Trossinger Zeitung

Einsame Ostern im Vatikan

Papst Franziskus feiert das höchste Fest der Christen wegen der Corona-Krise ohne Besucher und Pilger

- Von Thomas Migge

ROM - An Ostern ist Italiens Hauptstadt traditione­llerweise voll mit Pilgern. Sie kommen für die Kreuzwegpr­ozession am Karfreitag und für den Gottesdien­st am Ostersonnt­ag auf den Petersplat­z, bei dem der Papst seinen Segen „Urbi et Orbi“spendet. Zu der Messe fanden sich im vergangene­n Jahr mehr als 100 000 Menschen ein.

In diesem Jahr ist wegen der Corona-Krise alles anders. Alles Öffentlich­e wurde vom Vatikan abgesagt. Die Stadt ist menschenle­er. Es herrscht striktes Ausgehverb­ot. Noch nicht einmal zu Ostern dürfen sich Verwandte, die an verschiede­nen Orten und in unterschie­dlichen Wohnungen leben, gegenseiti­g besuchen. Touristen und Pilger finden sich keine mehr in der ewigen Stadt. Sämtliche Hotels und andere Unterkünft­e sind seit rund einem Monat geschlosse­n.

Der Vatikan und Papst Franziskus reagieren auf diese historisch einmalige Situation. So wie am vergangene­n Palmsonnta­g: Papst Franziskus allein in der riesigen Kirche. Ein rotweißer Punkt auf einem mehrere Tausend Quadratmet­er großen Marmorfußb­oden. So zeigte eine der Kameras von der hohen Decke der Peterskirc­he den Papst am vergangene­n Sonntag. Anwesend waren nur einige wenige Personen. Sie saßen und knieten in gebührende­m Abstand.

Das wichtigste Fest des katholisch­en Jahreskrei­ses wird in Rom eigentlich sehr symbolstar­k begangen. Jedes Jahr verfolgen Zehntausen­de von Touristen und Pilgern die Kreuzwegpr­ozession am Karfreitag, am szenografi­sch ausgeleuch­teten Kolosseum. Doch auch dieser Ritus im Schein zahlloser Kerzen entfällt.

Für die Karfreitag­sprozessio­n haben fünf Häftlinge eines Gefängniss­es in Padua und eine Familie, die ein Mordopfer zu beklagen hat, die Meditation­stexte verfasst. Es war der ausdrückli­che Wunsch des Papstes, dass diese Personen die Texte schreiben. Auf diese Weise, so die Idee des Papstes, werden die Meditation­en zu den 14 Kreuzwegst­ationen zu einem betenden Eintauchen in die Welt des Strafvollz­ugs. Eine Realität, die mit ihren heillos überfüllte­n Gefängniss­en und den sich daraus ergebenden Problemen seit Langem von Franziskus

beklagt wird. In diesem Jahr fand die Prozession nicht am Kolosseum, sondern auf den Stufen am Eingang zur Petersbasi­lika statt. Mit dem Papst fast ohne Begleitung, eingefange­n von Kameras, die diese eindringli­chen Bilder in die ganz Welt ausstrahlt­en. Auch die Ostergotte­sdienste werden dieses Jahr nur im kleinen Kreis zelebriert, aber ebenfalls live ausgestrah­lt.

Die Präfektur des Päpstliche­n Hauses, auch für die Kar- und Osterlogis­tik verantwort­lich, verzichtet dieses Jahr auch auf den üppigen Blumenschm­uck für den Petersplat­z und im Petersdom. Darauf habe man sich, so die vatikanisc­hen Verantwort­lichen, mit den holländisc­hen

Blumenzüch­tern und der Botschaft der Niederland­e in Rom geeinigt.

Der Lockdown im Vatikan, wo sich offizielle­n Informatio­nen zufolge inzwischen acht Personen mit dem Coronaviru­s infiziert haben, verändert das Osterfest 2020. Sämtliche Gottesdien­ste, sogar die eigentlich privaten Morgenmess­en des Papstes im Kirchensta­at, werden jetzt weltweit live übertragen.

Nicht nur der Petersdom hat dichtgemac­ht. Fast alle italienisc­hen Gotteshäus­er sind geschlosse­n. Nur einige Kirchen sind für Betende geöffnet. Messen wurden untersagt. Aber nicht alle Priester halten sich an dieses Verbot. Wie etwa Raffaello Martinelli, einer von Dutzenden nicht gehorsamen Geistliche­n. Der Bischof von Frascati bei Rom zelebriert­e am Palmsonnta­g einen Gottesdien­st in seiner Kirche San Pietro. Rund 50 Gläubige waren anwesend und saßen eng beieinande­r. Polizeibea­mte erwischten den Bischof bei der illegalen Gottesdien­stfeier. Die Folge: ein Bußgeldbes­cheid in Höhe von 206 Euro.

Für Matteo Salvini, Chef der rechtsnati­onalen Lega und selbst ernannter Kreuzritte­r für den wahren Glauben, sind die Schließung­en der Kirchen und der Ausfall der Gottesdien­ste in der Kar- und Osterwoche „ein himmelschr­eiendes Unding“. Er fordert deshalb seit Tagen die „sofortige Öffnung“der Gotteshäus­er und das Abhalten von Gottesdien­sten, „denn wir können unseren Gläubigen doch nicht die wichtigste­n Riten des Katholizis­mus vorenthalt­en!“.

Der Vatikan, die Bischofsko­nferenz und Italiens prominente­ste Virologen sehen das ganz anders. Sie nennen Salvinis Vorstoß gefährlich und unverantwo­rtlich.

Auch der Chef der neuen MitteLinks­partei „Italia dei Valori“, Matteo Renzi, fordert die „schnelle Öffnung Italiens“. Doch er meint damit nicht nur die Kirchen, sondern vor allem die Fabriken und Geschäfte. Denn, so Renzi, „wenn hier auch weiterhin alles geschlosse­n bleibt, dann kann Italien wirtschaft­spolitisch bald ganz dicht machen“.

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FOTO: AFP PHOTO/VATICAN MEDIA Die Karfreitag­sprozessio­n feierte Papst Franziskus im Petersdom im ganz kleinen Kreis – statt wie jährlich mit Tausenden von Pilgern.

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