Einsame Ostern im Vatikan
Papst Franziskus feiert das höchste Fest der Christen wegen der Corona-Krise ohne Besucher und Pilger
ROM - An Ostern ist Italiens Hauptstadt traditionellerweise voll mit Pilgern. Sie kommen für die Kreuzwegprozession am Karfreitag und für den Gottesdienst am Ostersonntag auf den Petersplatz, bei dem der Papst seinen Segen „Urbi et Orbi“spendet. Zu der Messe fanden sich im vergangenen Jahr mehr als 100 000 Menschen ein.
In diesem Jahr ist wegen der Corona-Krise alles anders. Alles Öffentliche wurde vom Vatikan abgesagt. Die Stadt ist menschenleer. Es herrscht striktes Ausgehverbot. Noch nicht einmal zu Ostern dürfen sich Verwandte, die an verschiedenen Orten und in unterschiedlichen Wohnungen leben, gegenseitig besuchen. Touristen und Pilger finden sich keine mehr in der ewigen Stadt. Sämtliche Hotels und andere Unterkünfte sind seit rund einem Monat geschlossen.
Der Vatikan und Papst Franziskus reagieren auf diese historisch einmalige Situation. So wie am vergangenen Palmsonntag: Papst Franziskus allein in der riesigen Kirche. Ein rotweißer Punkt auf einem mehrere Tausend Quadratmeter großen Marmorfußboden. So zeigte eine der Kameras von der hohen Decke der Peterskirche den Papst am vergangenen Sonntag. Anwesend waren nur einige wenige Personen. Sie saßen und knieten in gebührendem Abstand.
Das wichtigste Fest des katholischen Jahreskreises wird in Rom eigentlich sehr symbolstark begangen. Jedes Jahr verfolgen Zehntausende von Touristen und Pilgern die Kreuzwegprozession am Karfreitag, am szenografisch ausgeleuchteten Kolosseum. Doch auch dieser Ritus im Schein zahlloser Kerzen entfällt.
Für die Karfreitagsprozession haben fünf Häftlinge eines Gefängnisses in Padua und eine Familie, die ein Mordopfer zu beklagen hat, die Meditationstexte verfasst. Es war der ausdrückliche Wunsch des Papstes, dass diese Personen die Texte schreiben. Auf diese Weise, so die Idee des Papstes, werden die Meditationen zu den 14 Kreuzwegstationen zu einem betenden Eintauchen in die Welt des Strafvollzugs. Eine Realität, die mit ihren heillos überfüllten Gefängnissen und den sich daraus ergebenden Problemen seit Langem von Franziskus
beklagt wird. In diesem Jahr fand die Prozession nicht am Kolosseum, sondern auf den Stufen am Eingang zur Petersbasilika statt. Mit dem Papst fast ohne Begleitung, eingefangen von Kameras, die diese eindringlichen Bilder in die ganz Welt ausstrahlten. Auch die Ostergottesdienste werden dieses Jahr nur im kleinen Kreis zelebriert, aber ebenfalls live ausgestrahlt.
Die Präfektur des Päpstlichen Hauses, auch für die Kar- und Osterlogistik verantwortlich, verzichtet dieses Jahr auch auf den üppigen Blumenschmuck für den Petersplatz und im Petersdom. Darauf habe man sich, so die vatikanischen Verantwortlichen, mit den holländischen
Blumenzüchtern und der Botschaft der Niederlande in Rom geeinigt.
Der Lockdown im Vatikan, wo sich offiziellen Informationen zufolge inzwischen acht Personen mit dem Coronavirus infiziert haben, verändert das Osterfest 2020. Sämtliche Gottesdienste, sogar die eigentlich privaten Morgenmessen des Papstes im Kirchenstaat, werden jetzt weltweit live übertragen.
Nicht nur der Petersdom hat dichtgemacht. Fast alle italienischen Gotteshäuser sind geschlossen. Nur einige Kirchen sind für Betende geöffnet. Messen wurden untersagt. Aber nicht alle Priester halten sich an dieses Verbot. Wie etwa Raffaello Martinelli, einer von Dutzenden nicht gehorsamen Geistlichen. Der Bischof von Frascati bei Rom zelebrierte am Palmsonntag einen Gottesdienst in seiner Kirche San Pietro. Rund 50 Gläubige waren anwesend und saßen eng beieinander. Polizeibeamte erwischten den Bischof bei der illegalen Gottesdienstfeier. Die Folge: ein Bußgeldbescheid in Höhe von 206 Euro.
Für Matteo Salvini, Chef der rechtsnationalen Lega und selbst ernannter Kreuzritter für den wahren Glauben, sind die Schließungen der Kirchen und der Ausfall der Gottesdienste in der Kar- und Osterwoche „ein himmelschreiendes Unding“. Er fordert deshalb seit Tagen die „sofortige Öffnung“der Gotteshäuser und das Abhalten von Gottesdiensten, „denn wir können unseren Gläubigen doch nicht die wichtigsten Riten des Katholizismus vorenthalten!“.
Der Vatikan, die Bischofskonferenz und Italiens prominenteste Virologen sehen das ganz anders. Sie nennen Salvinis Vorstoß gefährlich und unverantwortlich.
Auch der Chef der neuen MitteLinkspartei „Italia dei Valori“, Matteo Renzi, fordert die „schnelle Öffnung Italiens“. Doch er meint damit nicht nur die Kirchen, sondern vor allem die Fabriken und Geschäfte. Denn, so Renzi, „wenn hier auch weiterhin alles geschlossen bleibt, dann kann Italien wirtschaftspolitisch bald ganz dicht machen“.