Trossinger Zeitung

Fliegende Samenspend­er in Gefahr

Palmen-Flughunde forsten die Brachen Afrikas auf – Aber trotz ihrer wertvollen Dienste landen die Tiere immer wieder in den Kochtöpfen der Menschen

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Feigen oder des Afrikanisc­hen Teak, die sie zum Abendessen verzehrt haben. „Diese Samen bleiben zwischen einer und acht Stunden im Darm“, berichtet Dina Dechmann von Fütterungs­experiment­en. Die PalmenFlug­hunde verteilen also auf ihrem Rückweg zu ihrer Kolonie über den längst abgeholzte­n Flächen rund um Accra die Samen von Bäumen, die auch für die Menschen wichtig sind.

Da Palmen-Flughunde anscheinen­d überall im afrikanisc­hen Regenwald von der Elfenbeink­üste am Atlantik bis hinüber nach Kenia am Indischen Ozean leben, übernehmen diese Tiere so eine Schlüsselr­olle für die Natur. Zwar fressen auch etliche andere Arten die leckeren Früchte. Affen aber bleiben normalerwe­ise im Wald und scheiden die Samen nur dort, aber nicht auf gerodeten Flächen oder größeren Lichtungen aus, über die Flughunde auf dem Nachhausew­eg fliegen. Und da die fliegenden Säugetiere ihr großes Geschäft während des Fluges erledigen, landen die Samen häufig auch auf diesen freien Flächen. Dort aber hadiesem ben die Keimlinge viel weniger Konkurrenz als im Wald und können rasch zu kräftigen Bäumen wachsen. So verteilen die Flughunde nicht nur in Ghana, sondern auch in vielen anderen Ländern Bäume über viel größere Flächen als die allermeist­en anderen Tiere und helfen damit beim Wiederauff­orsten der gerodeten Gebiete.

In der Zeitschrif­t Current Biology schätzen Mariëlle van Toor von der Linné-Universitä­t an der schwedisch­en Ostseeküst­e und Dina Dechmann mit ihren Kollegen in Radolfzell und Konstanz, dass die Flughunde der Kolonie in Accra mit ihrem Kot 338 000 Samen in einer einzigen Nacht über eine riesige Fläche verteilen. In einem Jahr können die Flughunde Ghanas daher eine Fläche von 800 Hektar aufforsten. Nach einigen Jahren können dort dann nicht nur Flughunde und Affen, sondern auch Menschen Früchte ernten. Die Zweibeiner können natürlich auch das wertvolle Holz des Afrikanisc­hen Teaks schlagen. Insgesamt ermögliche­n die Flughunde Ghanas Land damit einen Gewinn von 700 000 Euro im Jahr, schätzen die Forscher.

Allerdings hängen die Flughunde nicht nur in Accra, sondern auch in vielen anderen Städten wie in Ouagadougo­u in Burkina Faso, aber auch auf dem flachen Land und vermutlich auch fernab von menschlich­en

Siedlungen tagsüber in den Bäumen. Nachts fressen die Tiere dann Früchte und verteilen die Samen über große Strecken. Ähnlich wie Zugvögel scheinen die Tiere über große Entfernung­en in Regionen zu fliegen, in denen gerade die Regenzeit beginnt und viele Früchte reif werden. Im Oktober treffen im Kasanka-Nationalpa­rk im Herzen Sambias die ersten Palmen-Flughunde ein. Mitte November hängen dort dann rund acht Millionen Tiere tagsüber schlafend in den Bäumen und laben sich in der Nacht an den dort mehr als reichlich hängenden Früchten. Bis Weihnachte­n und in den ersten Januarwoch­en fliegen die Flughunde dann wieder zurück und verteilen während der gesamten drei oder vier Monate dieser Reise eifrig Samen, die am Boden später keimen.

Für die Natur und auch für das Wirtschaft­en der Menschen spielen die Palmen-Flughunde so eine extrem wichtige Rolle. Allerdings wissen die Zweibeiner diese unentgeltl­iche Hilfe anscheinen­d nicht so recht zu schätzen. In etlichen Ländern schießen Menschen mit Schrotflin­ten in die Kolonien der Palmen-Flughunde und sammeln die verletzt aus den Bäumen fallenden Tiere auf. Das ist ein lukratives Geschäft: Mit einem Schuss erwischt man mit ein wenig Glück drei Dutzend Tiere, von denen jedes auf dem Markt in Accra einen US-Dollar bringt. Das ist in Westafrika eine Menge Geld. Da PalmenFlug­hunde nicht nur als Delikatess­e für den Kochtopf sehr beliebt sind, sondern mancherort­s auch als Mittel in der traditione­llen Medizin begehrt sind, scheinen die Bestände deutlich zu schrumpfen. Dina Dechmann und ihre Kollegen unterstütz­en daher nach Kräften verschiede­ne Initiative­n, die den Menschen in mehreren Ländern und vor allem den Kindern in den Schulen die wichtige Rolle erklären, die PalmenFlug­hunde für die Natur und die Wirtschaft spielen. Nur wer den Wert der Tiere kennt, wird sie auch schützen. Diese Erkenntnis gilt nicht nur für die Bienen und andere Insekten in Mitteleuro­pa, sondern auch für die Flughunde Afrikas.

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FOTO: CHRISTIAN ZIEGLER/ MAX PLANCK INSTITUT RADOLFZELL Die Zuckerpfla­umen der Uapacakirk­iana-Bäume schmecken PalmenFlug­hunden sehr.

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