41 neue Corona-Fälle im Landkreis
Unklarheit darüber, ob Infektionszahlen langsamer steigen oder nicht
TROSSINGEN - Am Freitagmittag ist Landrat Stefan Bär noch vorsichtig optimistisch gewesen: Die Zahl der Neuinfektionen verlangsame sich. Doch schon wenige Stunden später vermeldete das Landratsamt eine neue Rekordzahl: 41 Neuinfektionen im Kreis.
Die Verbreitung des Corona-Virus im Landkreis Tuttlingen verlangsame sich etwas, so Bär am Mittag. Verdoppelte sich die Zahl der Infizierten anfangs alle drei Tage, sei dies nun etwa alle sechs Tage der Fall. Bundesweit gilt seit Kurzem das Ziel, die Verdopplung auf 14 Tage zu drücken. Einige Gemeinden im Kreis hinken der positiven Entwicklung hinterher, unter anderem Trossingen.
Als Bär am Freitagmittag zur telefonischen Pressekonferenz eingeladen hatte, verkündete er: „In den letzten drei Tagen hatten wir stabile Zugangswerte." Mit 18, zwölf und 19 positiven Testergebnissen sei eine „stabile Seitwärtsbewegung“zu erkennen. Doch schon wenige Stunden später zeigte sich ein völlig anderes Bild: 41 neue Fälle wurden am Abend für den Kreis bestätigt.
So passt es, dass Bär betonte, dass absolut kein Grund zur Entwarnung bestehe. Denn die Zahl der Patienten, die stationär aufgenommen werden müssen, steige an. „Am 28. März waren zehn Fälle im Klinikum aufgenommen worden, gestern hat sich die Zahl mit 20 Patienten verdoppelt“, so der Landrat. Bereits einen Tag später, also am Freitag, seien bereits 26 Menschen stationär im Klinikum Tuttlingen aufgenommen worden. „Sieben davon sind auf der Intensivstation und werden beatmet, ein weiterer Patient ist auf der Intensivstation, der nicht beatmet werden muss“, so der Landrat weiter.
Und auch wenn es gelungen sei, die Zahl der Beatmungsplätze von ursprünglich acht auf 16 zu erhöhen, so müsse alles dafür getan werden, um einen Anstieg der schweren Fälle so gering wie möglich zu halten. Denn sollten mehr als 16 Beatmungsplätze gleichzeitig gebraucht werden, käme der Landkreis an seine Kapazitätsgrenzen. Denn mittlerweile seien bereits Bereiche im OP, in der OP-Schleuse und im Aufwachraum zu Beatmungsplätzen umgebaut worden. Auch das dafür nötige hochqualifizierte Personal stehe zur Verfügung.
Doch damit seien die Kapazitäten des Landkreises ausgereizt. „Wenn wir mehr als 16 beatmungspflichtige Patienten hätten, müssten wir sie verlegen“, so Bär. Für solche Fälle stünden die Tuttlinger Klinikärzte im engen Kontakt zum Großklinikum Villingen-Schwenningen.
Auch bei den Corona-Patienten, die stationär aufgenommen werden, aber keine Intensivbetten brauchen, steige die Zahl. „Sollte die Entwicklung so weitergehen wie diese Woche, werden die Stationen des mobilen Bettenhauses komplett mit Corona-Infizierten belegt sein“, prognostizierte Bär. Notfalls könnten weitere Betten im Bestand des Klinikgebäudes genutzt werden. Eine Reaktivierung der Spaichinger Klinik sei theoretisch möglich und dieser Fakt sei auch dem Land gemeldet worden. Doch Bär betonte: „Doch für den Betrieb wäre externe Hilfe notwendig.“
Um die bestehenden Strukturen zu entlasten, soll nun auch ein Corona-Mobil eingerichtet werden. Damit sollen Patienten, die gesundheitsbedingt das Haus nicht verlassen können, zuhause besucht und untersucht werden. „Wir müssen das Fahrzeug und Schutzanzüge noch organisieren und stehen in guten Gesprächen mit der Kassenärztlichen
Vereinigung“, sagte Bär.
Einen besonderen Blick habe das Gesundheitsamt derzeit auf die Pflegesituation im privaten Bereich. „Viele Heime nehmen keine neuen Bewohner auf. Die Situation der Menschen, die ambulant zuhause versorgt werden, wird dadurch schwieriger. Viele Pflegedienste sind am Ende ihrer Kapazitäten und die ausländischen Pflegekräfte kommen wegen der Grenzschließungen nicht mehr ins Land.“
Der Landkreis arbeite mit Nachdruck daran, die häusliche Pflege zu unterstützen, sagte Bär. So sei es auch selbstverständlich, dass die ambulanten Pflegedienste derzeit als erste bei der Verteilung von Schutzausrüstung bedient würden. Ein Krisenstab achte darauf, dass die ambulanten Pflegedienste, die Heime und das Klinikum möglichst ausreichend mit Masken und Anzügen versorgt werden können. Doch die Situation bleibe nach wie vor angespannt.
Dass Trossingen im Landkreis in Sachen Fallzahl eine deutliche Auffälligkeit aufweist, räumte Bär am Freitagmittag ein. „Wir haben die Zahlen von Trossingen intensiv analysiert.“Die zweitgrößte Stadt des Landkreises habe zwei Sondersituationen. Zum einen sei ein Anteil der
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Zum Abschluss der Telefonkonferenz warf sich Bär für das Gesundheitsamt, das sich derzeit öffentlicher Kritik ausgesetzt fühlt, in die Bresche. Die vier Amtsärzte, über 100 niedergelassene und pensionierte Ärzte und das Klinikum arbeiteten eng zusammen. „Sie sind extrem gefordert und versuchen, mit viel Empathie durch die Krise zu kommen.“