„Viel hilft nicht unbedingt viel“
RAVENSBURG - Ob Vitamine vor einer Infektion mit dem neuartigen Coronavirus schützen, ist nicht gesichert – was der Lunge jetzt aber wirklich nützt, hat Virologe Professor Thomas Mertens im Gespräch mit Daniel Hadrys erklärt.
Die Vitamine C und D3 werden von einigen als wirksamer Schutz vor einer Sars-CoV2-Infektion angepriesen. Welchen Nutzen haben die Stoffe tatsächlich?
Es gibt keine Daten zu einer Wirksamkeit von Nahrungsergänzungsmitteln, einschließlich Vitamin C und D3 bei Covid-19! Nahrungsergänzungsmittel sind ein riesiger Markt in Deutschland mit Zuwachs, und daher gibt es naturgemäß viel Werbung in jeder Form, also Vorsicht! Gesichert ist, dass Unter- und Mangelernährung Risikofaktoren für Infektionserkrankungen sind. Bei gesunder Ernährung kommt es bei uns nicht zu Mangelzuständen an Vitaminen und Spurenelementen, außer bei Vitamin D und Folsäure. Es gibt auch einige Daten, dass „gesunde Ernährung“medizinisch und immunologisch günstig ist. Eine Ergänzung zur Nahrung kann in bestimmten Situationen notwendig sein, z.B. Schwangerschaft, vegane Ernährung, Resorptionsstörungen, Ernährung auf Intensivstationen. Bei hoher zusätzlicher Zufuhr von Vitaminen wurden selten auch Nebenwirkungen in Studien beschrieben. Wichtig ist es, nicht nur einzelne Studien heranzuziehen (man findet fast immer etwas, was die bestehende eigene Meinung stützt), sondern Zusammenfassungen wissenschaftlicher Studien, sogenannte Metaanalysen. Man muss weiter beachten, dass Studien stets unter bestimmten Bedingungen durchgeführt werden und häufig keine einfachen Verallgemeinerungen erlauben.
Vitamin C: Es gibt Daten, die zeigen, dass unter Vitamin C Lungenentzündungen etwas seltener auftreten. Dies gilt nur für zu Hause erworbene Lungenentzündungen und nicht für im Krankenhaus erworbene. Ähnliches konnte auch für generelle Atemwegsinfektionen gezeigt werden. Der Krankheitsverlauf bei Intensivpatienten jeglicher Ursache war bei zusätzlicher Vitamin-CGabe etwas günstiger. Vitamin D: Auch hier gibt es Daten, die zeigen, dass allgemein Atemwegsinfektionen in allen Altersgruppen etwas seltener waren und leichter verliefen bei Vitamin-DZufuhr. Besonders dann, wenn ein zuvor gemessener Mangel an Vitamin D bestand. Eingeschlossen in diese Studien wurden auch jährliche Influenza-Epidemien. Zusammengefasst gibt es zumindest Hinweise für eine Wirksamkeit dieser Vitamine bei Atemwegsinfektionen, wobei ein Effekt der Dosis meiner Kenntnis nach nicht gezeigt ist, also viel hilft nicht unbedingt viel. Gute klinische Studien, die solche vermuteten Wirksamkeiten untersuchen, sind sehr zu begrüßen, da nur so Klarheit geschaffen werden kann.
Was sind tatsächlich effektive Möglichkeiten, die Lunge zu schützen?
Eines ist hier wirklich klar: Das Rauchen sollte man auch in diesem Zusammenhang unbedingt weglassen, da es ein Risikofaktor für Covid-19 ist. Ähnliches würde ich vermuten für das Einatmen von lungenschädlichen Chemikalien und Stäuben. Asthmatiker und Menschen mit anderen Lungenerkrankungen, z. B. COPD sollten darauf achten, dass ihre Krankheit möglichst gut medikamentös behandelt/ eingestellt ist.