Bischöfe mahnen gerechte Triage-Kriterien an
Gegen „Nutzen-Kalkül“– Behandlungsbedürftigkeit und Prognose gegeneinander abwägen
ULM - Die deutschen katholischen Bischöfe mahnen, bei einer möglichen Überlastung der Intensivstationen durch Corona-Patienten alte und vorerkrankte Menschen bei der Vergabe begrenzter Beatmungsplätze nicht einseitig zu benachteiligen. Als Entscheidungskriterien bei der sogenannten Triage kämen in diesem ethischen Dilemma ausschließlich medizinische Aspekte in Betracht, heißt es in einer am Mittwoch veröffentlichen „Argumentationsskizze“, insbesondere aber Behandlungsbedürftigkeit und Dringlichkeit auf der einen Seite sowie Prognose und Erfolgsaussichten auf der anderen Seite. Beide Aspekte müssten sorgfältig und individuell gegeneinander abgewogen werden. Ein „Nutzen-Kalkül“sei unethisch und ebenso abzulehnen wie äußere Kriterien, etwa das Lebensalter oder das Geschlecht, insbesondere soziale Kriterien wie Stellung, Bekanntheitsgrad, ökonomische Aspekte oder auch „Systemrelevanz“. Die Triage sei in der Corona-Krise als letztes Mittel erlaubt, gerechtfertigt und sogar geboten.
Bei der sogenannten Triage gilt es zu entscheiden, welche Patienten weiterbehandelt werden, wenn die Ressourcen nicht für alle Notfälle reichen. Bei der Corona-Pandemie gilt dies vor allem für die Zuweisung von Beatmungsplätzen. Dies war bereits in den USA, Italien, Spanien und Frankreich der Fall. Die Triage ist problematisch, weil sie zumeist eine Entscheidung über Leben und Tod einschließt und das ärztliche Prinzip der Gleichbehandlung aller Patienten außer Kraft setzt.
Nach Ansicht der Bischöfe ist es dagegen unerlässlich, alle Patienten, die zum Zeitpunkt der Überlastung eine intensivmedizinische Behandlung benötigen, in die Triage einzubeziehen und diese nicht nur auf die Personen mit Covid-19 zu begrenzen.
Derzeit ist eine solche Situation in Deutschland nirgendwo gegeben, es sind genügend Plätze vorhanden. Es wird aber nicht ausgeschlossen, dass es dazu in einer kritischen Phase kommen könnte. Daher hatte in den vergangenen Tagen angesichts der großen Zahl an Corona-Patienten, die erwartet wird, und knapper Ressourcen eine medizinethische Diskussion um die Triage begonnen.
Zuletzt handele es sich bei der Entscheidung um ein „unausweichliches Urteil des behandelnden Arztes – das auch nicht einem Algorithmus überlassen werden darf“. Eine aussichtsreiche Behandlung abzubrechen, etwa weil ein weiterer Patient mit noch besserer Prognose hinzugekommen ist, lehnt die Bischofskonferenz ab. Sollte aber aus freier Entscheidung ein Behandlungsverzicht im Rahmen einer Patientenverfügung gewünscht sein, „ist dieser Willensbekundung Folge zu leisten“, hält das Schreiben fest.
In den USA und auch in Frankreich werden andere Entscheidungskriterien angewandt. Häufig wird danach entschieden, wie die höchste Zahl von Lebensjahren gerettet werden kann – und vielleicht auch, welche Lebensqualität der Patient erwarten kann.