Aufruhr um Kindergartengebühren für April
Gemeinderat kann erst in einem Monat über Beitragserlass entscheiden - „Eltern müssen sich gedulden“
TROSSINGEN - Zahlreiche Städte und Gemeinden in der Region haben inzwischen verkündet, die Kindergartengebühren für den Monat April nicht einziehen zu wollen. So lautet auch die Empfehlung des Städte- und Gemeindetags. In Trossingen gestaltet sich die Lage etwas schwieriger.
Die Trossinger Kindergartengebühren sorgen unter Eltern immer mal wieder für Ärger - meist dann, wenn sie erhöht werden. Derzeit herrscht Aufruhr, weil noch keine Entscheidung darüber vorliegt, die Beiträge für April auszusetzen, obwohl die Kindergärten landesweit bis mindestens 19. April geschlossen bleiben. Im Internet kursiert inwischen bereits eine Petition zum KitaGebührenerlass in der Musikstadt. „Aber darin und in den sozialen Medien stehen teils falsche Informationen. Ich befürworte es ja sehr, wenn Leute mitwirken, aber man sollte alle Tatsachen kennen“, sagt Simon Mayer, der für die TNG im Gemeinderat sitzt - dem Gremium, dem die Entscheidung über die Gebühren obliegt. Und das sei vielen offenbar nicht bewusst, so Mayer.
Bis auf den Waldkindergarten befinden sich die Trossinger Kindergärten und Kindertagesstätten in privater oder kirchlicher Trägerschaft. „Die Träger verzichten dann auf die Gebühren, wenn sie die Kosten von der Stadt ersetzt bekommen“, sagt Bürgermeister Clemens Maier. „Dazu müssen wir das Geld haben. Im aktuellen Haushaltsplan ist aber keins eingestellt.“Maier rechnet damit, dass die Stadt rund 100 000 Euro bereitstellen muss, um den einmonatigen Ausfall der Gebühren zu decken. „Über Gelder in dieser Dimension kann und darf ein Bürgermeister nicht entscheiden“, erläutert er. Das sei Aufgabe des Gemeinderats.
Allerdings tagt der Gemeinderat aufgrund der Corona-Pandemie erst wieder am 27. April. Per Telefonschalte oder schriftlichem Umlaufverfahren kann der Beschluss nicht gefasst werden, das verbietet die Gemeindeordnung. Die Öffentlichkeit müsse hergestellt sein, so Maier. Die Gemeindeordnung sei auf einen Fall wie die jetzige Corona-Krise eben nicht ausgelegt, stellt er fest. „Deshalb müssen sich die Eltern noch gedulden“, so der Bürgermeister.
Er habe den Kirchen empfohlen, die Gebühren für den April einzuziehen, um ihre Kosten zu decken und die Mitarbeiter bezahlen zu können. Der Gemeinderat könne dann entscheiden, die Gebühren rückwirkend zu erstatten oder einen anderen Monat zu erlassen. „Ich denke, die Meinung zum Gebührenerlass wird einhellig ausfallen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie erlassen werden, ist hoch“, sagt Maier.
Seine Einschätzung deckt sich mit den Meinungen der Fraktionssprecher. In der derzeitigen Situation „eine Bezahlung der Kindergartengebühr zu verlangen, also einer Leistung, die nicht erbracht wird, erscheint uns von der SPD ganz abwegig und der Situation nicht angemessen. Es gibt nicht nur den städtischen Haushalt, auch Familien mit Kindern müssen haushalten, und die Stadt sollte ihnen dabei helfen“, schreiben etwa Vatche Kayfedjian und Dieter Görlich-Heinichen von der Trossinger SPD in einer Stellungsnahme. Die Lage sei für viele Familien schwierig: wegfallende Überstunden oder Mini-Jobs, Kurzarbeit, je nach Gewerbe sogar Totalausfall würden drohen. „Da noch Geld für nichterbrachte Leistungen zu kassieren, ist ein Unding“, so Görlich-Heinichen.
„Die Eltern haben verständlicherweise Sorge und die Belastung für
Familien ist hoch“, findet auch Simon Mayer. Die Gebühren sollten seiner Meinung nach erlassen werden. „Ich denke, wir Gemeinderäte sind uns bei dieser Sache auch alle unserer Verantwortung bewusst.“
Die Kosten im Blick behält Susanne Reinhardt-Klotz (OGL). „Grundsätzlich bin ich nicht dagegen, die Kitagebühren für einen Monat auszusetzen, aber es gibt da noch anderes, was zuvor mit den Trägern geklärt sein muss“, stellt sie fest. Jeder Monat ohne Gebühren koste die Stadt viel Geld. Es sei wichtig, erst finanzielle Machbarkeiten auszuloten. „Deshalb bin ich der Meinung, dass wir die Gebühren dann für den nächsten Monat absetzen könnten.“
CDU-Fraktionssprecher Clemens Henn plädiert dafür, die Gebühren für den April rückwirkend zu erlassen und für den Mai, sofern die Kitas dann weiterhin geschlossen blieben, auszusetzen. „Die Stadt sollte die Eltern entlasten“, sagt er. Allerdings erwartet er von den Kirchengemeinden, dass sie die Kindergarten-Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken.
Kurzarbeit bei Erziehern und Kindergartengebühren der Eltern seien per se natürlich verschiedene Baustellen, sagt Bürgermeister Maier. Aber die Stadt täte sich natürlich finanziell leichter, den Trägern Kosten zu erstatten, wenn diese reduziert würden beispielsweise durch Kurzarbeit.
Das hält auch FDP-Fraktionschef Willy Walter für eine gute Lösung. Dass die April-Beiträge entfallen, hält er für unumgänglich. „Danach müssen wir schauen, wie es weitergeht. Ich meine, wir sollten auf Sicht fahren, denn die Situation ändert sich fast täglich.“Walter wünscht sich eine einheitliche Regelung für alle Trossinger Kitas, gleich wie in anderen Kommunen.
Gustav Betzler, Fraktionschef der Freien Wähler, sieht die Situation differenziert. Er habe Verständnis für die Eltern („Ich weiß, welche Kosten Kinder verursachen.“), sieht aber auch Gründe, die ein Abwarten der Entscheidung sinnvoll machen. „Wir wissen nicht, ob und welche Zuschüsse von Land und Bund zu erwarten sind, und unter welchen Voraussetzungen sie verteilt werden“, sagt Betzler. Ihn ärgert, dass „die Obrigkeit uns im Regen stehen lässt“. Kitas würden geschlossen, und die Kommunen müssten selbst schauen, wie sie die damit einhergehenden Probleme lösen. Klar sei: „Es geht auf Dauer nicht, dass die Eltern die Kosten tragen, wenn die Kindergärten geschlossen bleiben“, stellt Betzler fest.