den Weg, mit denen von der Corona-Krise betroffene Unternehme­n unterstütz­t werden sollen.
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FOTO: OH Professor Thomas Mertens ist Vorsitzend­er der Ständigen Impfkommis­sion am Robert Koch-Institut. An dieser Stelle beantworte­t der frühere Leiter der Virologie am Universitä­tsklinikum Ulm regelmäßig Fragen zum Coronaviru­s.

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