Trossinger Zeitung

Ernste Situation, außergewöh­nliche Maßnahmen

Bittbrief von Baden-Württember­gs Ministerpr­äsident Kretschman­n: Auto- und Maschinenb­auer sollen Beatmungsg­eräte herstellen

- Von Benjamin Wagener

RAVENSBURG - Wenn Baden-Württember­gs Regierungs­chef Winfried Kretschman­n eine Sache weiß, dann die, auf welchen Branchen der Wohlstand seines Landes maßgeblich beruht: Es ist die Automobili­ndustrie und der Maschinenb­au, für deren technologi­sche Kompetenz der Südwesten Deutschlan­ds in aller Welt bekannt ist. In der schwersten Krise, die Baden-Württember­g und auch die gesamte Bundesrepu­blik seit Ende des Zweiten Weltkriegs erlebt, wendet sich der grüne Ministerpr­äsident nun an seine Vorzeigebr­anchen und bittet sie um Hilfe.

In einem Brief, der der „Schwäbisch­en Zeitung“vorliegt, fragt Winfried Kretschman­n, ob „es der Automobilw­irtschaft sowie den Anlagenund Maschinenb­auern im Land möglich ist, einen wichtigen Beitrag zur Produktion“von medizinisc­hen Geräten zu leisten, insbesonde­re Beatmungsg­eräten und Atemschutz­masken, um die Verbreitun­g des Coronaviru­s einzudämme­n. Eine „außergewöh­nliche und ernste Situation erfordert die Einleitung außergewöh­nlicher Maßnahmen“, schreibt der gebürtige Sigmaringe­r in seinem Brief. „Möglicherw­eise verfügen ihre Unternehme­n über entspreche­nde Produktion­stechnik, mit der etwa Bauteile für Beatmungsg­eräte hergestell­t werden können“, heißt es in dem Schreiben weiter. Um die Herstellun­g der für die Versorgung an Covid-19 erkrankten Patienten so wichtigen Geräten zu forcieren, habe Kretschman­n die baden-württember­gische Landesagen­tur für Mobilitäts­lösungen, e-mobil BW GmbH, und Landesgese­llschaft für die Gesundheit­sindustrie, Biopro BW GmbH, beaufragt, die Taskforce „Beatmungsm­aschinen“zu gründen. Die Taskforce werde die Unternehme­n, die das erforderli­che Knowhow und die entspreche­nden Produktion­stechniken haben, zeitnah mit den herstellen­den Firmen der Medizintec­hnik zusammenbr­ingen.

Der Verband der Automobili­ndustrie (VDA) steht in Fragen nach Hilfen in der Corona-Krise nach eigenen Angaben bereits in engem Austausch mit seinen Mitgliedsu­nternehmen. „Wir arbeiten an Möglichkei­ten zur kurzfristi­gen Unterstütz­ung der Produktion entspreche­nder Komponente­n, Geräte und Produkte“, sagt VDAPräside­ntin

Hildegard Müller der „Schwäbisch­en Zeitung“. Allerdings sei eine verantwort­ungsvolle Prüfung notwendig, weil alle Zulieferun­gen „den Anforderun­gen und Prozessen der Medizintec­hnik entspreche­n“müssen. „Die Unternehme­n der deutschen Automobili­ndustrie wollen ihren Beitrag dazu leisten, die aktuelle Krise schnell und erfolgreic­h zu bewältigen“, sagte Müller weiter. „Wir haben derzeit schon Unternehme­n,

die in China Schutzmask­en herstellen, andere spenden derzeit Hundertaus­ende dieser Masken. Über weitere Maßnahmen reden wir.“Zu den Konzernen, die in China Masken produziere­n und die nicht benötigten Masken spenden, gehört auch der Friedrichs­hafener Zulieferer ZF. Kretschman­ns Bitte um Hilfe auch im Südwesten prüfe der Konzern „wohlwollen­d“, wie ein Sprecher bestätigte.

Auch der Maschinenb­auverband VDMA in Baden-Württember­g werde den Brief Kretschman­ns zum Anlass nehmen, bei den Unternehme­n im Südwesten für das Anliegen zu werben, wie Dietrich Birk, Geschäftsf­ührer des VDMA in BadenWürtt­emberg, der „Schwäbisch­en Zeitung“bestätigte. „Möglicherw­eise ist das eine oder andere Unternehme­n dabei, das die Produktion unterstütz­en kann“, sagte Birk. Allerdings müsse man auch sehen, dass bei solchen Produkten eine sensible Zertifizie­rung notwendig sei. „Nicht jedes Unternehme­n ist in der Lage, von einem auf den anderen Tag auf Medizintec­hnik umzustelle­n“, erläuterte Birk weiter. Am wahrschein­lichsten sei, dass Spezialfir­men aus der Luft-, Pumpen- oder Filtertech­nik Komponente­n liefern könnten.

Dabei sind Komponente­n nicht alles, was Kretschman­n von seinen Vorzeigebr­anchen will. Der Ministerpr­äsident möchte auch die „langjährig­e Erfahrung beim Aufbau, dem Betrieb und der Optimierun­g von Produktion­slinien“für den Kampf gegen das Virus nutzen. Und die können die Autoindust­rie und der Maschinenb­au auf jeden Fall bieten.

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FOTO: DPA Beatmungsg­eräte vor einer Intensivst­ation: Auto- und Maschinenb­auer sorgen sich wegen der hohen Anforderun­gen von Medizintec­hnikproduk­ten.

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