Unter den Wipfeln ist keine Ruh’
Der alte Goethe, er wäre wahrscheinlich ausgeflippt dieser Tage. Oder der Eichendorff, beides Dichter, die der Natursehnsucht poetisch Ausdruck verliehen haben. Doch seit den Ausgangsbeschränkungen hält es den Menschen ja nicht mehr in seiner Stube. Er muss hinaus und fort – mit Vorliebe in den Wald. Derzeit durchmessen Gestalten den finsteren Tann, die eigentlich seit Jahren in Symbiose mit ihrem Sofa leben. Und jetzt das – Corona mobilisiert diese Menschen, wodurch es auf Waldwegen zu erheblichen Engpässen kommt.
Wer die Einsamkeit nach dem Vorbild von Eichendorff im Gehölz sucht, oder die Ruh’ über beziehungsweise unter den Wipfeln, wie Goethe, findet im Augenblick nur jahrmarktähnliche Betriebsamkeit. Schuld sind einmal mehr die Virologen, die stets betonen, dass die – möglichst isolierte – Bewegung an der frischen Luft gut und wichtig sei. Dass die Leute aber derart geschmacklose Jogging- oder Sporthosen zu tragen hätten, davon war nie die Rede. Und es würde auch die Kompetenz der Forscher deutlich überschreiten.
Aber zurück zu den Dichtern, deren Kleidung auch im Wald tadellos war – etwa ein klassischer Gehrock sowie der Spazierstock. Nicht zu verwechseln mit Nordic-Walking-Stecken, mit denen emsige Menschen die Wege derzeit umpflügen. Damit wäre eigentlich alles zur derzeitigen Situation im Forst gesagt. Der Rest ist Schweigen, um auch noch Shakespeare nicht unerwähnt zu lassen. Wobei das auch nicht stimmt. Denn seit Corona ist unter den Wipfel alles andere als Ruh’. (nyf)
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