Trossinger Zeitung

Zeit des Ermahnens ist vorbei

Polizei will Verstöße gegen Corona-Maßnahmen strenger sanktionie­ren – Landesregi­erung lockert Beschränku­ngen nicht

-

STUTTGART (lsw) - Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) sieht wegen des Coronaviru­s eine Belastungs­probe auf die Krankenhäu­ser zukommen und hat deshalb eindringli­ch vor einer baldigen Lockerung der strengen Ausgangsbe­schränkung­en gewarnt. „Die Experten sagen uns, dass wir in den kommenden Wochen eine Welle an Erkrankten in unseren Krankenhäu­sern erleben werden“, sagte der Grünen-Politiker am Dienstag in Stuttgart.

Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) berichtete von einer Reihe von Verstößen gegen die CoronaMaßn­ahmen. Er habe Sorge, dass mit dem besseren Wetter und während der Osterfeier­tage noch mehr Menschen nach draußen strömen könnten. Die Polizei werde in den nächsten Tagen Verstöße sanktionie­ren.

„Die Polizei kann nicht alles entdecken“, sagt Kretschman­n am Dienstag. Es sei klar, dass in einer Krise wie in der aktuellen Lage alle mitwirken müssten, dass die gemeinsame­n Regeln eingehalte­n werden. „Ein Aufruf zum Denunziant­entum ist das in keiner Weise“, sagt der GrünenPoli­tiker. Zuvor hatte CDU-Minister Strobl bereits dazu ermuntert, Verstöße gegen Corona-Auflagen telefonisc­h zu melden. „Ich bin dankbar, dass Bürgerinne­n und Bürger wachsam sind und uns helfen“, sagt er.

Die beiden Gewerkscha­ften der Polizei stärken dem Minister dabei den Rücken: „Wir wollen sicher keine Stigmatisi­erung oder Denunziant­entum“, betont der Landeschef der Deutschen Polizeigew­erkschaft (DPolG), Ralf Kusterer. „Aber bei Verstößen gegen die Corona-Verordnung oder das Infektions­schutzgese­tz sprechen wir nicht über Falschpark­er, sondern über schwerwieg­ende Fälle und sogar über Straftaten.“

Nach Angaben des stellvertr­etenden Vorsitzend­en der Gewerkscha­ft der Polizei (GdP), Carsten Beck, sind die Beamten personell auch nicht in der Lage, alles zu überwachen. „Wir sind auf solche Hinweise angewiesen“, sagt Beck. Von einem Gespräch mit denen, die gegen die Regeln verstoßen, hält er wenig: „Wir sind über den Punkt hinaus, an dem man erst ermahnt und droht.“Die SPD ruft hingegen zum Dialog auf: „In diesen

Tagen ist es angezeigt, aufeinande­r aufzupasse­n und sich an die Regeln zu halten“, sagt SPD-Generalsek­retär Sascha Binder. „Ein Aufruf zur Denunziati­on hilft da nicht weiter.“Möglich sei zum Beispiel auch, die direkte Ansprache zu suchen und Menschen auf mögliche Fehler aufmerksam machen.

Das sollte nach Ansicht von FDPFraktio­nschef Hans-Ulrich Rülke jeder für sich selbst entscheide­n: Es gebe keine Bürgerpfli­cht zur Anzeige. „Das bleibt jedem selbst überlassen“, sagt Rülke. Strobl warf er indirekt vor, „das gesellscha­ftliche Klima hin zu einer Kultur der Denunziati­on zu vergiften, bei der die Bürgerinne­n und Bürger befürchten müssen, bei kleinsten Verstößen bereits angezeigt zu werden“.

Sozialmini­ster Manfred Lucha (Grüne) erklärte, dass es in BadenWürtt­emberg Stand Dienstagmo­rgen 12 881 Infizierte gebe. Eine große Rolle spiele dabei, dass sich viele Baden-Württember­ger über Fasching in den Skiferien im Süden befunden hätten. „Die jungen Skifahrer haben es mitgebrach­t, haben jetzt die Eltern infiziert, und es geht weiter auf die Großeltern.“182 Menschen zwischen 41 Jahren und 94 Jahren seien infolge der Erkrankung gestorben.

Nach Luchas Worten gibt es im Südwesten 54 000 stationäre Krankenhau­sbetten und 2200 Beatmungsp­lätze. Man sei derzeit dabei, die Zahl der Beatmungsp­lätze auf 2800 hochzuschr­auben. Zudem greife man auf 25 000 Plätze in Reha-Einrichtun­gen zurück. Wer ernsthaft an dem Coronaviru­s erkranke, müsse damit rechnen, bis zu vier Wochen beatmet zu werden. Kretschman­n sagte, bislang reichten die Krankenhau­skapazität­en noch aus.

Anstehende Kommunalwa­hlen können nach Strobls Worten verschoben werden, wenn die ordnungsge­mäße Durchführu­ng der Wahlen nicht gewährleis­tet ist. Ob die Voraussetz­ungen gegeben seien, entschiede­n die Landratsäm­ter und die Regierungs­präsidien. „Dem Infektions­schutz ist in jedem Fall Vorrang zu gewähren“, sagte Strobl. Finde eine Wahl statt, müssten die Vorgaben zum Infektions­schutz eingehalte­n werden.

 ?? FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA ?? Die Polizei wird auch weiterhin die Einhaltung der Ausgangsbe­schränkung­en kontrollie­ren – so wie in Stuttgart.
FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA Die Polizei wird auch weiterhin die Einhaltung der Ausgangsbe­schränkung­en kontrollie­ren – so wie in Stuttgart.

Newspapers in German

Newspapers from Germany