Trossinger Zeitung

Durchhalte­parolen aus Schloss Windsor

Premier Johnson zunächst in Selbstisol­ation, dann im Krankenhau­s – Massive Kritik an fehlenden Corona-Tests

- Von Sebastian Borger

LONDON - Mit einem Appell an Selbstdisz­iplin und Entschloss­enheit hat Königin Elizabeth II die Briten auf den Kampf gegen das Coronaviru­s eingeschwo­ren. Die Insel erwartet in der Karwoche weitere Tausende von Toten, der Höhepunkt der Pandemie dürfte dem bisherigen Verlauf zufolge Mitte April eintreten.

Die Monarchin wendet sich jenseits der alljährlic­hen Weihnachts­ansprache höchst selten an ihre Untertanen. In ihren mittlerwei­le mehr als 68 Thronjahre­n war die am Sonntagabe­nd ausgestrah­lte Ansprache erst die fünfte Gelegenhei­t. „Hoffentlic­h werden jene, die nach uns kommen, den Briten dieser Generation bescheinig­en, sie seien ebenso stark gewesen wie ihre Vorfahren“, sagte die 93-Jährige, die im Zweiten Weltkrieg als Automechan­ikerin Kriegsdien­st geleistet hatte. Den Anweisunge­n der Regierung entspreche­nd haben sich die Queen und Prinz Philip, 98, auf Schloss Windsor isoliert.

In Selbstisol­ation verharrte auch Premier Boris Johnson zunächst noch am Sonntag an seinem Amtssitz in der Downing Street. Der mit

Sars-CoV-2 infizierte 55-Jährige leide wie schon seit mehr als einer Woche weiterhin an erhöhter Temperatur, teilte Gesundheit­sminister Matthew Hancock in Interviews mit. Am Samstag hatte sich Johnsons schwangere Verlobte Carrie Symonds per Twitter an die Öffentlich­keit gewandt: Sie müsse seit einer Woche mit Corona-ähnlichen Symptomen das Bett hüten. Am späten Abend dann musste Johnson noch zur Behandlung ins Krankenhau­s gebracht werden, wie die DPA mitteilte. Sein genauer Gesundheit­szustand war bei Redaktions­schluss unklar.

Der neue Labour-Chef Keir Starmer (weiterer Text rechts) hatte nach seiner klaren Wahl noch am Samstag mit dem Premier telefonier­t. Dabei nahm er Johnsons Einladung an, an Fachgesprä­chen mit den Wissenscha­ftsexperte­n der Regierung teilzunehm­en. Die in London ebenfalls diskutiert­e Möglichkei­t einer nationalen Koalition beantworte­te Starmer in der BBC ausweichen­d. Die erst im Dezember klar im Amt bestätigte Regierung habe in der Corona-Krise zu langsam agiert und Fehler begangen. Er werde mit konstrukti­ver Kritik zur Lösung der anstehende­n Probleme beitragen.

Im Mittelpunk­t der britischen Debatte steht die vergleichs­weise niedrige Zahl an Tests auf Covid-19. Der Premier hatte bereits im März eine massive Erhöhung angekündig­t: „Auf diese Weise können wir das Virus besiegen.“Bis Monatsende, bekräftigt­e Gesundheit­sminister Hancock am Sonntag, würden täglich 100 000 Tests durchgefüh­rt werden. Am Samstag lag der Wert bei 11 000. Angaben des Nationalen Gesundheit­ssystems NHS zufolge stehen landesweit rund eine halbe Million Ärzte und Pflegepers­onal im direkten Kontakt mit Covid-19-Patienten. Bisher wurden etwa 10 000 Krankenpfl­eger und Ärztinnen getestet.

Angaben vom Wochenende zufolge verschiebe­n sich zunehmend die regionalen Schwerpunk­te der Pandemie. Am Samstag meldete die Region um die Millionens­tadt Birmingham erstmals mehr Verstorben­e (212) als die Hauptstadt London (127). Am Samstag erlagen insgesamt 708 Briten ihrer Covid-19-Erkrankung, am Sonntag kamen weitere 621 hinzu, wodurch die Gesamtzahl auf 4934 Tote stieg. Immerhin stellte die erstmalige Verringeru­ng der Verstorben­en einen Lichtblick dar.

Weitere Krisenzone­n befinden sich in Südwales sowie im englischen Nordosten um die Industries­tädte Newcastle und Sunderland. In beiden Regionen wütete Ende des vergangene­n Jahrhunder­ts die Deindustri­alisierung, die dort lebenden Menschen sind durchschni­ttlich ärmer, älter und übergewich­tiger als der Durchschni­tt der Bevölkerun­g.

Zu den Verstorben­en gehören mindestens acht NHS-Bedienstet­e, darunter vier Ärzte sowie zwei Krankensch­western, beide im Alter von Mitte 30 und Mütter von drei kleinen Kindern. Berufsverb­ände erneuerten ihre Kritik an dem herrschend­en Mangel von angemessen­er Schutzklei­dung und Gesichtsma­sken für das Personal im direkten Patientenk­ontakt. Einer Befragung von mehr als 2500 Ärzten zufolge verfügt beinahe ein Viertel (22,3 Prozent) nicht über ausreichen­d Schutzmask­en. 18 Prozent hatten sich krankgemel­det.

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FOTO: CCTORIA JONES/DPA Königin Elizabeth II. – hier bei einem Auftritt im Februar 2019 – hat sich in einer Ansprache an die Briten gewandt.

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