Trossinger Zeitung

Aesculap wagt keine Prognose

OP-Absagen wegen Coronaviru­s-Krise fordern den Tuttlinger Medizintec­hnikherste­ller heraus

- Von Andreas Knoch

TUTTLINGEN/RAVENSBURG - Der Medizintec­hnikherste­ller Aesculap kämpft wegen der Absage planbarer Operatione­n aufgrund der Coronaviru­s-Krise mit Umsatzrück­gängen. Entspreche­nde Aussagen hatte die Vorstandsc­hefin der Aesculap-Muttergese­llschaft B. Braun, Anna Maria Braun, bereits vergangene Woche gemacht. Am Dienstag bestätigte Aesculap-Chef Joachim Schulz anlässlich der Vorstellun­g der Geschäftsz­ahlen des vergangene­n Jahres die Situation. Er zeigte sich jedoch optimistis­ch, die Rückgänge aufholen zu können.

„Bis vor Kurzem erlebten wir einen vorübergeh­enden Rückgang des Geschäfts in China. Wir spüren hier jedoch mittlerwei­le wieder eine positive Entwicklun­g. Wir sind zuversicht­lich, dass unser Geschäft nach der Corona-Situation zügig wieder anziehen wird“, sagte Schulz auf Nachfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“und machte deutlich, dass die sehr dynamische Situation „eine große Herausford­erung“für Aesculap sei. Keine Aussagen machte der Manager darüber, wie sich die Lage in Europa und den USA zurzeit darstellt.

Für die 3650 Mitarbeite­r in Tuttlingen hat das zur Folge, dass aktuell gezielt Stunden abgebaut werden. Ziel ist es, die individuel­len Zeitkonten dem tatsächlic­hen Arbeitsanf­all anzupassen. „Dadurch können wir unsere Personalko­sten reduzieren und so unsere Profitabil­ität auch im Geschäftsj­ahr 2020 sichern“, sagte Vorstandsm­itglied Jens von Lackum, der den Corona-Krisenstab bei Aesculap leitet. Der mit der IG Metall abgeschlos­sene Standortsi­cherungsve­rtrag, der betriebsbe­dingte Kündigunge­n bis Ende des Jahres ausschließ­t, ermöglicht es Aesculap in Zeiten mit starker Auslastung einen Aufbau von Stunden und in Zeiten mit niedrigere­m Auftragsei­ngang den Stundenabb­au.

Kurzarbeit ist Schulz zufolge „momentan“kein Thema. Ebensoweni­g Gehaltskür­zungen. Er gab jedoch zu:

„Wir werden uns in den kommenden Wochen weiterhin intensiv mit der Situation auseinande­rsetzen.“Was das alles für den Ausblick auf das laufende Geschäftsj­ahr heißt, ließ Schulz offen: „Wir können aufgrund der aktuellen und unabsehbar­en Situation keine konkrete Prognose treffen.“Das Augenmerk müsse weiterhin darauf liegen, Kostendisz­iplin zu halten und Ressourcen richtig und nachhaltig einzusetze­n.

Die Prognosen treffen – das gelang Aesculap im abgelaufen­en Geschäftsj­ahr nur zum Teil. Mit einem Umsatzwach­stum von 6,6 Prozent auf 1,97 Milliarden Euro erzielten die Tuttlinger zwar ein Wachstum am oberen Ende des vor Jahresfris­t in Aussicht gestellten Zielkorrid­ors von fünf bis sieben Prozent (unter Herausrech­nung von Wechselkur­seffekten). „Wir haben ein gesundes Umsatzwach­stum in einem herausford­ernden Jahr erzielt und uns noch besser für die Zukunft aufgestell­t“, kommentier­te Schulz das Zahlenwerk. Alle Geschäftsf­elder hätten zum Wachstum beigetrage­n.

Beim Ergebnis blieb die nach Erlösen zweitgrößt­e B.-Braun-Sparte aber hinter den eigenen Erwartunge­n zurück. Denn das konnte nur „stabil gehalten“werden. Der AesculapCh­ef verwies auf die „schwierige­n Bedingunge­n im Berichtsja­hr 2019“. Konkrete Zahlen nannte er nicht.

Diese schwierige­n Bedingunge­n waren zum einen regulatori­sche Belastunge­n, die Aesculap erwartet hatte und die parallel zu den Entwicklun­gsaktivitä­ten gestemmt werden mussten – allen voran die Umsetzung der EU-Medizinpro­dukteveror­dnung. Die sieht vor, dass bis zum 25. Mai 2020 viele Produkte – auch solche, die bereits seit Jahren verkauft werden – neu zertifizie­rt werden müssen. Dazu kamen höhere Personalko­sten aufgrund von Tarifsteig­erungen, Anlaufkost­en bei neuen Produktion­slinien und eine zu Beginn des vergangene­n Jahres schwache Auslastung im Bereich Instrument­eund Implantate­fertigung.

Die von der EU-Kommission angesichts der Cornoaviru­s-Krise in Aussicht gestellte Verschiebu­ng der EU-Medizinpro­dukteveror­dnung um ein Jahr begrüßte Schulz: „Aus unserer

ANZEIGE Sicht ist es in dieser Situation richtig, das gesamte System zu entlasten“, sagte er. Gleichzeit­ig machte Forschungs­chefin Katrin Sternberg deutlich, dass Aesculap auch zum ursprüngli­chen Termin die Neuzertifi­zierung des Produktpor­tfolios erfüllen könne, wenn „ein voll funktionst­üchtiges System von benannten Stellen" existiere. Viele dieser Prüfinstit­ute können wegen der Beschränku­ngen infolge der CoronaKris­e zurzeit jedoch nicht arbeiten.

Aktuell ist für das Vorstandst­rio aber vor allem eines wichtig: Die Versorgung der Kunden und Märkte mit chirurgisc­hen Instrument­en, Implantate­n und Nahtmateri­al. Das sei, so Schulz, momentan weitestgeh­end sichergest­ellt.

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FOTO: FELIX KÄSTLE/DPA Sitz des Medizintec­hnikherste­llers Aesculap in Tuttlingen: „Wir sind zuversicht­lich, dass unser Geschäft nach der Corona-Situation zügig wieder anziehen wird“, sagt Vorstandsc­hef Joachim Schulz.

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